3 ~ ۷ɛཞʂıɛཞɬ

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Ich machte den ersten Zug. Mit drei langen Schritten überbrückte ich den Abstand zwischen mir und meinem Bruder. Ich holte zu einem Schlag gegen seine Schulter aus, den er mühelos parierte. Dadurch hatte ich Zeit, seine andere - nun ungeschützte - Seite anzugreifen. Dabei vernachlässigte ich jedoch leider meine Deckung und Gabe stach nach meiner Magengegend. Ich sprang zurück und baute meine Verteidigung wieder auf. Jetzt umkreisten er und ich uns einfach. Jeder wartete darauf, dass der Andere angriff. Ich wusste, dass Gabe nicht den nächsten Schritt machen würde, weil er wusste, dass ich schneller meine Geduld verlor. Wir hatten schon so oft gegeneinander gekämpft und kannten jede Attacke des Anderen. Deshalb wollte ich es heute mal anders versuchen. Ma sagte immer, dass ich zu ungeduldig bin.

Ich suchte Gabes Blick und kniff meine Augen zusammen. Wir verweilten noch eine Weile lang in diesem Tanz. Es fühlte sich wie Stunden an, war aber vermutlich nur eine Minute. Höchstens. Dann kam der Moment, auf den ich gewartet hatte.

Gabe machte einen Fehler. Einen winzig kleinen Fehltritt auf dem unebenen Boden. Er stolperte fast unmerklich, aber es war genug, um ihn für den Bruchteil einer Sekunde abzulenken. Ich stürzte blitzschnell auf ihn zu und attackierte seine weniger geschützte Seite. Nach einem leichten Schlag gegen seine Rippen hatte er seine Deckung wieder aufgebaut, aber ich wechselte meinen Degen in die rechte Hand und schlug ihm auf die Finger seiner Schwerthand. Er zischte schmerzerfüllt auf und ließ reflexartig den Stock fallen. In der nächsten Sekunde hielt ich ihm auch schon die Spitze meiner Weidenrute unters Kinn und sah überheblich zu ihm auf.

"Ha! Wieder gewonnen", sagte ich triumphierend und ließ meine Waffe sinken. Gabe bückte sich und hob seinen eigenen Degen auf. "Gut gekämpft, kleiner Bruder", sagte er grinsend und klopfte mir auf die Schulter. Ich grinste ihn an. Er konnte mit dieser Niederlage umgehen. Wahrscheinlich hatte er sich auch schon daran gewöhnt, denn sein letzter Sieg lag schon lange zurück. Vielleicht war er auch einfach von Natur aus ein guter Verlierer. In diesen Dingen war er ganz anders als ich. Wenn ich einen Kampf verlor - was glücklicherweise äußerst selten geschah -, grämte mich das auch noch Tage später.

- Ich weiß, dass ich einmal gegen dich verloren habe. Das war aber auch was anderes. ... Na weil du verdammt gut ausgebildet bist. ... Doch, schon. Ach egal, du verstehst das nicht. ... Was soll das heißen, "Männer"? Hast du etwa keinen Stolz? ... "Zerbrechlich"?! Wie gemein! -

"Sehr gut. Margaret, jetzt bist du dran. Valerian, du kommst mit mir", sagte Mutter. Maggie stand auf und nahm meinen Platz gegenüber von Gabe ein. Ich trottete meiner Mutter hinterher, die zum anderen Ende des Übungsplatzes lief. Dort stand eine alte Holzbank, die wohl mal weiß angestrichen gewesen war. Sie setzte sich. Ich blieb unschlüssig stehen, bis sie neben sich auf das Holz klopfte. Also ließ ich mich auf die Bank sinken und lehnte mich zurück. In einiger Entfernung konnte ich meine Geschwister kämpfen sehen und hören. "Ha!", rief Maggie gerade, um Gabe zu irritieren und einen schnellen Streich zu führen. Ob das Manöver gelang, bekam ich nicht mehr mit, denn meine Mutter sagte etwas, das auf einen Schlag meine gesamte Aufmerksamkeit einforderte:

"Ich weiß nicht, was ich mit dir machen soll, Valerian. Du machst zu viele Fehler. Eigentlich machst du alles falsch, was man denn nur falsch machen kann." Ich glaubte erst mich verhört zu haben. "Bitte?", krächzte ich. Sie sah zu mir. "Ich versuche nun schon seit Jahren, seit über fünf Jahren, dir das Fechten beizubringen, aber wenn du den Degen in die Hand nimmst, fechtest du nicht. Du kämpfst." Grimmig starrte ich wider in die Ferne. "Wie genau darf ich das jetzt verstehen?", brummte ich. Wo sollte der Unterschied sein? Ging es denn beim Fechten nicht ums Kämpfen? "Ich will dir damit sagen, dass das hier", sie nahm mir die Weidenrute aus der Hand, "nicht das Richtige für dich ist." Damit zerbrach sie das Holz in zwei Teile. "Und was soll ich dann machen? Sonst krieg ich ja auch nichts richtig auf die Reihe", sagte ich niedergeschlagen. Jahrelang hatte ich geglaubt gut in etwas zu sein, nur damit Mutter jetzt das Gegenteil behaupten konnte.

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