|59. Kapitel|

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Man fällt nicht über seine Fehler. Man fällt immer über seine Feinde, die diese Fehler ausnutzen.
-Kurt Tucholsky

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Als die Stunde schließlich vorbei ist und der Gong zur Mittagspause ertönt, bin ich ziemlich erleichtert, dass der Unterricht jetzt vorbei ist. Doch dieses schöne Gefühl verschwindet schon einen kurzen Moment später wieder. Denn mir wird ein wenig flau im Magen.

Wie wird Sawyer reagieren, wenn ich mich diesmal zu den Sportlern setze? Klar werden sich die anderen wieder die Mäuler zerreißen. Allerdings hält mich das noch lange nicht davon ab, mich zu meinen Freunden zu setzen.

Wir schlendern also den Gang entlang, bis wir vor der Doppeltüre ankommen, durch die wir in die große Halle kommen, in welcher sich bereits eine hohe Anzahl an Schülern befindet.

Wie immer riecht es nach Essen, doch ich habe kaum Hunger. Deshalb gebe ich Sawyer ein Zeichen, dass sie sich ruhig etwas holen können und er nickt mir nur zu.

So stehe ich also alleine umgeben von Tischen in der Cafeteria und lasse meinen Blick ein wenig umherschweifen, bis ich am Tisch der Sportler hängenbleibe.

Ein kleiner Stich durchfährt mir, als ich beobachte, wie sie sich mit ihren Tabletts am Tisch niederlassen.

Plötzlich blickt Alex auf und sieht mir direkt in die Augen. Diese Aktion erschrickt mich so sehr, dass ich einen Schritt nach hinten mache und prompt mit einem großen Jungen zusammenstoße.

»Tut mir leid«, murmle ich nur und setze mich schnell in Bewegung, da es mir unangenehm ist.

Ich blende alles um mich herum aus, als ich auf sie zugehe und nach und nach hebt sich ein Kopf nach dem anderen, bis mich schließlich der ganze Tisch anstarrt.

»Lauren! Hi! Setz dich!«, ruft Megan sofort, die mir netterweise Platz macht, sodass ich mich neben sie auf die Bank setze.

Jetzt werde ich definitiv von allen angestarrt und es herrscht ein betretenes Schweigen, da keiner so recht zu wissen scheint, was man sagen könnte.

»Habt ihr euch ausgesprochen?«, fragt Max plötzlich und deutet dabei abwechselnd auf mich und dann auf Alex.

Ich sehe Max in die Augen und ohne es zu verhindern läuft mir ein Schauder über den Rücken. Aber im negativen Sinn.

In meinen Gedanken erzählt Sawyer gerade erneut die Geschichte, wie die Badboys und die Sportler Feinde wurden. Und daran ist Max Schuld.

»Nicht wirklich«, gebe ich nur zurück und wende den Blick dann wieder ab. Ich möchte eigentlich nicht einmal mit ihm am selben Tisch sitzen. Doch ich habe keine Wahl. Ich bin wegen meinen Freunden hergekommen.

»Lauren, warum kommst du nicht wieder zurück ins Team? Ohne dich sieht die ganze Choreo nur noch öde und langweilig aus. Wir brauchen dich! Was kann ich tun, dass du wieder beitrittst?« Ella sieht mich mit flehendem Blick an.

Augenblicklich werde ich weich, doch so schnell gebe ich nicht nach. Ich will niemanden wie Max anfeuern. Außerdem habe ich sowieso kaum Zeit, jetzt, da die wichtigen Tests anstehen.

Zudem lässt Alex morgen sowieso sein Training nach der Schule ausfallen, damit er mir den Umgang mit dem Messer beibringt. Wie soll ich es schaffen, alles unter einem Hut zu bringen?

»Nimm es mir nicht übel, Ella. Aber ich kann nicht. Ich bin völlig ausgebucht.«

»Hast du jetzt etwa ein neues Hobby gefunden?«, fragt sie überrascht und ich schlucke.

»Nicht direkt«, antworte ich zögerlich. Ich möchte sie ungern anlügen.

Ella sieht mich verständnislos an. Wie komme ich denn aus dieser Lage wieder heraus? Verdammt!

»Ich gebe Lauren Nachhilfe.« Alex' Stimme durchbricht die Stille, die sich ausgebreitet hat, als ich nichts gesagt habe.

Leise stoße ich meinen Atem aus, den ich anscheinend angehalten habe. In einem unbeobachteten Moment werfe ich Alex einen dankbaren Blick zu, den er mit einem Nicken quittiert.

»Sag das doch gleich! Freut mich für euch, dass ihr euch anscheinend wieder halbwegs versteht. Aber wie wäre es, wenn du einfach nur zwei Tage statt fünf zum Training kommst? Dann hast du Zeit, mit Alex zu lernen und bist zugleich noch im Team! So wären alle glücklich und ich bin zuversichtlich, was das Lernen der Choreos angeht. Wir konnten ja schon feststellen, dass du ziemlich schnell lernst.«

Ella redet wirklich wie ein Wasserfall. Sie ist ziemlich stur, weswegen ich heimlich in mich hinein grinse.

»Du wirst nicht locker lassen, habe ich Recht?«, kichere ich und sehe sie belustigt an. Sie schüttelt nur mit einem breiten Grinsen den Kopf. »Okay.«

»Okay?!«

»Ja, okay. Aber dann wirklich nur an zwei Tagen!«

»Abgemacht!«, kreischt sie schon fast, steht ruckartig von der Bank auf, stürmt zu mir und umarmt mich von hinten. Ich muss lachen und fühle mich einen kurzen Moment so unbeschwert wie schon lange nicht mehr.

Doch dieses Gefühl verfliegt so schnell wieder, wie es gekommen ist, als plötzlich eine Person neben mir zum Stehen kommt.

Ich drehe meinen Kopf zur Seite und mein Lächeln rutscht mir von den Lippen. Ich schlucke. Das wird Ärger geben.

»Was machst du bei denen?«, knurrt Sawyer schon fast, welcher die Arme vor der Brust verschränkt hat, wodurch man bestens seine Muskeln sieht.

»Mich mit meinen Freunden unterhalten«, antworte ich deshalb so ruhig wie möglich.

In der gesamten Cafeteria ist es wieder mal totenstill, was mich nicht wirklich wundert.

»Das sehe ich. Komm wieder mit zu unserem Tisch, Lauren.«

»Nein.«

Er zieht eine Augenbraue nach oben, als ich ihm widerspreche. Das scheint er nicht so gewöhnt zu sein, dass ihm jemand die Stirn bietet.

»Ich möchte wenigstens noch in der Mittagspause bei meinen Freunden sitzen und mich mit ihnen unterhalten«, füge ich hinzu, während ich ihm eindringlich in seine grünen Augen sehe.

Einen Moment lang starrt er mich nur an und niemand sagt ein Wort. Aber ich werde nicht nachgeben. Das kommt gar nicht infrage.

Ich verlange nicht, dass er sich direkt mit ihnen anfreundet. Allerdings sollte er zumindest akzeptieren, dass sie meine Freunde sind. Ist das wirklich zu viel verlangt?

»Rutscht bitte ein Stück rüber«, sagt er dann plötzlich und die anderen gehorchen, sodass er kurz darauf bei uns am Tisch sitzt.

Positiv überrascht sehe ich ihn an, wie er mit angespanntem Körper dasitzt und schweigend seine Hände anstarrt, die auf dem Tisch liegen.

Schmunzelnd lege ich meinen Kopf auf seine Schulter und gebe ihm so zu verstehen, dass ich stolz auf ihn bin.

Dabei ignoriere ich Alex' Blick auf mir, denn von mir aus kann er ruhig sehen, dass ich mit ihm abgeschlossen habe.

Und wenn all das vorbei ist, freue ich mich schon auf all die kitschigen Momente, die ich mit Sawyer erleben werde.

LaurenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt