|10. Kapitel|

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Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden.
-Mark Twain

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Nach einer mehr als anstrengenden Unterrichtsstunde erlöst uns der Gong schließlich von unserer Qual. Während viele Schüler eilig ihr Zeug zusammenpacken und aus dem Raum hetzen, lassen Georgina, Alex und ich uns Zeit.

Mit uns befindet sich irgendwann nur noch Sawyer im Zimmer, der uns ab und zu komische Blicke zuwirft. Doch wir schenken ihm keine Beachtung.

Als wir fertig sind, verlassen wir schließlich ebenfalls den Raum, dicht gefolgt von Sawyer.

Wir machen einen kurzen Stopp bei meinem neuen Spind, der ganz in der Nähe von Georgina's ist. Dort verabschiede ich mich von ihr, da sie mit dem Bus nachhause fahren muss. Während ich meine restlichen Bücher in dem kleinen Fach verstaue, höre ich plötzlich eine männliche Stimme, die nach Alex ruft.

Ich drehe mich ein wenig und sehe Max, der ein wenig verzweifelt zu uns sieht. Kurz wirft mir Alex einen entschuldigenden Blick zu, ehe er zu Max eilt und die beiden um die nächste Ecke verschwinden.

Schulterzuckend wende ich mich wieder meinem Spind zu und überlege ein wenig, wie ich ihn gestalten könnte. Vielleicht haben wir noch süße Aufkleber daheim, die ich an den Seiten kleben kann.

Ich bleibe noch ungefähr fünf Minuten unschlüssig vor meinem Spind stehen und frage mich, wo Alex bleibt. Doch dann beschließe ich raus zu gehen und dort auf irgendeiner Bank auf ihn zu warten, sollte ich ihn draußen nicht antreffen. Deswegen schließe ich meinen Spind wieder und zucke dann erschrocken zusammen.

Mein Herz klopft automatisch wie wild, als ich in seine grünen Augen sehe und meine Atmung stellt sich für einen kleinen Moment ein.

»Oh man, Sawyer! Erschreck mich doch nicht so!«, empöre ich mich. Meine Hände liegen immer noch an den Spinden. Und er grinst mich einfach nur an.

»Hast du meine Schritte denn nicht gehört?«

Nein. Ich bin anscheinend seit Neuestem schwerhörig.

»Naja. Jedenfalls wollte ich dir noch etwas ausrichten. Ich schmeiße am Freitag eine kleine Feier. Ich würde mich sehr freuen, wenn du kommst. Natürlich darfst du deine kleine Freundin - Georgina, richtig? - auch mitnehmen. Dein Anhängsel jedoch müsstest du Zuhause lassen.«

Skeptisch mustere ich ihn, wobei ich eine Augenbraue in die Höhe ziehe. Eine Eigenschaft, auf die ich bis heute stolz bin.

»Wie kommst du darauf, dass ich zu deiner Party kommen würde? Ist ja nicht so, als wärst du der Erzfeind meines Freundes«, stelle ich fest.

Ein komisches Gefühl breitet sich plötzlich in mir aus. Ist es etwa Bedauern? Bedauere ich gerade wirklich, nicht auf Sawyers Party gehen zu können?

»Sieh es einfach als eine Art Kennenlern-Treffen an. Es werden viele Leute aus unserer Schule da sein, mit denen du dich unterhalten kannst. Außerdem gibt es gratis Getränke«, versucht Sawyer, mich umzustimmen.

Ich muss ehrlich zugeben, dass er mir das Ganze ein wenig geschmackvoller macht. Früher waren Valery, Lucy und ich ungefähr jedes zweite Wochenende ausgegangen, hatten gerade mal so viel getrunken, dass wir gut drauf waren und haben unglaublich gerne getanzt.

Dieses Gefühl, völlig berauscht von Glückshormonen zu sein und sich für nichts zu schämen, die laute Musik, welche die Ohren fast zum Platzen bringen und natürlich auch die Möglichkeit, neue Bekanntschaften zu machen, fehlen mir mehr, als ich mir anfangs eingestehen wollte.

»Wann und wo?«, seufze ich schließlich, als würde ich ihm einen großen Gefallen tun und sein Grinsen wird noch breiter, falls das überhaupt möglich ist.

Dann holt er sein Handy aus seiner Hosentasche hervor, entsperrt es und hält es mir schließlich vor die Nase.

»Gib mir deine Nummer, dann schicke ich dir die Uhrzeit und die Adresse.«

Schnell folge ich seiner Anweisung, bevor ich es mir doch noch anders überlege und gebe ihm sein Handy wieder zurück.

»Aber nur, damit das klar ist: Ich überlege es mir erst noch. Und falls ich komme, dann sicherlich nicht deinetwegen!« Trotzig, wie ein Kleinkind, verschränke ich die Arme vor der Brust und Sawyer nickt.

»Verstanden, Lauren. Ich muss dann auch mal wieder los. Wir sehen uns morgen!«

Kurz wirft er mir noch ein sanftes Lächeln zu, dann setzt auch er sich in Bewegung und geht Richtung Ausgang. Und lässt eine verdatterte Lauren zurück.

Himmel, was ist gerade in mich gefahren?

Habe ich Sawyer, dem Badboy schlechthin, gerade ernsthaft meine Nummer gegeben? Und habe ich auch noch gesagt, dass ich es mir überlege, auf seine Party zu gehen?

Eines ist jedenfalls klar: Sollte Alex davon Wind bekommen, ist nicht nur Sawyer tot, sondern auch ich.

»Mit diesem Kleid signalisiere ich, dass ich abgeschleppt werden will«, stelle ich lachend fest, nachdem ich ein kurzes, rotes Kleid mit tiefem Ausschnitt anprobiere.

Warum nochmal habe ich mir dieses Teil gekauft?

Ach ja. Lucy war schuld.

Jedenfalls befinde ich mich gerade in meinem Zimmer und betrachte mich eingehend vor dem Spiegel, während Georgina auf meinem Bett sitzt und mich skeptisch mustert.

»Da hast du recht. Was steht noch zur Auswahl?«

Nachdem ich das Kleid wieder ausgezogen habe, was ich höchstwahrscheinlich an Lucy nach Deutschland verschicken werde, ziehe ich aus meinem Schrank das nächst beste Kleid heraus und ziehe mich um. Natürlich hat sich Georgina währenddessen weggedreht.

Dann stelle ich mich wieder vor dem Spiegel und betrachte mich.

»Warum habe ich das Gefühl, dass wir noch ewig brauchen werden?«, murmle ich hoffnungslos und Georgina seufzt lächelnd.

Sie steht auf und stellt sich neben mich hin. »Wir sind eben viel zu wählerisch.«

Damit könnte sie Recht haben. Aber wenn ich heute neue Leute kennenlernen möchte, muss ich einfach gut aussehen!

Außerdem werde ich auch auf Sawyer treffen...

Nachdem ich Alex gebeichtet habe, dass ich auf Sawyer's Party gehen werde, war dieser schon kurz davor, mich an sein Bett zu binden, damit ich Zuhause bleibe. Doch mich hat sein Verhalten ebenfalls zur Weißglut gebracht. Er braucht mir nicht vorzuschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe, Fake-Beziehung hin oder her.

Und genau das habe ich ihm auch gesagt, was ihn ein wenig zur Vernunft gebracht hat. Und die Tatsache, dass ich Georgina als Begleitung mitnehme, hat ihn zusätzlich auch noch beruhigt, warum auch immer.

Ich bin sogar jetzt noch sauer auf Alex, obwohl dieses Gespräch vor ein paar Tagen stattgefunden hat. Aber ich hasse es, wenn man mir etwas vorschreibt.

»Darf ich mal deinen Schrank durchwühlen?«, fragt mich Georgina plötzlich und reißt mich so aus meinen Gedanken.

Ich bin nur fähig zu nicken.

Dann geht sie zu meinem Schrank und schiebt dort Kleidungsstücke auf die Seite. Und nach kurzer Zeit scheint sie fündig zu werden.

Sie zieht ein graues Cocktailkleid hervor, das sehr schlicht ist. Hinten ist es länger als vorne, geht aber nicht bis zum Boden.

»Da wir nun ein Kleid haben, fehlt nur noch Make-Up und Haare«, lacht Georgina und wirft mir das Kleidungsstück zu, ohne auf meine Zustimmung zu warten. Aber das braucht sie auch nicht. Dieses Kleid passt einfach perfekt zu dem heutigen Abend.

LaurenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt