|9. Kapitel|

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Leben ist das Allerseltenste auf der Welt -die meisten existieren nur.
-Oscar Wilde

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Alex und ich sind einer der Letzten, als wir uns kurz vor dem Klingeln, das die letzte Stunde des Tages verkündet, auf zwei Plätze in der hintersten Reihe niederlassen.

Der Tag war bisher völlig okay verlaufen. Zwar habe ich gemerkt, dass mein Englisch noch einen Feinschliff braucht, was die ganzen Fachbegriffe angeht, die wir für den Unterricht können müssen, doch das würde ich hinbekommen.

Einmal jedoch geriet meine gute Laune ins Wanken. In der dritten Stunde hatte ich Deutsch. Dieses Fach ist für Amerikaner dasselbe, wie für die Schüler in Deutschland das Fach Englisch.

Alex hat dieses Fach im Gegensatz zu mir nicht gewählt, weshalb ich ohne ihn diese Stunde hinter mich bringen musste.

Ich hatte mich auf einen freien Platz gesetzt und kaum fünf Sekunden später wurde der Stuhl neben mir besetzt.

Und wie sollte es auch anders sein...

Natürlich war es Sawyer.

Dieser grinste mich nur an. Doch ich hatte keine Zeit, ihn anzugiften, er solle sich gefälligst einen anderen Platz suchen, da wurde ich auch schon von unserem Lehrer, Mr. Lower, aufgerufen.

Und ich musste mich vorstellen.

Als der Lehrer sich schließlich wieder zufrieden der Tafel zuwandte und mit dem Unterricht begann, flüsterte mir Sawyer zu: »So, so. Lauren also. Gut zu wissen.«

Doch ich ignorierte ihn einfach durchgehend und meine Erleichterung konnte nicht größer sein, als es läutete und ich aus dem Raum stürzte. Ich sah aus den Augenwinkeln, wie Sawyer ebenfalls in Blitzgeschwindigkeit seine Sachen zusammenpackte und ich hatte den leisen Verdacht, dass er mir hinterher sprinten wollte.

Doch zum Glück wartete Alex bereits vor dem Klassenzimmer auf mich.

Als er Sawyer erblickte, der dann abrupt stehen blieb, als er Alex sah, verfinsterte sich sein Blick innerhalb einer Sekunde. Sawyer verdrehte daraufhin nur die Augen und verschwand. Und Alex zog mich weiter zum nächsten Raum.

Doch im Gegensatz zu diesem Ereignis verlief die Pause wirklich gut. Ich lernte ein paar von Alex' Freunden kennen, wie zum Beispiel Max, ein Basketballspieler oder Ella, eine Cheerleaderin, welche wirklich nett zu mir waren.

Sie waren es auch, die Alex und mich ins Schwitzen gebracht haben, denn sie haben uns wirklich ausgequetscht. Fragen, wie beispielswiese wo wir uns kennengelernt haben und was wir an den anderen besonders finden, waren noch eine der harmlosesten Fragen. Doch wir haben es ganz gut gemeistert, indem immer nur einer von uns irgendeine ausgedachte Geschichte aufgetischt und der andere zustimmend genickt oder noch das ein oder andere Detail hinzugedichtet hat.

Anscheinend war es dann zum Schluss glaubwürdig genug, denn es scheint, als kauften sie uns das Ganze ab.

Doch ich verstehe nicht, weshalb Alex selbst seine Freunde über unsere Fake-Beziehung anlügt. Ich meine, ihnen kann er es schließlich sagen. Ich bin mir sicher, sie würden uns nicht verraten. Außerdem ist es doch gut für Alex, da er sich auf die Schule konzentrieren kann, während ich den Großteil der liebesbedürftigen Mädchen von ihm abwehre.

Während des Mittagessens war sogar schon mein erster Einsatz, als sich doch tatsächlich irgendein rothaariges Mädchen neben Alex auf die andere Seite setzte, ihm erst eine Hand auf sein Bein legte und ihm dann auch noch einen verführerischen Blick zuwarf.

Tja, anscheinend hatte sie die Neuigkeit Nummer eins noch nicht gehört, weshalb ich ihre Hand von Alex' Bein entfernte und sie extra arrogant fragte, ob sie sich an alle Kerle ranschmiss, die eine Freundin hatten. Um das Ganze noch ein wenig dramatischer zu machen, legte Alex noch einen Arm um meine Schulter.

Mit hochrotem Kopf entschuldigte sich das zierliche Mädchen und war in Rekordzeit aus der Cafeteria verschwunden. Innerlich muss ich mir das Lachen verkneifen. Aber irgendwie tat sie mir auch leid.

Deshalb erkenne ich sie auch sofort wieder, als sie den Klassenraum betritt und sich kurz umblickt. Ihre Augen bleiben kurz bei mir und Alex kleben und in ihnen kann ich Schmerz aufleuchten sehen. Doch dann wendet sie sich schnell wieder ab und setzt sich zu einem anderen Mädchen in die erste Reihe. Sie beginnen sofort ein Gespräch.

Wahrscheinlich lästern sie jetzt über mich.

Doch dann kommt Sawyer herein und alle Blicke richten sich auf ihn. Auch meiner.

Neben mir seufzt Alex nur wütend, ehe er mit dem Stuhl näher an mich heranrückt. Okay, schön langsam wird das wirklich nervig. Er rückt mir echt auf die Pelle!

Da Sawyer anscheinend der Letzte ist, bleibt nur noch ein Stuhl im ganzen Raum frei. Der sich genau zu meiner linken Seite befindet.

Dann taucht neben ihm noch eine weitere Person auf. Ein Mädchen mit glatten, blonden Haaren schiebt sich schweratmend an Sawyer vorbei und sieht sich hektisch im Klassenzimmer um. Als sie sieht, dass der Lehrer noch nicht da ist, stoßt sie erleichtert die Luft aus und geht zielstrebig auf den Stuhl neben mir zu, den auch schon Sawyer im Visier gehabt hat.

Allerdings ist sie schneller und lässt sich auch schon einen kurzen Moment später neben mich fallen. Ein Blick zu Alex sagt mir, dass er Sawyer gerade schadenfroh zulächelt. Dieser sieht nämlich überhaupt nicht glücklich aus.

Als ihn dann unsere Biologie-Lehrerin, Mrs. Endor, auch noch dazu auffordert, aus dem Klassenzimmer nebenan noch einen Stuhl für sich zu holen, verdreht dieser nur die Augen und Alex neben mir versucht, sich das Lachen zu verkneifen.

Tja, die Betonung liegt auf versucht.

Auf einmal werde ich leicht an der Schulter angetippt und ich drehe mich nach links zu dem Mädchen, welches mich sanft anlächelt.

Mit ihren grünen Augen sieht sie mich an, ehe sie zu flüstern beginnt. »Hi. Ich bin Georgina. Du heißt Lauren, richtig?«

Ich nicke ihr nur zu, nachdem ich ihr ebenfalls ein Lächeln geschenkt habe.

»Ich habe erwartet, dass es sich wie ein Lauffeuer verbreitet, wer die Neue ist«, erwidere ich daraufhin und kann mir nur schwer ein Seufzen unterdrücken.

»Naja, ich denke, wenn du nur irgendeine Neue wärst, würde sich nicht die gesamte Schülerschaft über dich unterhalten«, gibt sie dann zurück und ich sehe sie verwirrt an.

»Na, du bist schließlich die Freundin von unserem Basketball-Captain und niemand kennt dich! Jeder hier fragt sich, wer dieses unbekannte, hübsche Mädchen ist, das seit neuestem an der Seite von Alexander ist. Und dass sich sogar schon Sawyer mit deinem Freund angelegt hat, soll was heißen!«

»Ich kann dir nicht ganz folgen. Ich dachte, Sawyer flirtet mit jedem Mädchen?«

Kurz vergewissert sich Georgina, dass Mrs. Endor immer noch beschäftigt ist, irgendwelche Wörter, die ich nicht verstehe, an die Tafel zu schreiben, bevor sie sich mit dem gesamten Körper zu mir dreht. Alex neben mir ist damit beschäftigt, sich komplett auf das zu konzentrieren, was die Lehrerin sagt und schreibt eifrig mit.

»Die weibliche Gesellschaft unserer Schule ist aufgespaltet in zwei Gruppen: Da gibt es die Mädchen, welche die Badboys anschmachten. Dazu gehören unter anderem Lyla und ihre beste Freundin Zoe, die sich an jeden Badboy ranmachen. Und dann gibt es noch den Rest, ungefähr die Hälfte der weiblichen Bevölkerung, die auf die Sportler stehen. Bei den Sportlern und den Badboys gab es bis jetzt nur noch keine Todesopfer, da sie so etwas wie einen Pakt geschlossen haben. Niemand nimmt der jeweils anderen Gruppe ein Mädchen. Doch es spricht sich rum, dass Sawyer gerade auf dem besten Weg ist, diesen Pakt zu brechen. Nämlich indem er sich an dich, die Freundin des Oberhaupts der Sportler, ranmacht.«

»Georgina! Ich hoffe, Sie erklären ihrer neuen Mitschülerin gerade den Ablauf einer Zellteilung. Ansonsten muss ich Sie bitten, Ihr Gespräch einzustellen«, ermahnt Mrs. Endor Georgina, welche nur eine leise Entschuldigung murmelt.

Dann sieht sie mich noch einmal an und folgt schließlich auch dem Unterricht. Doch ich konzentriere mich nur auf das, was mir Georgina gerade eben erzählt hat. In was habe ich mich da schon wieder hineingeritten?

LaurenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt