17 ~ ۷ıɛཞɬɛʂ ɠıʄɬ ~ ۷ɛཞཞųɛƈƙɬ

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Ich schluckte schwer und musste den Blick abwenden. Hinter mir atmete meine Schwester hörbar aus. Ein leichtes Stolpern lag in ihrem Atem, als sie sich verschluckte.
Ich wollte kein Mörder sein. Ich konnte doch niemanden umbringen.
Dann wurde mir etwas klar. Wenn Mark das von allen seinen Schülern verlangte, dann musste auch-
"Gabe, du... du hast doch wohl nicht... Hast du- Hast du es getan?", stotterte Maggie.
Mein Bruder schloss schmerzlich die Augen und rieb sich das Gesicht. Seine Hände zitterten.
Klebte schon Blut an diesen Händen?

Versteh' mich nicht falsch, ich habe natürlich gewusst, dass das irgendwann kommen würde. Immerhin waren die Leute hier allesamt Mörder. Aber es war noch so früh. Ich war so jung. Noch nicht einmal einen Tag lang eine Viper und ich sollte mich schon mit dem Gedanken auseinandersetzen, einem anderen Menschen das Leben zu nehmen? Es fiel mir so unendlich schwer, das zu akzeptieren.

Maggies Moment der Schwäche war vorüber.
"Gabe!", schrie sie. "Antworte mir! Bist du ein Mörder?!"
Gabe fühlte sich eingeengt, sah gehetzt aus wie ein Reh nach einer Treibjagd. Wie immer wollte er einer direkten Konfrontation aus dem Weg gehen, aber jetzt konnte er nirgendwohin. Er saß in der Klemme und war gezwungen, seinen Ängsten ins Gesicht zu sehen.
"Ich frag nochmal: Hast du getötet?", machte meine Schwester mit etwas mehr Fassung weiter Druck und sein Widerstand zerbrach.
"Ja! Um Himmels Willen, ja, ich habe jemanden umgebracht", schluchzte er und sank zu Boden. "Ich bin ein Mörder. Oh Gott."
Er krümmte sich als hätte er furchtbare Schmerzen, doch es waren die Schuldgefühle, die ihn quälten. Jemand anderes Existenz auszulöschen ging scheinbar nicht spurlos an ihm vorbei.
"Der wird dir jetzt auch nicht mehr helfen. Das macht mich krank", sagte Maggie kalt und lief ohne ein weiteres Wort davon. Ich warf noch einen Blick auf meinen Bruder, der sich auf dem Boden wand und heulte und ging ebenfalls los.
Meine Schritte waren unsicherer als die meiner Schwester und ich hielt sofort an, als ich hinter mir Laute von Gabe vernahm, die wohl Worte darstellen sollten: "Vale. Vale, bitte." Er schniefte, stand auf und streckte seinen Arm nach mir aus. Ich wich zurück. Er sah gekränkt aus, aber das war mir egal.

Wenn ich ihn ansah, sah ich immer weniger von meinem wundervollen großen Bruder. An seine Stelle trat ein Fremder.
Jemand, den ich nicht kannte.
Jemand, der furchtbare Dinge tat.
Jemand, der sich mir zum Feind machte.
Und dann sah ich mich selbst in ihm.
Ich als Fremder, der schreckliche Dinge tat.
Und ich wusste, dass Gabe dasselbe sah, denn er bettelte, flehte mich an: "Bitte, tu es nicht. Lauf weg. Noch kannst du es. Lauf einfach weg und komm nie wieder. Nimm Maggie mit und verlass das Land. Vergiss mich und das alles hier. Bitte."
Aber ich schüttelte nur stumm den Kopf. Ich wollte nicht ohne Gabe gehen. Natürlich war er für viele schlimme Dinge verantwortlich, und dafür hasste ich ihn, aber er war trotz allem immer noch mein Bruder. War es immer gewesen. Würde es immer sein.
Er ist Gabe.
Und ich liebe Gabe.

"Bitte, Vale, ihr müsst fliehen!", rief er mir nach, als ich kehrt machte und davon rannte. Ich rannte so schnell ich konnte, so schnell sogar, dass ich Maggie noch einholte, bevor sie bei Mark ankam. Sie ging aber auch recht langsam, die Schultern nach vorne gebeugt und den Kopf eingezogen. Als ich zu ihr sah, glitzerten Tränen auf ihren Wangen. Ich wandte den Blick ab. Mir war gerade selber zum Heulen zumute, da konnte ich mich nicht auch noch um Maggie kümmern
Wir liefen eine Weile lang schweigend nebeneinander her. Nichts war zu hören, neben einem gelegentlichen Schniefen von ihr oder mir und dem Schleifen unserer Fußsohlen auf dem feuchten Boden.
Als ein Licht am Ende des Tunnels auftauchte und Marks Silhouette davor sichtbar wurde, streckte ich meinen Arm aus und hielt Maggie zurück. Sie sah mich verwundert aus ihren traurigen Augen an.
"Maggie, antworte ehrlich. Willst du weiterhin hier bleiben, auch wenn du dafür jemanden töten musst? Noch könnten wir abhauen. Es ist noch nicht zu spät." Erwartungsvoll sah ich sie an. Sie biss sich auf die Unterlippe und ihr Blick huschte zur Seite, bevor sie mir fest in die Augen sah und stürmisch ihre Augenbrauen zusammenzog.
"Wir hauen nicht ab. Es ist mir inzwischen egal, was aus uns wird. Immerhin wird dieser Beruf anständig bezahlt, und in dieser Gruppe hat man wohl ein relativ gutes Leben und ist sicher. Außerdem, was soll denn unsere Alternative sein?
Willst du dein ganzes Leben lang vor wütenden Meuchelmördern fliehen? Inzwischen wissen wir bestimmt zu viel. Wir kennen ihren Standort. Sie würden uns suchen, jagen, gefangen nehmen oder einfach direkt umbringen, damit wir nichts ausplaudern. Wir bedeuten denen doch nichts. Ganz und gar nichts. Es würde mich nicht einmal wundern, wenn sie uns nur wegen unseres Namens hierbehalten. Vielleicht hoffen sie so an unseren Vater heranzukommen und ordentlich Gewinn zu machen. Für die sind wir doch der reinste Glücksgriff, aber auch nur solange wir schön brav sind.
Ich vertraue diesen Leuten hier kein Stück, und genau deshalb will ich sie auf keinen Fall zum Feind haben.
Wir bleiben hier, tun was sie sagen und töten, wenn sie das sagen."
Ihre Stimme ließ keinen Raum für Widerspruch, darum nickte ich einfach nur und ließ sie vorbei.
Was hätte ich auch darauf erwidern sollen?
Ich ging weiter und bereitete mich darauf vor, Mark in die Augen sehen zu müssen.

ValeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt