doce: Türophobie

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N I A

Angestrengt knödelte ich das Haarknäuel in meiner Hand erneut zusammen, nur um es anschließend wieder mit einem Haargummi zu fixieren und es im Spiegel von allen Seiten zu betrachten. Dass ich mich dabei ziemlich verrenken musste, ignorierte ich, ich war es mittlerweile gewohnt.
Die Tür neben mir wurde mit eindeutig zu viel Elan für so einen frühen Morgen geöffnet und eine pfeifende Greta schritt hinaus. Augenverdrehend beobachtete sie mich ein paar Sekunden lang, bis sie mich schließlich zu sich drehte.
„Ich kann dir auch einfach sagen, wie es aussieht", meinte sie und mit einem auffordernden Nicken nahm ich ihr Angebot an. Kritisch biss sie sich auf die Lippen, verengte ihre Augen und schritt ein paar Mal um mich herum.
„Okay", sprach sie und klatschte einmal in die Hände und griff nach ihrem Rucksack. „Sieht scheiße aus. Wie immer."
Grummelnd schnappte auch ich mir meine Schulsachen und folgte ihr aus der Tür.
„Du könntest ruhig auch mal ein bisschen netter sein", murrte ich, während sie unsere Zimmertür abschloss.
„Könnte ich, ja", antwortete sie und drehte sich grinsend zu mir um, „aber das wäre doch wirklich langweilig!"
Seufzend wendete ich mich ab und machte mich auf den Weg in die Cafeteria. Greta folgte mir, blickte mich belustigt an und legte mir freundschaftlich einen Arm um die Schulter.

„Ich hasse Chemie", quengelte ich, während meine braunhaarige Freundin von einer Seite zur anderen hüpfte, immer auf der Hut, ja nicht in die Gefahrenzone einer Tür zu geraten.
„Wenigstens hat uns Mr Burki früher rausgelassen", erwiderte sie und sprang mit einem Mal vor mich, sodass ich abrupt abbremsen musste und dennoch gegen sie stieß.
„Aber hey, wir haben heute Mittag nochmal Mr Tomlinson", wechselte sie das Thema und schaute mich schelmisch an.
„Eine Doppelstunde Chemie ist pure Folter! Wer hat das überhaupt genehmigt?", fragte ich verzweifelt und setzte meinen Weg zu Mr Angels Raum fort, ging gar nicht auf Letzteres weiter ein.
Grinsend schritt meine Kindergartenfreundin wieder neben mich, achtete immer noch angestrengt darauf, nicht vor eine Tür zu laufen und huschte im nächsten Moment wieder nach rechts, wodurch sie gegen mich stieß und ich gegen die Wand taumelte.
„Man Greta! Hör' doch mal auf mit der Sch-"
Eine Tür, die mit voller Wucht gegen mich knallte, verschlug mir wortwörtlich die Sprache und ich fiel zu Boden.
„Oh fuck!", fluchte ich und hielt mir instinktiv die Nase. Als ich meinen Blick hob, blickte ich direkt in entsetzte blaue Augen, die anscheinend versuchten, die Situation zu erfassen, kurz darauf erklang die laute Klingel und die Schülermassen strömten aus den Räumen.
Ziemlich überfordert reichte er mir die Hand und zog mich rasch auf die Beine, Greta währenddessen gab ein paar mitfühlende Geräusche von sich.
„Türophobie ist nicht zu unterschätzen", meinte sie weise und ich verdrehte meine grauen Augen.
Ein belustigtes Schnauben ließ mich wieder zu unserem Lehrer blicken und als ich dann die kleine Blondine erkannte, die mich frech anfunkelte, verdrehte ich erneut meine Augen.

„Weitergehen, weitergehen", versuchte sich der Blauäugige durch das Geplärre der Schüler durchzusetzen, allerdings klang seine Stimme nicht mal annähernd so autoritär, wie sie es sonst tat. Dementsprechend wenige befolgten seine Anweisung, weshalb er sich wütend von mir abwendete.
„Weitergehen habe ich gesagt!"
Für einen kurzen Moment stand alles still auf dem Gang, dann bewegten sich alle, erstaunlicherweise sogar das blonde Biest, doppelt so schnell wie davor und kurz darauf waren wir nur noch zu dritt auf dem Gang.
„Du auch, Greta", erhob Mr Tomlinson erneut die Stimme und blickte sie auffordernd an. Meine Freundin jedoch verschränkte die Arme vor der Brust und schüttele den Kopf.
„Nein!", bockte sie und ich spürte es in meiner Nase pulsieren.
„Äh Greta?", meldete ich mich, doch sie brachte mich mit einer Handbewegung zum Schweigen.
„Sie ist meine beste Freundin und wenn Sie ihr die Nase gebrochen haben, lass' ich sie ganz bestimmt nicht alleine!"
„Apropos Nase", versuchte ich es erneut und die Braunhaarige fuhr genervt zu mir herum.
Augenblicklich verkrampfte sie sich, als sie meine blutige Nase sah und kurz darauf fiel sie in Ohnmacht.
„Ich habe Nasenbluten", beendete ich meinen Satz, blickte sie noch für ein paar Sekunden mitfühlend an - sie konnte absolut kein Blut sehen -, bis ich mich wieder zu meinem Lehrer drehte. „Und jetzt?"
Wie versteinert blickte Mr Tomlinson auf Greta und ließ seine Augen total überfordert durch den noch immer leeren Flur gleiten.
Als er sich gefangen hatte, ging er in die Knie und schob eine Hand unter Gretas Kniekehlen. Dann hob er sie mit einem Mal hoch und wendete sich an mich.
„Einhaken", wies er mich an und zappelte so gut es ging mit seinem linken Arm. Ohne Widerworte tat ich wie mir befohlen und wurde kurz darauf den Gang entlang geschliffen.
Mr Tomlinson hatte zwar nicht gerade lange Beine und machte dementsprechend auch keine richtig großen Schritte, doch trotzdem war er flink und ich musste mich beeilen, mit ihm mithalten zu können.

Kurz bevor wir beim Schwesternzimmer angekommen waren, mussten wir noch an Mr Styles und unserem Schuldirektor, welche gerade in ein Gespräch vertieft waren, vorbei, wobei der Braunhaarige und ich unabhängig von einander unsere Schritte beschleunigten.
„Louis", ertönte die schneidende Stimme von Mr Malik und nach einem kurzen Blick konnte ich sehen, dass mein Lehrer sich auf die Lippe beißend die Augen schloss, bis er sich kurz darauf lächelnd umdrehte.
„Mr Malik", grüßte er und zog seine Mundwinkel noch ein wenig weiter nach oben. Kein Wunder, dass er ein Lehrer der Theatergruppe war.
Unser Schuldirektor blickte uns misstrauisch an, während der Lockenkopf einfach nur stumm neben ihm stand und uns komisch anschaute.
Gerade als Mr Malik seinen Mund öffnete, huschte Ashton an uns vorbei. Blitzschnell schoss der Blick des Braunäugigen zu dem Schüler und er folgte ihm rasch.
„Ashton!", brüllte er und ich legte meine vor Verwirrung zusammengekniffenen Augen wieder auf Mr Styles. Doch noch bevor dieser etwas zu dieser komischen Situation hätte sagen können, zog Mr Tomlinson mich weiter ins Schwesternzimmer.
Dort angekommen hämmerte er erleichtert mit seinem Fuß gegen die Tür, bis dieses geöffnet wurde und wir mit einem strengen Blick empfangen wurden.
„Ms Davies", hechelte mein Lehrer und schnappte erst einmal nach Luft. Ich wusste doch, dass Greta fett geworden war!
Ms Davies war eine komische, ältere Dame, von der keiner wirklich wusste, ob sie Kinder hatte oder verheiratet war oder was sie sonst die ganzen Ferien über machte.
Allerdings verstand sie etwas von ihrem Job, weshalb sie die Situation mit einem Blick erfasste, Mr Tomlinson zu einer Liege wies und mich zu der daneben bugsierte.
Als ich dann ihrem Blick folgte und genau auf dem Hintern von meinem Lehrer landete, biss ich mir schmunzelnd auf die Lippen und blickte wieder zu der 50-Jährigen vor mir.
Ja, sie war ein Mysterium, das alte Geheimnis unserer Schule, allerdings hatte jede gute Schule ihre Geheimnisse. Was anderes wäre doch wirklich langweilig!

They Don't Know About Us || l.t. ; h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt