22 ~ ۷ɛཞɩıɛცɬ

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Mark hielt sein Versprechen. In den nächsten drei Jahren bekam er irgendwie das Unmögliche auf die Reihe. Er fand jeden Tag Zeit für den Unterricht mit Maggie, Gabe und mir. Gleichzeitig konnte er noch einzelne Stunden mit uns einrichten, in denen er individuell auf uns einging.

Gabe half er mit dem Fechten und seiner Geschicklichkeit. Er machte aus meinem Bruder einen flinken und leichtfüßigen jungen Mann. Außerdem brachte er ihm das Reden bei. Gabe zeigte früh seine silberne Zunge und sein außerordentliches Talent dafür, Welten, Wünsche und Lügen nur mit Worten zu erschaffen. Seine Überredungskunst kannte damals schon keine Grenzen. Vor ihm musst du dich wirklich in Acht nehmen, denn wenn er einmal sein Netz aus Sätzen um dich spinnt, ist es zu spät.

Das Gleiche tat Mark für Maggie. Er machte sie stark. Das ist dabei wörtlich zu verstehen.
Ich lief eines Tages ganz friedlich einen Flur hinab, als ich auf einmal auf Maggie traf. Das verwunderte mich, da ich genau wusste, dass sie Unterricht bei Mark hatte. Sie ignorierte meine Nachfrage und umarmte mich. Das dachte ich jedenfalls, allerdings war ihr Griff auffällig fest, und ehe ich mich versah, hatte sie mich schon von meinen Füßen in die Luft gehoben. Ich war selten so verstört. Mark brach in Beifall aus und Maggie schien ihren Sieg zu feiern. Ich machte mich schleunigst aus dem Staub, bevor die beiden noch auf irgendwelche anderen Schnapsideen kamen.
Maggie wuchs also zu einer unglaublich starken jungen Frau heran. Wie unser Bruder behielt sie den Fechtkampf bei, machte sich jedoch auch besonders gut im heimlichen Schleichen. Man hörte sie nicht kommen und konnte sie nicht sehen, wenn sie nicht gesehen werden wollte.

Auch mir brachte Mark viel bei. Als erstes natürlich den Schwertkampf. Am Anfang war er ziemlich ratlos, was genau er mir in die Hand drücken sollte. Ein Degen fiel von vornherein weg, die meisten Zweihänder waren länger als ich selbst, darum gab er mir ein Kurzschwert, aber wir wussten beide, dass das nicht das ganz Richtige für mich war. Als ich fast sechzehn Jahre alt war kam er zu spät zu einer unserer Einzelstunden, aber als er dann doch auftauchte, war er unglaublich aufgeregt. Er meinte, er habe endlich die perfekte Waffe für mich gefunden. In der Hand hielt er dabei, große Überraschung, einen Anderthalbhänder. Ja, genau dieser Anderthalbhänder. Ich nahm ihn Mark ab und legte ihn dann einfach nicht mehr weg. Ich wollte mich nicht mehr davon trennen, denn nichts hatte sich jemals so perfekt für mich angefühlt.
Mark war nicht weniger begeistert als ich und sagte mit einem Zwinkern, dass sich da bestimmt etwas für mein Geburtstagsgeschenk einrichten ließe. Sehr bald durfte ich dieses wundervolle Schwert mein eigen nennen. Das war der Tag, an dem ich mich zum ersten Mal darauf freute, jemanden töten zu dürfen. So etwas schönes musste ja würdig eingeweiht werden.
Ja, ab unserem zweiten Jahr durften wir Aufträge annehmen. Hin und wieder wurden wir in die Wildnis entlassen, um Leben zu nehmen. Manchmal in Gruppen, manchmal alleine. So richtig Mist baute dabei überraschenderweise keiner von uns. Und wir überlebten unsere Ausbildung, das war schon ziemlich gut.

Ach ja, ich hab was vergessen. Mark brachte mir natürlich nicht nur bei, wie man ordentlich ein Schwert schwingt, er legte sich auch richtig ins Zeug, um mir so viel wie möglich über Alchemie und Medizin beizubringen. Erst überschüttete er mich mit Fachlektüre und las selbst das eine oder andere Buch, damit er mir Wissen vermitteln konnte. Das meiste Geld, das ich von meinen Aufträgen übrig hatte ging für die Mitgliedsbeiträge für Unterkunft und sowas drauf, aber der Rest wanderte direkt in Ausstattung für das Labor. Ich machte einen glänzenden Ort daraus. Schon bald war ich unter den Vipern in aller Munde. Sie kamen zu mir, wenn sie ein Gift für einen Mord brauchten, aber auch, wenn sie krank oder verletzt waren und ein Heilmittel suchten. Jeder dort kannte mindestens einen meiner Namen. Sie schätzen mich, und ich fühlte mich endlich gebraucht. Ich stand in niemandes Schatten. Ich war endlich der Beste in etwas, und das war verdammt geil. Ich will gar nicht drumherum reden, ich wollte dieses Gefühl nicht mehr ablegen. Dadurch entwickelte ich eine leicht überhebliche Ader, die man mir wahrscheinlich heutzutage immer noch ab und zu anmerkt. Es stieg mir zu Kopf, ja, aber das machte mich nicht weniger wichtig. Selbst Kobral höchstpersönlich kam mit seinen Leiden und Gebrechen als erstes zu mir. Und wenn man in der Gunst des Königs steht, dann weiß man, dass man gewonnen hat. Ich hatte es geschafft. Mir einen Namen gemacht. Einen eigenen. Nicht nur den meines Vaters.

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