|Epilog|

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In drei Worten kann ich alles zusammenfassen, was ich über das Leben gelernt habe: Es geht weiter.
-Robert Frost

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Und damit habe ich Recht behalten. Die Zukunft ist auch besser geworden. Naja, wenn man es schon als Zukunft bezeichnen kann. Immerhin ist es erst wenige Monate her, seitdem die Schießerei stattgefunden hat, bei der es viele Verletzte und sogar einige Tote auf beiden Seiten gibt. Leider zählen Max und Drace nicht dazu, doch es ist schon ein befriedigender Gedanke, dass sie erst einmal ein paar schöne Jährchen in einem Gefängnis am anderen Ende des Landes verbringen müssen, während Sawyer, ich und natürlich auch die anderen alle unsere Köpfe anstrengen, während wir darauf hinarbeiten, unseren Abschluss zu machen.

Nach allem, was passiert ist, habe ich nicht geglaubt, dass mein Leben jemals wieder ihre alltägliche Routine annimmt, vor allem nicht, weil Mum und Dad vorsichtiger denn je sind und uns wahrscheinlich am liebsten im Haus einsperren würden. Einzig und allein können sie beruhigt schlafen, wenn Logan und ich bei den anderen Jungs sind. Irgendwie scheinen sie zu denken, dass wir nirgendwo sicherer als bei bei Alec, David, Daniel und Sawyer sind. Das kommt vielleicht daher, dass sie das mit mir gemeinsam durchgestanden haben.

Jedenfalls sind wir trotz der Angst, die nach wie vor in jedem von uns in den tiefsten Ecken unserer Gedanken schlummert, glücklicher denn je. Auch, wenn es am Anfang unglaublich schwer für uns war. Vor allem für die Jungs, da auch sie Leute angeschossen haben und schon Panik hatten, dass sie sich schon bald eine Zelle mit Max oder Drace würden teilen müssen.

Allerdings -und wie sollte es auch anders sein- hat die Gerechtigkeit gesiegt und ihre Taten wurden als Notwehr abgestempelt, was sie ja auch waren. Sonst wären sie alle und vielleicht auch ich heute nicht mehr am Leben. Eine Gänsehaut ziert meinen Arm, als ich daran denke, wie knapp diese ganze Aktion war.

»Guten Morgen.«

Und wieder eine Gänsehaut bei dieser dunklen Stimme, jedoch diesmal im positiven Sinne. Ich drehe mich mit einem Schmunzeln auf den Lippen auf die Seite und blicke geradewegs in ein paar grüne Augen, die sich tief in meine bohren. Ich könnte tagelang in sie hineinsehen, ohne dass sie ihre Wirkung auf mich verlieren würden.

»Morgen.« Sawyer setzt sich auf und drückt mir einen sanften Kuss auf die Lippen und genüsslich schließe ich meine Augen. Dass Sawyer und ich so viel Zeit wie möglich miteinander verbringen, hat vielleicht auch etwas mit unserer Angst zu tun, den anderen jeden Moment verlieren zu können. So oft es geht übernachtet er bei mir oder ich bei ihm und er hat sogar einige Kurse gewechselt, nur damit wir auch in der Schule so wenig wie möglich getrennt werden. Und dasselbe scheint auch bei Daniel der Fall zu sein. Zumindest kann ich mir sein Verhalten, sich so schnell wie möglich zu outen, nur so erklären. Oder er hatte einfach keine Lust sich zu verstecken.

Dass Logan und Daniel jetzt offiziell zusammen sind, hat eine richtige Outing-Kette losgelöst. Denn plötzlich outen sich Leute, von denen man es nie erwartet hat und die Stimmung in der Schule ist seitdem deutlich entspannter, nachdem die Neuigkeiten über Max die Runde gemacht hat und die meisten fast schon paranoide Gedanken hatten, dass auch ihre besten Freunde heimlich einer Mafia-Gruppe angehören. Jedoch legte sich auch das mit der Zeit wieder und man könnte fast schon sagen, dass alles wieder zur Normalität zurückgekehrt ist.

Jetzt wohnt Tante Lydia und Marc gegenüber von uns, deren Hochzeitseinladung sie uns erst vor ein paar Tagen persönlich vorbeigebracht haben, ich bin sportlicher denn je und kann neben Messer werfen jetzt auch noch mit den anderen Cheerleadern mithalten und Sawyer hat sogar schon seine eigenen Fächer und Kleiderbügel in meinem Schrank, falls er mal mehrere Tage bei mir Zuhause bleibt. Man könnte fast schon sagen, dass er halb bei uns eingezogen ist. Und keiner hat etwas dagegen.

»Ich habe Hunger«, quengle ich nuschelnd, während ich kurz darauf einen dramatischen Seufzer ausstoße, der die ganze Misere noch unterstreicht.

»Auf was hast du denn Lust?« Grinsend sieht er mich an und meine Lippen verziehen sich zu einem wissenden Lächeln. Er schüttelt den Kopf.

»Vergiss es.«

»Wenn du mir jetzt Pfannkuchen ans Bett bringst, dann machen wir morgen Blau und verbringen den ganzen Tag Zuhause!«

Zur Info: Morgen ist Montag. Der pure Horror und niemand von uns hat Lust, uns wieder kaputt zu schuften.

Sawyer überlegt einen Moment, ehe er dann doch aufsteht und tatsächlich aus dem Raum rauscht. Ab da dauert es eine halbe Stunde, bis mir schon ein betörender Duft in die Nase steigt und mein Bauch wie auf Kommando anfängt zu knurren.

Genau in diesem Moment kommt Sawyer mit einem Teller warmen Pfannkuchen herein, neben dem sich auch ein kleiner Berg Eiscreme befindet. Sofort läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Aber nicht wegen dem Essen. Was soll ich auch dagegen machen, wenn Sawyer oberkörperfrei vor mir steht und mir seine Muskeln präsentiert?

»Unfair«, murmle ich so leise vor mich hin, sodass er mich nicht verstehen kann. Vorsichtig kommt er auf mich zu und ich setze mich auf, ehe er mir den Teller überreicht und sich wieder neben mich auf das Bett fallen lässt. Ohne zu zögern stürze ich mich wie eine Verhungernde auf das Essen und nuschle zwischendrin ein »Ich liebe dich«, was ihn zum Lachen bringt.

»Was man so aus dir hervorlocken kann, wenn man dich füttert«, lacht er nur und ich halte inne und schenke ihm einen grimmigen Blick.

»Hey, ich hab dir neben Pfannkuchen auch noch dein heiliges Schoko-Eis mitgebracht! Du kannst also gar nicht sauer auf mich sein!«

Ich denke über seine Worte nach. Da hat er auch wieder Recht. Eis geht fast über alles. Aber nicht über ein unerwidertes Ich liebe dich.

Deshalb ziehe ich jetzt obendrein noch meine Augenbrauen in die Höhe und nach und nach wird sein Lächeln breiter, bis er nur dümmlich grinst. Und das macht er solange, bis auch ich mich nicht mehr halten kann und wir beide losprusten.

»Du bist blöd«, stoße ich während meines Anfalls hervor, wobei ich sogar fast meinen Teller umgestoßen hätte und plötzlich geht alles ganz schnell, als der Teller auf meinem Schoß verschwindet und stattdessen Sawyer über mir ist.

»Und verrückt nach dir.«

Und während wir uns küssen, wird mir etwas klar.

Sawyer weiß, wie viel mir Schoko-Eis bedeutet und er stellt sich nicht dazwischen. Er kennt meine Ängste und akzeptiert sie, anstatt dass er mich dazu motiviert, sie zu bekämpfen. Und er liebt mich, weil ich so bin wie ich bin. Das hört sich zwar verdammt kitschig an, doch wenn man erst einmal so richtig und fast schon unsterblich in jemanden verliebt ist, liegen diese Beschreibungen noch am nächsten.

Ich habe erfolgreich die rosarote Brille aufgesetzt und brenne neuerdings schon darauf, all die kitschigen Sachen zu erleben, die das Schicksal für Sawyer und mich bereithält.

Mein nächstes Ziel ist es nicht, diese Brille mit Gewalt wieder abzusetzen, sondern eher so etwas in der Richtung Sawyer in den nächsten paar Jahren irgendwie dazu zu bringen, zu verstehen, warum Schoko-Eis so göttlich ist.

Und ein kurzfristiges Ziel? Ein Ich liebe dich aus ihm zu entlocken.

»Sag es«, fordere ich ihn auf, als sich unsere Lippen für einen kurzen Moment voneinander lösen.

»Was soll ich sagen?«

»Stell dich nicht dumm!«

Und während er seine Stirn gegen meine lehnt und wir uns schwer atmend in die Augen sehen, weiß ich, dass das, was zwischen uns ist, niemals verschwinden wird. Weil wir genau dasselbe füreinander fühlen. Unwiderruflich und aus ganzem Herzen.

»Ich liebe dich, Lauren.«

***

LaurenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt