19 ~ ʄųɛŋʄɬɛʂ ɠıʄɬ ~ ۷ơɩɩῳɛཞɬıɠ

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Ich wühlte kniend im schlammigen Boden um den Teich und grub nach den Wurzeln und niedrigen Stängeln der Pflanze. Jeder Teil des Wasserschierlings ist sehr giftig, aber ich entschied mich dagegen, die ganzen Blätter zu ernten, da ich mir nicht sicher war, wieviel ich brauchte. Mit den verdickten Wurzeln war ich da besser beraten. Ich zerrte an dem Stängel einer Pflanze und lehnte mich mit meinem gesamten Gewicht zurück, um sie aus der Erde zu bekommen.
Ich hätte ein Messer mitnehmen sollen, dachte ich, aber ich konnte sie auch so befreien. Mit einem Ruck war sie entwurzelt und ich landete mit dem Schierling in der Hand auf meinem Hosenboden. Ich fluchte leise und sah mir die Wurzeln der Pflanze genauer an. Sie sahen aus wie ganz normale Knollen, aber nicht wie eine Kartoffel, sondern wie... ähm, wie heißt das Ding noch gleich? Pastinaken! Das war's. Kann ich nicht ausstehen, aber so sah sie aus.
Ich entfernte Blätter und Stängel des Wasserschierlings und machte mich mit der Wurzel in der Hand auf den Rückweg. Ich war froh, dass ich so einen guten Orientierungssinn habe, sonst hätte ich mich sicherlich verlaufen oder diesen Ort nie wieder gefunden. Und man konnte ja nie wissen, wann man mal ein wenig hochgiftigen Wasserschierling gebrauchen würde.
Auf dem Weg zurück zum Unterschlupf pfiff ich vor mich hin und sog die kühle Frühlingsluft ein. Ich genoss die Zeit, die mir noch blieb, bevor ich eine Todsünde beging.

Bei den Vipern angekommen eilte ich als erstes in mein Zimmer, wobei ich die Wurzel unter meinem Umhang versteckte. Nur zur Sicherheit. Ich wollte nicht bei potenziell verdächtigen Aktionen gesehen werden. Obwohl ich mir nicht sicher war, was in dieser Gesellschaft als verdächtig galt. Ich denke, sie sahen das da ziemlich locker.
Maggie saß an unserem Tisch und wirbelte ihren Kopf herum, als ich die Tür öffnete.
"Vale", sagte sie und lächelte erleichtert. "Hast du, was du brauchst?"
Ich nickte und fragte: "Hat irgendjemand nach mir gefragt?"
"Nein, niemand. Wer auch?"
"Mark."
Sie schnaubte.
"Den habe ich vorhin glaube ich für eine Weile verscheucht."
"Umso besser. Es wird noch eine Weile dauern, bis ich mit dem... Gift fertig bin."
"Brauchst du noch bei irgendwas meine Hilfe?", fragte sie und blickte mich von unten herab aus ihren klaren Augen an.
"Nein, ich denke nicht. Es ist nicht schwer, wenn alles so klappt, wie ich mir es vorstelle."
"Gut, dann... dann warte ich hier, schätze ich."
Ich nickte und verließ den Raum wieder. Ich nahm den gleichen Weg wie Mark gestern und erreichte den verlassenen Flur in wenigen Minuten. Zielsicher trugen mich meine Füße auf die Tür zu, hinter der ich schon jetzt mein Herz gelassen hatte. Poetisch, ich weiß.
Die Tür schwang auf und gab den Blick auf das Chaos dahinter frei. Ich blieb im Türrahmen stehen und schüttelte den Kopf. Wenn es eins gibt, was ich hasse, dann ist das Unordnung. Bei mir muss alles seinen Platz haben, sonst kann ich nicht ruhig schlafen. Das Erste, was ich in dem Alchemielabor tat, war also aufräumen. Ich arbeitete mich von einer Ecke durch den ganzen Raum, inspizierte dabei alle Werkzeuge und Utensilien, die mir unter die Nase kamen, und wies ihnen einen Platz in den vielen Regalen zu, wenn sie funktionstüchtig schienen. Waren die Beschädigungen jedoch zu groß, was leider bei einem Großteil der filigranen Glasgeräte, die bestimmt mal viel Geld gekostet hatten, der Fall war, deponierte ich sie neben der Tür. Ich musste mich noch darum kümmern, sie fachgerecht zu entsorgen, aber dafür hatte ich nun keine Zeit.
Bei meiner Putzaktion wirbelte ich eine Menge Staub auf und kämpfte lange mit den schwergängigen Fensterangeln, um ein wenig frische Luft in den Raum zu bekommen. Das verbesserte auch die Lichtsituation um ein Vielfaches. Durch die alten gelben und schmutzigen Fenster erreichte kaum ein Sonnenstrahl den Steinboden des Labors. Mit mehr Licht hob sich meine Laune augenblicklich und ich konnte mit neuem Elan wieder an die Arbeit gehen.
Unter einem langen Tisch fand ich einen weiteren Schatz. Ein Dutzend Bücher, die verschiedenste alchemistische Praktiken beschrieben. Ich blätterte sie grob durch und freute mich über ihren relativ guten Zustand, bevor ich sie alphabetisch sortiert auf einem Regalbrett aufreihte.
Ich seufzte und wischte mir über die Stirn. Ordnung zu schaffen ist anstrengend, und ich wuselte bestimmt stundenlang durch das Labor, damit man sich wenigstens frei bewegen konnte und nicht laufend über verrottende Pflanzenreste fiel.
Ich stellte mich in die Mitte des Raumes und drehte mich langsam um meine eigene Achse, während ich meine Ergebnisse beobachtete. Abgesehen von dem Abfallhaufen neben der Tür war ich zufrieden. Ich hatte in wenigen Stunden eine Ruine in einen Ort für konzentriertes Arbeiten und die Erschaffung von Neuem verwandelt.

ValeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt