cuarenta y uno: Das Hemd

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G R E T A

„Nia, es tut mir ...", begann ich und kam in unser Zimmer hineingestürzt, brach jedoch ab, als ich meine Freundin relativ gelassen auf ihrem Bett liegen sah.
„Moment mal", sagte ich dann, „du bist nicht sauer?"
Sie sah von ihrem Handy auf.
„Nein, wieso?", erwiderte sie und ich zuckte mit den Achseln.
„Na ja, du bist vorhin einfach aus dem Theatersaal gestürmt ..."
„Es war ja auch nicht sonderlich schön, dabei zuzusehen, wie meine beste Freundin meinen Freund küsst", grummelte sie. „Das wollte ich mir echt nicht länger ansehen müssen."
„Es tut-", fing ich erneut an, doch sie unterbrach mich.
„Ich bin nicht sauer deswegen! Trotzdem wollte ich es mir halt nicht ansehen."
Ich nickte langsam und sah an mir herunter. Nicht einmal mein Kostüm hatte ich ausgezogen.
Seufzend lief ich zu ihrem Bett und quetschte mich neben sie.
„Was bin ich froh, dass diese beschissene Aufführung endlich rum ist."
Die Grauhaarige nickte. Im selben Moment wurde die Tür erneut aufgerissen und Mr Tomlinson stürmte hinein.
„Oh Gott, Nia, es-"
„Ich bin immer noch nicht sauer", brummte sie genervt und schaltete ihr Handy aus, um es zur Seite zu legen.
„Beim nächsten Mal klopfen Sie aber bitte an, okay?", meinte ich in Richtung Nias Freund, der die Augen verdrehte.
„Langsam wird's auch echt affig, dass ihr euch immer noch nicht das 'Du' angeboten habt", schnaubte meine Freundin und Mr Tomlinson fuhr sich verlegen durch die Haare.
„Da hast du recht", stimmte er ihr zu. Auch er trug noch das Hemd von der Aufführung. „Ich bin Louis."
„Ich weiß", entgegnete ich trocken. Der junge Mann setzte sich auf mein Bett und sah uns aus zusammengekniffenen Augen an.
„Gibt es einen bestimmten Grund, dass ihr zusammen im Bett liegt?", fragte er dann und wir sahen uns an.
„Nö, eigentlich nicht", antwortete Nia ihm schließlich und sah auf mich. „Wollt ihr Plätze tauschen?"
Da es wohl eher eine Aufforderung als eine Frage war, rappelte ich mich seufzend auf. Bevor ich mich jedoch auf mein Bett setzen oder Louis sich neben Nia legen konnte, klopfte es zaghaft an der Tür und Hannah, das Mädchen aus der Theatergruppe, streckte den Kopf herein.
„Mr Tomlinson, Sie sind auch hier?", fragte sie verwundert, winkte dann aber ab und redete einfach weiter: „Ich brauche jedenfalls noch die Kostüme."
Der Blauäugige sah an sich hinunter.
„Kann ich das Hemd behalten?", wollte er dann wissen, „Es passt mir perfekt."
Hannah seufzte.
„Das brauchen wir vielleicht irgendwann nochmal", erklärte sie. Louis zuckte mit den Achseln.
„Na und? Dann könnt ihr ja ein neues machen", erwiderte er gleichgültig.
„Ich geb' nicht nochmal Geld für die ganzen Materialien aus!", motzte Hannah ihn an und der Braunhaarige stockte.
„Moment mal, heißt das, die Schule bezahlt das nicht?", hakte er mit großen Augen nach und seine Schülerin schüttelte den Kopf.
Wortlos griff er in seine Tasche, holte einen 50 Pfund Schein hervor und reichte ihn ihr.
„Ich behalte das Hemd, es ist irgendwie cool", beschloss er.
Überfordert nahm sie das Geld an, während Nia ihren Freund verstört musterte.
Dann schaute die Kostümbildnerin zu mir. Traurig sah ich an dem wunderschönen Kleid hinab.
„Ich geh' mich umziehen", sagte ich jedoch schließlich und verschwand im Bad. Ich würde dieses Kleid ohnehin nie wieder anziehen.

Als ich zurückkam, stand zu meiner Überraschung eine weitere Person in unserem nun schon ziemlich überfüllten Zimmer. Und zu meiner Verärgerung war es Stacy, die kleine Pissratte, die sich hier mit in die Seiten gestemmten Armen vor uns aufbaute.
„Ich hab' genau gesehen, dass es Mr Tomlinson war, den du geküsst hast!", meckerte sie und zeigte anklagend mit dem Finger auf mich. Überrascht zog ich die Augenbrauen nach oben.
„Man zeigt nicht mit nacktem Finger auf angezogene Leute", ermahnte ich sie grinsend, ohne auf ihre Worte weiter einzugehen.
„Das Hemd beweist es!", schrie sie weiter, „Mr Tomlinson trägt das Hemd!"
Ich sah zu Nia. Um genau zu sein, hatte es mal eine sehr lustige Geschichte mit 'dem Hemd' gegeben. Nia hatte mal bei einem Ferienlager einen Jungen getroffen, den sie ziemlich attraktiv gefunden hatte. Als sie dann wieder zurück zur Schule gekommen war, hatten wir beide festgestellt, dass er hier ebenfalls zur Schule ging und ihn von da an das ganze restliche Jahr heimlich beobachtet, wobei wir ihm den Codenamen 'Das Hemd' gegeben hatten. Ich war mir ziemlich sicher, dass es ihm aufgefallen war, aber glücklicherweise war er noch im gleichen Sommer von der Schule gegangen und wir hatten ihn bisher nie wieder gesehen.
Als ich aus meiner kleinen Tagträumerei erwachte, stand plötzlich auch Harry in der Tür, der mit einem leicht grün angelaufenem Gesicht nach Luft schnappte.
„Stacy!", rief er mahnend. „Du darfst diesen Bereich nicht betreten! Das Stockwerk ist ausschließlich für die Oberstufe reserviert!"
Die kleine Hexe würdigte ihn keines Blickes.
„Greta steht auf Mr Tomlinson!", sagte sie wütend und ich runzelte die Stirn.
Wenn ich also zusammenfassen durfte: Nia stand auf Louis - welcher hoffentlich genauso für sie empfand - und glaubte, dass ich in Harry verliebt war. Ich war in keinen verliebt, Harry dafür aber in mich. Und Stacy glaubte jetzt auch noch, ich würde auf Mr Tomlinson stehen? Das Ganze wurde immer verwirrender.
„Du darfst den Bereich nicht betre-", Harrys Satz brach in einem würgenden Geräusch ab, woraufhin er mitten in unser Zimmer reiherte.
Gespannt beobachteten alle das Geschehen. Während Stacy ein leicht angeekeltes 'Ihhh' von sich gab, ging Hannah rückwärts zur Tür und verschwand aus dem Raum.
„Der schöne Teppich", stöhnte Nia leise. Louis bedachte seinen Freund mit einem mitfühlenden Blick, während ich leise 'Let It Go' vor mich hin summte.
In diesem Augenblick nahm ich im Türrahmen eine Bewegung wahr und sah die Putzfrau, die ihren Wagen mit den Reinigungsmitteln den Gang entlang schob.
„Warten Sie!", rief ich ihr hinterher und sie sah tatsächlich auf.
„Können Sie das wegmachen?", fragte ich und deutete dabei auf den versauten Boden.
Sie sah mich noch einen Moment länger an.
„Ische nischte mehr putze in diese Raum", meinte sie dann spitz und ging weiter.
Daraus lernte ich, dass man sich niemals mit Putzfrauen anlegen sollte.

They Don't Know About Us || l.t. ; h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt