Kapitel 27

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Um ehrlich zu sein ist es ein sehr tolles Gefühl Bonnys Stimme nach langer Zeit wieder zu hören. Es ist wie Musik in meinen Ohren. Ihre Stimme beruhigt mich auf einer anderen Art und Weise, vergleichbar mit der Melodie einer Mutter, wenn sie für einen als Kind sang. Auf einmal ist die komplette Unsicherheit in mir verschwunden und ich würde sie am liebsten einfach in den Arm nehmen, aber zuerst ist sie mir Rechenschaft schuldig.


"Wo zur Hölle warst du?", schimpfe ich etwas lauter und schaue sie an, aber keine Antwort. Das provoziert mich immer mehr und ich schieße erneuert los "ich habe dir so viele Nachrichten hinterlassen und dich hunderte Mal angerufen", dabei schüttele ich enttäuscht meinen Kopf. Bonny schaut mich mit einem Hundeblick an, obwohl sie dabei sehr süß ausschaut, werde ich nicht schwach und bleibe stur.


Bonny kommt nach einer Weile hinunter und bleibt in der Mitte der Treppen stehen und fängt auf einmal an zu weinen. Ich weiß nicht genau, ob ich zu ihr soll, aber dann drängt mich mein schlechtes Gewissen und ich sprinte zu ihr hinüber.                                                                                  Als ich neben ihr stehe, nehme ich sie ruckartig in den Arm und drücke sie ganz fest. Zuerst dringt der Geruch von Vanille in meine Nase und anschließend konzentiere ich mich auf ihren Herzschlag. Es schlägt schneller als sonst, ihr Herz pumpt zehn Mal schneller als sonst und möchte endlich wissen was sie bedrückt.


"Hey kleines", sage ich und streiche ihr durchs Haar „Es tut mir leid, ich sollte nicht so ausrasten", entschuldige ich mich und wir lösen uns voneinander. "Nein Chuck, es war nicht richtig von mir" , schlurzt Bonny und atmet tief ein "nur es war alles so chaotisch und ich musste von allem und allen Abstand nehmen" , rechtfertigt sie sich, während sie sich auf die Treppen setzt. Ich mache es ihr nach und wir sitzen dicht nebeneinander. Eine Zeit lang redet keiner von uns beiden, sondern wir richten unsere Blicke auf die ruhige Straße. Ein paar Mal höre ich wie ihr Atem schneller wird und sich hebt, aber dann kommt doch nichts. Bonny hat echt viele Anläufe gebraucht bis sie endlich diese Stille bricht und leise "du hast mir gefehlt", sagt. Sofort muss ich lächeln und lege meinen Arm beschützerisch um sie.   "Du mir auch süße", bestätige ich und sie lehnt ihren Kopf an meine Schulter. Am Anfang ist es ein komisches Gefühl, doch es wird ganz schnell in einer wohles geändert.


"Ich weiß nicht ob ich es dir sagen soll und wie ich es tun soll?", sagt sie verzweifelt.   
Automatisch drücke ich sie fester und spüre wie sie sich immer mehr beruhigt.     „Sobald du bereit bist zu reden Bonny, bin ich bereit dir zu zuhören", versichere ich sie und gehe mit einer Hand durch ihr gut riechendes Haar. "Ich bin wahrscheinlich bereit mit dir darüber zu reden", versichert sie mir und ich nicke lächelnd.                   


Bonny nimmt tief Luft und wischt sich ihre halb getrockneten Tränen weg. "Es fing alles mit dem Tod meiner Familie an. Es hat mich so krass mit genommen und ich war verloren. Deswegen habe ich mir immer mehr Druck gemacht und meine schulischen Noten verbessert. Niemand sollte mich schwach sehen. Ich wollte keinen Mitleid, mein eigener Schmerz und Verlust hat mir vollkommen gereicht." Dann legt sie eine Atempause ein und ich nutze die Gelegenheit um etwas zu sagen "das ist aber nicht richtig, niemand kann so stark sein."


Bonny nickt und sammelt Kraft um weiter zu reden. "Anfangs lief auch alles richtig gut und ich dachte echt alles wäre gut, doch dann kam ein Rückfall. Ich bekam plötzlich so viele Flashbacks und wollte einfach nur sterben. Vielleicht wäre das, dass einzige Richtige? Ich habe versucht immer stark nach außen zu wirken, aber die letzte Woche war zu viel. Als John dann wieder mit dem Täter meiner Eltern ankam, hat mich das komplett zerstört. Ich wollte diesen Basta*d einfach finden und töten, aber was hätte es mir gebracht? Ich komme nicht mehr klar mit all dem, ich möche nurnoch sterben und verschwinden und nie wieder zurück zu kommen. Ich habe dann die letzte Woche richtig rebelliert, nichts war mir zu schade. Ich habe keinen Sinn mehr im Leben gefunden. Sie waren mein Sinn", dann fängt sie wieder an zu weinen und ich löse mich von ihr, damit ich Bonnys Gesicht in die Hand nehmen kann und ihr die Tränen weg wischen leichter wird. Ihr Gesicht liegt tief in meinen Händen und ich zwinge  mich sie an zu lächeln. "Ich bin für dich da, ok Bonny?", gebe ich zurück und sie nickt. "Dafür bin ich dir auch sehr dankbar", sagt sie ruhig und ich sehe die vertrocknete Spur ihrer Tränen. Der Part mit dem Mörder beunruhigt mich, aber ich lasse es mich nicht anmerken.


Ich setze mich aufrichtig hin und schaue ihr tief in die Augen "Bonny du wirst das mit meiner  Hilfe schaffen und auch diese Tage werden irgendwann verschwinden. Das du jetzt so sehr leidest ist ganz normal, sowas gehört dazu. Du kannst nicht immer das starke Mädchen sein, der Schwäche zeigt ist doch stark. Also bitte gib nicht auf, nimm meine Hand und lass mich dir helfen. Ich brauche dich, du bist so ein tolles und schlaues Mädchen ich habe dich lieb Bonny".


In ihren Augen sehe ich ein kleines Funkeln und das macht mich ebenso glücklich. Ihr Lächeln ist das einzige wichtige für mich im Moment.


"Ich brauche einen Sinn im Leben", murmelt sie vor sicht hin.


Ich strecke mich zu ihr hinüber, nähere mich ihrem Gesicht und keine Sekunde später liegen meine Lippen auf ihren. Aber dieser Kuss dauert nicht lange, weil ich mich löse um ihr  ins Ohr zu flüstern "lass mich dein Sinn im Leben werden".

Deine Nähe lässt mein Blut kochenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt