28 ~ ʂɛƈɧʂɬɛʂ ɠıʄɬ ~ ۷ąɬɛཞɱơɛཞɖɛཞ

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Mark reckte den Hals und schnappte mit großen Augen nach Luft, als er einen guten Blick in die Kammer erhaschen konnte.
"Das gibt's doch nicht!", sagte er mit einer Mischung aus Empörung und Bewunderung. "Ich hab noch nie so viel Geld auf einmal gesehen. Niemand sollte so viel Geld haben!"
"Da stimme ich dir zu", murmelte Gabe und trat in den kleinen Raum.
Mir wurde bei dem Anblick auch etwas mulmig. Schon als ich zum ersten Mal hier gewesen war, hatte dort eine Menge Geld gelegen, aber jetzt stapelten sich die gefüllten Säcke teilweise bis zur Decke. Scheinbar hatte Pa schon sehr lange nicht mehr in irgendwelche Dinge investiert.
Das war mir schon auf dem Hinweg aufgefallen. Die Ländereien waren verwildert, das Haus ruiniert. Efeu hatte begonnen, sich an den Mauern hochzuranken - eine Sache, der Pa früher immer sofort Einhalt geboten hatte. Ich war froh, dass ich Mas alten Garten nicht sehen musste. Wir waren von der anderen Seite gekommen. Bestimmt hätte ich ihn sowieso kaum wiedererkannt, aber die Erinnerungen wollte ich mir sparen. Ich hatte es in den vergangenen drei Jahren sehr gut hinbekommen, nicht an meine Mutter zu denken, und von mir aus konnte das so bleiben. Heute genauso. Ich will gar nicht wissen, ob sie tot ist oder noch lebt. Es ändert nichts. Die Zeit mit ihr, die mir genommen wurde, könnte ich nie nachholen. Außerdem könnte ich sie nie wieder mit gleichen Augen sehen, jetzt wo ich weiß, dass sie selber eine Assassine war. Das hat man mir jedenfalls gesagt. Das gleiche gilt für meinen Vater, aber ich weiß von ihm wenigstens sicher, dass er tot ist, denn ich habe-
Ach, das muss ich jetzt nicht vorweg nehmen, ich wollte es sowieso gerade erzählen.
"Los, packt an", zischte Gabe und griff selbst nach zwei Geldsäcken. Wir anderen taten es ihm gleich, und am Ende war immer noch unendlich viel von Pas Reichtum da. Es fiel kaum auf, dass etwas fehlte. Vielleicht würde er es nicht einmal selbst merken.
"Seid ihr bereit?", fragte ich, nachdem ich mich als Letzter an dem Vermögen bedient hatte. Maggie und Mark nickten, Gabe lief schon los und drückte vorsichtig die Türklinke herunter, um wieder auf den Flur zu treten, als meine Schwester ihn mit einem geflüsterten "Warte!" zurückhielt. Gabe wirbelte zu ihr herum und sah ziemlich ungeduldig aus, bis er sie vor der Schatzkammer knien sah. Sie hatte wieder den Dietrich in der Hand und werkelte behutsam an dem Schloss herum.
"Wenn man so eine Tür aufbrechen kann, kann man sie auch wieder verschließen. Es soll doch nicht gleich jeder merken, dass jemand hier war, oder?", wisperte sie eine Erklärung, die uns allen einleuchtete.
"Du bist so wundervoll und schlau", schmachtete Mark, legte eine Hand in ihren Nacken und küsste sie, als sie sich wieder aufrichtete. Ich sah betreten zu Gabe, der die Augen verdrehte und den Kopf schüttelte, bevor er leicht genervt flüsterte: "Leute, dafür haben wir jetzt wirklich keine Zeit. Setzt euch in Bewegung." Er wandte sich ab und verschwand auf den Flur.
Ich folgte ihm geschwind und flüsterte kurz darauf: "Gabe, wo willst du denn hin?"
Er war nach rechts abgebogen, während ich lieber nach links gehen würde.
"Zur Südtreppe", antwortete er. "Die ist näher an unserem Ausgang."
"Bist du wahnsinnig? Die Südtreppe ist morsch. Du wirst das ganze Haus aufwecken. Wir sollten die Nordtreppe nehmen", meinte ich und wurde dabei unbewusst etwas lauter, um meiner Meinung mehr Gewicht zu geben.
"Das stimmt doch nicht. Es war immer die Nordtreppe, die einen Riesenlärm gemacht hat", erwiderte Gabe, ebenfalls lauter, als ratsam gewesen wäre.
"Nein, ich bin mir ganz sicher, dass es die Südtreppe war", widersprach ich und machte einen Schritt auf ihn zu. Ich griff nach seinem Arm und wollte ihn in meine Richtung ziehen, aber die sowieso schon stressige Situation schien ihm nicht zu bekommen, weshalb er seine Beute fallen ließ, was an sich schon unangenehm laut war, aber dazu stieß er mich noch von sich, dass ich gegen die nächste Wand knallte. Mir blieb die Luft weg. Gabe hatte übertrieben, und hätte ich in diesem Moment klar sehen können, hätte ich ihm dafür sicherlich eine reingehauen, aber ich musste mich erst wieder sammeln.
"Was macht ihr denn?!", fragte Maggie entsetzt.
Und dann ging alles sehr schnell sehr steil bergab.
Ich hörte, wie eine Tür aufging, Mark "Scheiße, weg hier!" rief und dann hastige Schritte, als er weglief und dabei offensichtlich Gabe, der am nächsten bei ihm stand, mit sich zog. Ich war noch orientierungslos und konnte nicht einordnen, was passierte, aber das verflog augenblicklich, als ich meine Schwester gedämpft aufschreien hörte.
Ich riss mich zusammen und wirbelte zu ihr herum. Was ich sah, trieb mir einen kalten Splitter der Angst ins Herz.
Es war mein Vater, der mit einem Messer in der Hand auf Maggie losging. Er erkannte uns nicht. Wegen der Dunkelheit und unserer Kapuzen wahrscheinlich, und weil so viel Zeit vergangen war. Weil wir noch Kinder gewesen waren, als er uns zuletzt gesehen hatte.
Maggie hatte sein Angriff überrascht, weshalb sie zu Boden gegangen war und dort mit Richard rangelte und immer wieder seinem Messer auswich, unfähig, ihre eigene Waffe zu ziehen.
Als mir klar wurde, was Richard vorhatte, dass er es darauf anlegte, Maggie zu verletzen oder gar zu töten, sah ich rot und stürmte los.
Ich warf mich auf meinen Vater, schubste ihn von Maggie und vollführte mit ihm unfreiwillig eine halbe Vorwärtsrolle, in der ich meinen Dolch aus meinem Gürtel zog, ehe ich sitzen blieb, Richard unter mir. Genausowenig wie er seinen Sohn über sich sah, sah ich meinen Vater unter mir und hob meine Klinge mit beiden Händen über meinen Kopf.
In Richards Augen spiegelten sich seine Wut und jetzt auch Angst wieder, bis sie von einem Ausdruck des Erkennens ersetzt wurden.
In meinem Sturz war mir die Kapuze vom Kopf gerutscht, und er sah, wen er vor sich hatte.
"Valerian?", fragte er, und kurz darauf verzog sich sein Gesicht vor Schmerz, als ich ihm, blind und taub in meiner Rage, den Dolch in die Brust rammte.
"W-Was? Warum? Mein Junge...", hauchte er, und erst da erkannte ich, was ich getan hatte. Ich stieß einen entsetzten Laut aus, den ich am ehesten als Schluchzen bezeichnen würde. Aber noch bevor ich große Reue oder Trauer empfinden konnte, kippte sein Kopf zur Seite, und es traf mich wie zwei Schläge. Einer in die Magengrube und der andere mitten ins Gesicht.
Ich hatte gerade meinen Vater getötet. Kaltblütig ermordet.

Ich schlug meine Hände über dem Kopf zusammen und schnappte hysterisch nach Luft, aber mein Hals war so eng, dass ich trotzdem nicht atmen konnte. Ich blickte auf die Leiche meines Vaters hinab, wollte wegsehen, aber konnte dennoch den Blick nicht abwenden. Um die Waffe, die sich tief in seinen Brustkorb gegraben hatte, breitete sich ein dunkler Blutfleck auf seinem Nachthemd aus. Seine Augen waren weit aufgerissen und starrten mich noch immer an. Diesem leeren Blick konnte ich nicht standhalten und stolperte darum von ihm fort, nur um gleich wieder zusammenzubrechen und auf alle Viere zu sinken. Ich würgte, und ein saurer Geschmack machte sich in meinem Rachen breit.
Ich glaube, ich habe sogar geweint, bis ich ein leises Ächzen hinter mir hörte.
Schlagartig fiel mir Maggie wieder ein. Die Sorge um meine Schwester ließ alles andere verschwinden. Ich richtete mich auf und fuhr zu ihr herum.
Sie saß an die Wand gelehnt auf dem Boden und hielt sich die rechte Schulter.
"Vale, er hat mich erwischt", sagte sie heiser und sah zu mir auf. "Du musst mir helfen."
"W-Wie schlimm ist es?", fragte ich und befürchtete das Ärgste.
"Es geht schon. Lass uns einfach verschwinden", sagte sie und biss die Zähne zusammen, als ich ihr unter die Arme griff und sie aufrichtete.
"Soll ich mir nicht wenigstens mal den Schaden ansehen?", sagte ich.
"Nein, hier kannst du nichts tun. Wir müssen zurück, schnell."
"Klar", flüsterte ich. "Ich bring uns hier raus."
Ich stützte sie, wobei ich sie eigentlich mehr trug, aber das machte mir nichts aus. So waren wir wenigstens etwas schneller, denn sie konnte sich kaum auf den Beinen halten, geschweige denn laufen oder rennen. Ich wusste eigentlich, dass sie schwer verletzt sein musste, obwohl sie das Gegenteil behauptete, aber leider hatte sie Recht. Ich hatte nichts bei mir, mit dem ich ihre Wunde hätte versorgen können, deshalb musste ich sie schleunigst zum Hauptquartier der Vipern bringen. Ich musste sie verarzten, sie retten. Das war das Einzige, was mir noch etwas bedeutete.

Vatermörder, der
Person, die ihren eigenen Vater getötet hat

1.421 Wörter

ValeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt