15 ~ ۷ɛཞʄųɛɧཞųŋɠ

33 3 31
                                    

"Mark?", fragte ich, als wir das Arbeitszimmer verlassen hatten und auf dem Weg zu Maggies und meinem neuen Zimmer einen ruhigen Flur passierten.
"Hm?", machte er abwesend.
"Warum erkennt uns jeder? Das ist unheimlich und es gefällt mir nicht."
Er blieb stehen und bückte sich zu mir hinab. Der Größenunterschied zwischen uns war lächerlich.
Er sah mich an und legte den Kopf schief.
"Es sind eure Augen... Ja, auf jeden Fall die Augen", sagte er. Ich blinzelte.
"Was genau soll denn so besonders an ihnen sein? Sie sind doch nur grün."
"Sie leuchten. Außerdem ziehen sie sich schon seit Generationen durch eure Familie. So etwas sieht man selten."
"Ach ja?", fragte ich zweifelnd.
"Mhm. Aber das ist gut. Ihr seid damit nämlich auch recht hübsch, und das ist eine tolle Ablenkung. Sehr praktisch für diesen Beruf."
Maggie räusperte sich. Ich sah kurz zu ihr und stellte fest, dass ihre Wangen gerötet waren. Sehr verdächtig.
Mark richtete sich wieder auf und ging weiter.
"Kommt, wir sind fast da", sagte er.

Wir folgten ihm noch ein wenig, bis er um eine Ecke bog und in einem langen Flur stehen blieb.
"Hier wohnen die Neulinge", erklärte er. "Ihr habt Glück. In der Nähe von Gabes Zimmer ist, glaube ich, vor kurzem etwas frei geworden."
"Frei geworden?", hakte Maggie misstrauisch nach.
Mark dachte nach.
"Hm... Ein Mädchen, aber nicht meine Schülerin. Sie hat ihren ersten Auftrag vermasselt, denke ich. Richtig, sie hat sich schnappen lassen und sitzt jetzt vermutlich in irgendeiner Zelle, während sie auf ihre Hinrichtung wartet. Wirklich tragisch. Aber macht euch keine Sorgen, ihr beiden. Euch wird das nicht passieren, dafür sorge ich. Ich werde alles dafür tun, dass euch dieses Schicksal erspart bleibt. Bis jetzt haben alle meine Schüler überlebt. Ach nein, da war dieser eine Verräter. Ja, ihn musste ich leider töten. Was schade ist, denn dieser Kerl hatte echt Talent-"
Er verstummte, als er unsere erschrockenen Gesichter sah.
"Richtig. Reden wir nicht weiter darüber. Macht euch keinen Kopf, ihr gewöhnt euch noch daran. Das Töten ist hier ein alltägliches Gesprächsthema. Ich fand es am Anfang auch sehr befremdlich, aber es wird bald zur Normalität. Bald könnt ihr selbst auch mitreden. Ach ja, wenn ihr damit schon nicht umgehen könnt, solltet ihr am besten gleich wieder verschwinden. Wir können hier keine Weicheier gebrauchen, ist das klar?", sagte er streng und bedachte Maggie und mich mit einem durchdringenden Blick. Ich nickte einfach, da meine Kehle zum Sprechen zu trocken war. Aus dem Augenwinkel sah ich meine Schwester ebenfalls brav nicken.
Mark wirkte gleich wieder ganz freundlich und lief ohne ein weiteres Wort den Flur entlang. Wir eilten ihm nach.

Weniger als eine Minute später blieb er wieder stehen. Er zeigte auf die Tür zu seiner Linken.
"Da wohnt normalerweise Gabe, wenn er nicht gerade im Knast sitzt."
Er ging fünf Schritte weiter zur nächsten Tür auf der anderen Seite.
"Und hier ist frei." Damit stieß er die Tür auf.
Ein schlichter Raum kam zum Vorschein. Wände und Boden aus Stein, zwei Betten und ein Schrank. Es gab sogar ein kleines Fenster. Darunter stand ein Tisch mit zwei Stühlen. Ich mag es, wenn Tische unter Fenstern stehen. In der Küche ist es auch so.

- Du hast Recht, wir haben echt zu wenige Fenster. Vielleicht sollte ich ein paar mehr einbauen lassen. ... Gut, ich kümmere mich demnächst darum. -

Ich war eigentlich ganz zufrieden mit dem Zimmer, auch wenn es wirklich nichts besonderes und ich an besseres gewöhnt war. hier konnte man es gut aushalten. Damals wusste ich ja noch nicht, wie wenig Zeit ich am Ende hier verbringen würde.
Ich sah zu Maggie. Sie schien ebenfalls einverstanden.
"Ich hoffe es ist in Ordnung, dass ihr euch ein Zimmer teilt? Sonst ließe sich bestimmt auch noch etwas anderes organisieren", sagte Mark
"Oh nein", sagte Maggie.
"Das passt schon", setzte ich fort.
"Danke", fügte meine Schwester hinzu.
"Sehr gut", sagte er. "Dann lasse ich euch erstmal alleine. Später kann ich euch dann hier herumführen. Habt ihr davor noch irgendwelche Fragen?"
Ich dachte kurz nach, da fiel mir etwas ein.
"Ja, ich habe tatsächlich eine Frage", sagte ich also.
Mark nickte mir zu.
"Können wir Gabe sehen?"
Mark zögerte.
"Ja.. Ja natürlich. Ich kann euch später seine Zelle zeigen. Aber jetzt legt erstmal euer Gepäck ab und ruht euch aus. Ich habe noch etwas zu tun, aber danach bin ich den ganzen restlichen Tag für euch da. Wir sehen uns in ungefähr zwei Stunden. Ich hole euch ab."
"Gut, bis dann", sagte ich.
"Ja, bis später", murmelte er und schloss die Tür.
Dann waren Maggie und ich allein. Ich ließ mein Bündel mit unserem wenigen Hab und Gut auf den Boden neben dem Schrank sinken und setzte mich an den Tisch. Kurz darauf ließ sich Maggie gegenüber von mir nieder und faltete die Hände auf der hölzernen Tischplatte.
"Also", sie sah auf, "was denkst du bis jetzt?"
Ich sah aus dem Fenster, sah aber nur Himmel, weil es so weit oben war.
"Es ist komisch. Ich weiß nicht, was ich denken soll", seufzte ich.
"Kobral kennt unsere Mutter", sagte sie. "Das geht mir nicht mehr aus dem Kopf."
"Ja..."
"Was hatte sie mit ihm zu tun? Woher kennen sie sich?"
"Keine Ahnung. Ich schätze wir werden es irgendwann herausfinden."
Wir schwiegen.
"Was willst du jetzt machen?", fragte ich nach einer kurzen Weile.
"Keine Ahnung. Einfach warten?", schlug sie vor.
"Klingt vernünftig", stimmte ich zu und stand auf.
Ich öffnete unsere Bündel und räumte unsere wenigen Kleider in den Schrank. Am Ende hielt ich nur noch mein Pflanzenbuch in der Hand, was sich eigenartig tröstlich anfühlte. Nach kurzem Überlegen schob ich es einfach unter mein Kissen und setzte mich daneben auf die Matratze.
Und dann wartete ich.
Irgendwann wurde mir langweilig, aber ich wollte keine Unruhe verbreiten, darum legte ich mich hin und musterte Maggie, die immer noch am Tisch saß und mich ihrerseits anstarrte.
Ich wusste gerade genau, was ihr durch den Kopf ging. Wir hatten beide dieselben Fragen, die wir nicht zu stellen wagten, weil wir uns vor den Antworten fürchteten.
Uns war bewusst, in was für einer absurden Situation wir uns befanden. Dass man uns zu Mördern - Auftragsmördern - machen wollte. Und wir fragten uns, ob wir wirklich dazu in der Lage wären. Es war wohl eine eher drastische Aktion.

ValeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt