|39. Kapitel|

108 7 10
                                    

Die Wahrheit kann befreiend sein, wenn du sie lässt.
-Hannah Baker (13ReasonsWhy)

❦❦❦

Ich bin einfach nur ein paar Minuten lang schweigend dagesessen und habe in die Leere vor mir gestarrt. Meine Eltern sehen mich ebenfalls stumm an und geben mir die Zeit, das Ganze zu verarbeiten und meine Gedanken zu sortieren. Doch in meinem Gehirn sortierte ich gerade überhaupt nichts. Es bricht momentan das pure Chaos aus.

Ein Wunder, dass man mir das Ganze anscheinend nicht ansieht.

»I-Ich... muss mich jetzt erst einmal hinlegen«, stotterte ich nur vor mich hin, da ich es unter ihren musternden Blicken kaum aushalte. Es ist, als würden sie jeden meiner Atemzüge genauestens analysieren. Es fühlt sich erdrückend an.

Ohne darauf zu achten, was sie sagen, stehe ich auf und stürme die Treppe hinauf in mein Zimmer. Dabei hätte ich fast Logan umgerannt, der gerade auf dem Weg nach unten war. Dieser muss mir jedoch ausweichen, ansonsten hätte ich ihn an die Seite gerammt.

Allerdings achte ich darauf nicht und erst, als ich endlich die Zimmertüre hinter mir schließe, kann ich beruhigt aufatmen.

Zielstrebig steuere ich auf mein Bett zu und lasse mich darauf fallen. Sofort hole ich mein Handy heraus. Ich habe einige ungelesene Nachrichten und ich sehe auch, dass ich insgesamt sechzehn verpasste Anrufe habe. Sie sind alle von Alex.

Trotz reichlichen Überredungen von Zoe und Lyla konnten sie mich gestern nicht dazu bringen, Alex überall zu blockieren. Aber es würde sowieso nichts bringen. Immerhin sind wir Nachbarn und er würde nur ein paar Sekunden brauchen, bis er mir direkt in die Augen sehen kann.

Außerdem habe ich auch einige Nachrichten in unserer neuen Gruppe, die Zoe extra für uns drei erstellt hat.

Sie schreiben darüber, mal unbedingt zusammen in die Stadt shoppen gehen zu müssen, wann und wo die nächste Party stattfindet und zu allem übel spekulieren sie sogar schon darüber, welcher Typ am besten zu mir passen würde.

Sie wollen mich doch nicht ernsthaft jetzt schon verkuppeln?

Außerdem wäge ich auch in Gedanken ab, ob ich ihnen von der Sache mit der Beerdigung erzählen soll oder nicht. Einerseits benötige ich dringend ihren Rat darüber, ob ich Alex noch dieses eine Mal unterstütze, andererseits weiß ich nicht, ob es ratsam wäre, ihnen überhaupt erst davon zu erzählen. Immerhin ist anscheinend noch nicht bekannt, dass Elizabeth von uns gegangen ist.

Ich beschließe, das ganze Thema auf später zu verschieben. Kurz schreibe ich ihnen, dass sie die Verkupplungsversuche gar nicht erst ausprobieren sollen und danach überringe ich mich sogar dazu, Alex eine kurze Nachricht zu schreiben, in welcher ich ihm mein herzliches Beileid wünsche.

Wäre unser Verhältnis momentan nicht so schwierig und kompliziert, wäre ich natürlich persönlich zu ihm gegangen. Aber wie gesagt, es ist schwierig und kompliziert.

Plötzlich klopft es an meiner Türe und ich schrecke auf. Ich stecke schnell mein Handy weg, obwohl ich noch einige Nachrichten, wie zum Beispiel die von Ella, beantworten müsste.

Doch da geht die Türe schon auf und Logan betritt mein Zimmer. Ruhig kommt er auf mich zu und lässt sich auf mein Bett neben mir fallen. »Ich denke, du musst mir so einiges erklären, Schwesterchen.«

Verwirrt sehe ich ihn an. Ich verstehe nicht, wofür er jetzt eine Erklärung erwartet, wenn ich nicht einmal weiß, was genau er nicht kapiert.

Dieser seufzt nur, als wäre es glasklar, was er meint. »Erst spielen Alex und du diese Fake-Beziehung. Dann bist du die beste Freundin von Sawyer und dann plötzlich seid Alex und du wieder ein Paar, wobei ich mich frage, ob das Ganze überhaupt noch gespielt ist, so wie du gestern reagiert hast, als du ihn sahst.«

Verdutzt starre ich ihn an und bin verwundert darüber, wie genau er über meine momentane Sachlage Bescheid weiß. Ich hingegen habe nicht mal eine Ahnung, mit wem er die Mittagspause verbringt.

»Ich warte«, tadelt er mich und sieht mich erwartungsvoll an.

In Gedanken bin ich hin- und hergerissen und kann mich nicht entscheiden, ob ich mit der Sprache rausrücken soll. Doch da denke ich mir, dass ich Logan schon immer alles erzählen konnte und so beginne ich schließlich.

Ich erzähle ihm, dass Alex und ich uns tatsächlich näher gekommen sind und wir für kurze Zeit wirklich ein Paar waren. Naja, bis er dann eine andere geküsst hat. Außerdem erzähle ich ihm auch davon, worum Elliot mich gebeten hat.

Als ich ende, sieht man Logan seine Wut ziemlich stark an. »Wieso nimmt er nicht einfach diese Rothaarige mit? Die kann ihn ja anscheinend aufheitern«, knurrt er bedrohlich und hat die Augenbrauen zusammengezogen.

Ich bekomme leicht wässrige Augen. Zum einen, weil es nach wie vor schmerzt und zum anderen, weil Logan gerade so extrem süß ist.

So kommt es, dass ich nicht lange zögere und meine Arme um ihn schlinge. Ich lasse meinen Kopf auf seine Brust sinken und sofort zieht er mich noch näher zu sich.

Eine Träne verlässt mein Auge und tropft auf sein T-Shirt, worüber er aber gnädigerweise hinwegsieht. »Ich hab dich lieb, Logan.«

»Ich dich nicht.«

Spielerisch gebe ich ihm einen Klaps auf den Hinterkopf und wir müssen beide lachen.

Lange Zeit bleiben wir einfach so liegen und reden über dies und jenes. Ich erfahre endlich, dass Logan zum Glück Anschluss gefunden hat und er sich super mit seinen neuen Freunden versteht. Mit einem hat er sich sogar schon so gut angefreundet, dass dieser sogar die Ehre zuteil wird, Logan's Zockerhöhle erkunden zu dürfen. Das ist wirklich eine Seltenheit. Es muss sich also wirklich um einen besonderen Menschen handeln und ich bin schon gespannt, wer es ist.

Logan will es mir nämlich nicht verraten. Er meint, dass ich es morgen sowieso sehen werde. Und dann zieht er mich damit auf, dass Logan und dieser besondere Mensch wahrscheinlich kaum Zeit alleine mit Zocken verbringen werden, da ich bei ihnen im Zimmer sitzen und mitspielen würde.

Doch da könnte er gar nicht so unrecht damit haben.

Allerdings ist morgen Montag und das bedeutet, dass ich Training habe. Niedergeschlagen frage ich mich, ob ich nicht lieber aussteigen soll. Ich bin doch sowieso nur in diese Gruppe gekommen, weil ich Alex' Freundin war. Wer weiß, ob Ella, Megan und die anderen mich überhaupt noch in ihrem Team haben wollen.

Am besten gehe ich gar nicht erst hin. Wenn sie mich dann fragen, weshalb ich nicht zum Training erschienen bin, kann ich immer noch sagen, dass es mir nach der Schule nicht so gut gegangen ist.

Oder ich mache gleich den ganzen Tag blau und gehe gar nicht erst zum Unterricht. Ja, das wäre auch eine Möglichkeit.

Doch das würde ich alles morgen früh entscheiden. Erst will ich sehen, ob ich mich morgen gut genug fühle, damit ich sichergehen kann, den Schultag unverletzt zu überstehen.

»Lust auf eine Runde FIFA?«, fragt mich Logan irgendwann und trotz, dass es bereits nach Mitternacht ist und wir beide nichts zu Abend gegessen haben gehen wir rüber in sein Zimmer.

»Bestimmt wirst du auch noch davon träumen, wie ich dich fertiggemacht habe«, stichle ich ihn grinsend und boxe ihm spielerisch in die Schulter.

»Träum weiter!«

LaurenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt