Vollkommen außer Atmen kamen wir am Übungsplatz an. Maggie zuerst, dann Gabe und ich war Letzter. Unsere Mutter erwartete uns bereits. Sie stand da in ihrer figurbetonten Sportkleidung, die wilden Locken mit einem Band in einem hohen Zopf gebändigt und die Hände in die Hüften gestützt.
"Ich habe euch schon vor fünf Minuten hier erwartet. Gibt es einen Grund für euer Zuspätkommen? Einen glaubwürdigen Grund?", fragte sie streng und sah auf uns keuchende Kinder herab. Wir alle rangen mit roten Köpfen nach Luft, deshalb konnte niemand direkt antworten. Gabe fing sich als erstes wieder. Ich war schon gespannt, was für eine Ausrede er sich dieses Mal einfallen lassen würde. Ma war zwar eigentlich sehr nett und fürsorglich, aber wenn es um den Unterricht ging, verstand sie wirklich keinen Spaß. Und seit einer Weile war sie sogar noch strenger und machte uns alles noch schwieriger als sonst. Es war schon fast höllisch, und das jeden Tag, fast ohne Ausnahmen. So hart kannte ich sie eigentlich gar nicht und ich fragte mich, warum sie jetzt auf einmal so ernst war. Rätselhaft war es auf jeden Fall und ich hoffte, dass sich ihr Verhalten bald wieder normalisieren würde, denn ich und meine Geschwister lebten in einem konstanten Zyklus von Anstrengung, Schmerz und Schlaf. Wir konnten uns nicht einmal mehr richtig auf unseren anderen Unterricht konzentrieren, weil der Sport alles in Anspruch nahm. Zum Glück hatten wir wenigstens die Sonntage, um uns zu entspannen. Vormittags gingen wir zwar in die Kirche, aber der Rest des Tages gehörte nur uns. Gabe verdrückte sich meistens in die Stadt und trieb sich dort herum, betrank sich oder, wie ich jetzt herausgefunden hatte, traf sich scheinbar auch mit seiner Freundin.
- Wie? Neidisch? ... Ich? ... Niemals! -
Also, Gabe war ein Draufgänger und geriet andauernd in Prügeleien. Dann kümmerten Maggie und ich uns um ihn und brachten ihn ins Bett. Am nächsten Morgen tat er dann so, als wäre nichts passiert. Vielleicht erinnerte er sich auch einfach nicht. Obwohl er der Ältere war, hatte ich manchmal das Gefühl, ihn beschützen zu müssen. Vor was auch immer. Es war unlogisch.
- Ob ich-? ... Ja, manchmal glaube ich das heutzutage immer noch. Dabei kann er inzwischen wirklich gut genug auf sich selbst aufpassen. ... Richtig. Er ist Familie. Der letzte Rest meiner Familie. -
"Mutter, wir ah... mussten noch auf Vale warten. Er hat so lange zum Umziehen gebraucht", japste mein Bruder. "Spinnst du? So war es überhaupt nicht! Maggie hat uns mit Absicht zu spät kommen lassen. Sie ist doch die mit der inneren Uhr", ächzte ich. "Hä?", ächzte Maggie. "Nein, so war es auch nicht. Gabe hat ewig geredet und uns aufgehalten", schob sie nun die Schuld auf ihn. "Was?! Das stimmt doch gar nicht! Sie lügt!", behauptete er anklagend und zeigte auf seine Schwester.
Ich richtete mich auf und verteidigte sie: "He, lass sie in Ruhe! Du hast mit dem Mist angefangen. Anders als du ist sie sogar ehrlich gewesen."
"Jetzt tu du nicht so unschuldig. Du hast selbst auch gelogen", sagte er und baute sich vor mir auf. Ich sah finster zu ihm hoch und schluckte. "Jungs, das bringt doch nichts", sagte Maggie leise. "Halt dich da raus!", fauchten Gabe und ich gleichzeitig und funkelten sie an. Sie zog sich zurück.Jetzt starrte ich wieder wütend meinen Bruder an. Er erwiderte den Blick mit der gleichen Intensität. Ich ballte meine Hände zu Fäusten. "Leg dich nicht mit mir an, Knirps", knurrte er. "Wie hast du mich gerade genannt?!" Er legte es wirklich darauf an, mich auf die Palme zu bringen. Ein Teil von mir wunderte sich darüber, dass meine Mutter nicht dazwischen ging, denn Gabe und ich waren nicht mehr weit von einer Schlägerei auf dem Boden entfernt. Jetzt war ich Ma für ihr hartes Üben dankbar, denn so war ich nicht viel schwächer als Gabe, obwohl er größer war. Aber nein, Ma griff nicht ein. Im Gegenteil; sie beobachtete und aufmerksam.
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Vale
AcciónIch habe in meinem Leben viel gesehen. Ich bin weit gereist, habe etliche Menschen getroffen. Ich habe etliche Menschen getötet. Ich habe mehr verloren, als ich zu besitzen glaubte. Meine Geschichte ist keine schöne. Sie ist kein Märchen und kein...