setenta y seis: Sein Name ist Juan

130 10 0
                                    

N I A

Wir waren wieder am Strand. Es war der letzte Tag unserer Klassenfahrt, weswegen wir beschlossen hatten, nochmal an den Strand zu gehen.
Sehr zu meinem Bedauern wollten ein paar meiner Klassenkameraden shoppen gehen - besser gesagt waren Greta und ich die einzigen, die an den Strand wollten und Harry hatte Mr Malik, der wahrscheinlich immer noch einen Groll auf Greta schob, davon überzeugen können, dass er auf uns aufpassen müsse, weshalb er nun mit uns den steinigen Weg zum Strand entlang schritt, während Louis mit dem Rest unserer Klasse in der Stadt war.
Greta und Harry - oder auch Garry, wie ich sie liebevoll nannte - konnten es sich natürlich nicht nehmen lassen, ihre neugewonnene Pärchenzeit im vollen Maße auszukosten, weshalb ich wie das dritte Rad am Fahrrad nebenher rollte und angepisst einen Stein nach dem anderen vor mir hin und her kickte, bis mein Blick auf eben jene Bauchtasche fiel, die wir vor ein paar Tagen schonmal gesehen hatten. Sie gehörte zu niemand geringeren als dem jungen Spanier Juan, welcher unmittelbar vor uns stand und uns angrinste. Aus dem Augenwinkel heraus glitt sein Blick zu Harry, der unmittelbar neben Greta stand, dann zu mir, da auch ich unmittelbar neben Greta stand und dann schließlich zu Greta, da Juan nunmal unmittelbar vor ihr stand.
Diese grinste den Dunkelhaarigen ebenso verrückt an wie er sie, was ziemlich wahrscheinlich daran lag, dass ich ihr noch immer nichts davon erzählt hatte, dass Juan sie beim vergangenen Male wirklich lächerlich angemacht hatte.
„¡Greta!", strahlte er und zögerte nicht, sie in seine Arme zu ziehen. Auch wenn meine Freundin damit sichtlich überfordert war und sie auch keine Anstalten machte, ihre Arme ebenfalls zu heben, verfinsterte sich der Blick ihres Freundes schlagartig und er presste die Zähne aufeinander.
„Te ves muy hermosa hoy", sprach er weiter und löste sich wieder von meiner Freundin, weshalb Harrys Blick augenblicklich zu mir schwenkte.
„Ein Kompliment", sagte ich also und hob abwehrend die Arme. „Nur ein Kompliment."
Diese Antwort schien den Lockenkopf allerdings nicht wirklich zu gefallen, denn er presste seine Augen noch ein bisschen mehr zusammen, während er näher an Greta herantrat.
„Danke", gluckste die mit dem Zwillingsbruder und ich sah vorwerfend zu ihr.
„Och komm schon! Du kannst nicht mal 'Gracias'?!", meckerte ich enttäuscht und sie schüttelte befreit den Kopf.
„Nö. Wieso sollte ich auch?"
Juan schien währenddessen nur noch Augen für die Braunhaarige zu haben.
„Tu voz es melodía en mis oídos", schwärmte er und ohne meinen Blick auf Harry zu lenken, begann ich zu übersetzen.
„Er sagte, Gretas Stimme sei Melodie in seinen Ohren", antwortete ich meinem Lehrer auf seine unausgesprochene Frage und dieser stieß aufgebracht Luft durch seine Nase aus.
„Sag ihm, dass sie einen Freund hat!", forderte er und ich nickte, obwohl ich innerlich zu grinsen begann.
„Greta dice: gracias", wendete ich mich also an Juan, welcher natürlich noch mehr zu grinsen begann. Kein Wunder auch, wenn ich ihm sagte, dass Greta sich bei ihm bedankte. Dies hatte sie zwar nicht - allgemein hatte sie gerade gar nichts gesagt -, aber der Spanier schien es zu glauben, weshalb er einfach nur zufrieden mit sich und der Welt war.
Harry begann nun auch zu grinsen und trat noch näher an Greta, nur um anschließend einen Arm um sie zu legen, was Juan allerdings gar nicht gefiel.
„¿Qué estas haciendo?", fragte er erschrocken und schmiss seinen Arm von Gretas Schulter, welche nun langsam auch zu verstehen begann.
Allerdings war ihr Verstand doch nicht so schnell, dass sie reagieren konnte, bevor Juan ihr dafür seinen Arm umlegte.
„Nein, nein, nein!", fuhr ihn mein Deutschlehrer an und wiederholte die Geste des Spaniers.
„No, no, no", erledigte ich meinen Job und erntete dafür einen bösen Seitenblick seitens Harry.
„Ti amo", versuchte der Lehrer es nun selbst und sowohl ich, als auch Greta und Juan rissen erschrocken die Augen auf. Das war zwar einerseits kein Spanisch, aber andererseits hatte er auch gerade irgendwie Juan seine Liebe gestanden.
„Ähh, no", korrigierte sich der Lockenkopf, drehte sich zu meiner Freundin und startete einen neuen Versuch - wahrscheinlich wusste er nicht, wie er sich anders klar ausdrücken konnte. „Ti amo, Greta."
„Das war immer noch kein Spanisch", nuschelte ich enttäuscht, jedoch schien es der Mann mit der Sonnenbrille im Haar trotzdem zu verstehen, denn er wandte sich enttäuscht an mich - anscheinend hatte er nun auch begriffen, dass wir die einzigen zwei waren, die diese Sprache beherrschten.
„¿Es ese su novio?", fragte er mich traurig, ob Harry Gretas Freund sei und nun hatte ich doch tatsächlich ein wenig Mitleid mit ihm. Davor war es für mich einfach nur amüsant gewesen, aber anscheinend hatte der junge Mann doch tatsächlich ein Auge auf meine Freundin geworfen.
„Sí", antwortete ich ihm und mein Gegenüber nickte bedrückt.
„¿Y tú?", sprach er dann jedoch wieder plötzlich total gut gelaunt und ich riss die Augen auf. Okay, vielleicht war Greta doch nicht seine große Liebe.
Ich sagte ihm also, dass auch ich einen Freund hatte und nachdem er auch diese Botschaft sehr bedauernd aufgenommen hatte, war er gegangen.
Ich sah allerdings aus dem Augenwinkel, dass sich Juan schon wieder mit zwei Frauen unterhielt, die im Bikini bekleidet auf ihren Handtüchern lagen und ebenso gute Laune - Mann, wie kriegte er das nur immer so schnell hin? - hatten wie er.
Eins stand also fest: Solltest du im Urlaub am spanischen Strand auf einen jungen Spanier mit einer Bauchtasche um den Bauch und einer neongrünen Sonnenbrille im dunklen Haar treffen, der ein strahlend weißes Lächeln hat, sei dir sicher, sein Name ist Juan.

They Don't Know About Us || l.t. ; h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt