ochenta y cinco: Richtig miese Laune

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G R E T A

Physik war die Hölle. Erstens, weil wir von Physik redeten und ich von Kräften und Schwingungen und all den Formeln nicht die geringste Ahnung hatte - wenn ich wirklich etwas brauchte, fragte ich Nia oder Ash, die wussten es ohnehin besser als ich - und zweitens, weil der Unterricht bei dem Mann stattfand, der meine beste Freundin betrogen hatte.
Während des gesamten Unterrichts übte ich mich darin, Leute mit meinen Blicken zu töten, aber leider stand Louis Tomlinson am Ende der Stunde noch genauso wohlbehalten vor mir, wie er es schon die ganze Zeit getan hatte.
„Und das Ergebnis sagt uns jetzt bitte Greta", meinte er und sah triumphierend in meine Richtung. Er wusste, dass ich die Aufgabe nicht hatte lösen können, da war ich mir sicher.
„Ergebnis?", stellte ich mich unwissend. Mr Tomlinson nickte.
„Ja. Ergebnis. Und heute noch, wenn es möglich ist."
Nia flüsterte mir leise etwas zu, allerdings etwas zu leise, denn ich konnte kein einziges Wort verstehen. Ich war also auf mich allein gestellt.
„Also die Gazelle rennt auf jeden Fall schnell", sagte ich gedehnt. „Sie will bestimmt vor dem Physikunterricht weglaufen. Vielleicht hat sie ja Ihr Gesicht gesehen und Panik bekommen", antwortete ich also.
Absolute Stille im Klassenraum. Keiner wusste, ob er meine unhöfliche Antwort lustig oder unangebracht finden sollte und als sich Mr Tomlinsons Miene merklich verdunkelte, musste ich schlucken. Sicher, ich war wütend auf ihn, doch vielleicht war ich gerade zu weit gegangen. Schließlich war er immer noch mein Lehrer.
Der Gong zur Pause erlöste mich und ich sprang auf, um meine Sachen zusammenzupacken und möglichst schnell zu verschwinden.
„Nicht so schnell, meine Liebe", kam mir Mr Tomlinson jedoch zuvor und bedachte mich mit einem vernichtenden Blick. „Und Nia, Ashton und Nat können auch gleich hierbleiben. Ich möchte euch daran erinnern, dass ihr heute morgen alle zu spät gekommen seid."
Ash wich die Farbe aus dem Gesicht.
„Es wird nie wieder vorkommen!", versicherte er ängstlich. „Wirklich nicht!"
Einen Moment lang schien unser Lehrer zu überlegen, dann nickte er jedoch.
„Nat, Ash, ihr habt gut mitgearbeitet. Heute sehe ich ausnahmsweise mal darüber hinweg. Nia, du hast es dir erlaubt, nicht nur zu spät zu kommen, sondern auch den ganzen Unterricht lang jegliche Arbeit zu vermeiden. Du bleibst hier."
Er sah mich lange an. Jetzt war ich doch erleichtert darüber, ihm die Beleidigung an den Kopf geworfen zu haben, denn sonst würde er mich nun wohl auch nach draußen schicken, um mit Nia reden zu können. Durch meine unerwartete Unhöflichkeit konnte er sich dies allerdings nicht mehr erlauben.
„Setzen", knurrte er mir zu. Seine blauen Augen funkelten aufgebracht und er war wahrscheinlich noch wütender darüber, dass ich ihn beleidigt hatte, als sonst.
„Physikbuch Seite 203, 204 und 205 bearbeiten. Die Aufgabenstellungen werden mit abgeschrieben und deine Leistung wird in die Endnote mit eingehen."
Hui, da war aber jemand wütend. Drei ganze Seiten im Buch! So viele Aufgaben hatte ich wahrscheinlich in meiner ganzen Schullaufbahn in Physik noch nicht gemacht, denn ich schrieb normalerweise immer bei Nia ab. Diese warf mir einen bemitleidenden Blick zu, verkrampfte sich dann jedoch, als Mr Tomlinson auf sie zutrat.
„Nia", sagte er leise und hoffte wohl, dass ich es nicht hörte. Umsonst, denn ich konnte jedes Wort verstehen.
„Ich habe die Verlobung aufgelöst. Ich habe mich von Lia getrennt!"
„Ich will es nicht wissen", zischte sie durch ihre zusammengebissenen Zähne und wandte sich ab, um ihren Rucksack zu holen. Ihr Exfreund ließ das nicht zu.
„Bitte, Nia. Ich war dumm und ein Idiot und ich weiß das. Aber ich wusste nicht, was ich machen sollte! Ich war mit Lia verlobt und habe mich trotz allem in dich verliebt!"
Er machte es nur noch schlimmer. Nia war mittlerweile den Tränen nahe, wie ich an ihren rot umrandeten Augen und ihrer leicht zitternden Unterlippe erkennen konnte. Auch ihre Stimme war zittrig.
„Ich will es nicht wissen, Louis William Tomlinson! Du hattest so viele Chancen, mir etwas davon zu erzählen. So viele. Und du hattest auch genug Chancen, dich von mir zu trennen, bevor Lia oder ich überhaupt etwas von der jeweils anderen Beziehung mitbekommen hätten. Stattdessen lässt du dich ihren Eltern vorstellen und tust so, als wäre alles in Butter, während du hinter ihrem Rücken mit deiner Schülerin rummachst. Du hast mich ausgenutzt!"
„Nein!", beteuerte Angesprochener. „Ich wollte mit Lia Schluss machen, das schwöre ich!"
„Ach, und deshalb lernst du ihre Eltern kennen? Das sieht mir nach Schluss machen aus, wirklich."
Erneut wandte Nia sich um, griff nach ihrem Rucksack und schulterte diesen.
„Es hatte sich noch keine Gelegenheit geboten!", versuchte Louis zu erklären. „Und außerdem habe ich lange gebraucht, um mir über meine Gefühle im Klaren zu sein. Ich habe lange überlegt, wie ich mich für eine von euch beiden entscheiden kann, obwohl ihr doch beide solche wundervollen, intelligenten, absolut tollen Menschen seid. Aber letztendlich habe ich mich für dich entschieden, Nia!"
Lia ein wundervoller Mensch? Na ja.
„Ach ja?", fuhr ihn meine Freundin an. „Und wenn ich dir jetzt einen Korb gebe, sagst du Lia dann das Gleiche?"
„Nein!", versuchte er es nochmal, aber Nia schüttelte nur den Kopf.
„Ich kann dir einfach nicht mehr vertrauen, Louis."
Unbehaglich biss ich auf der Innenseite meiner Wange herum. Ich wollte die beiden eigentlich in Ruhe miteinander reden lassen, aber Nia schon wieder so traurig zu sehen, tat mir weh. Ich hasste es zu wissen, dass es absolut nichts auf dieser Welt gab, was ich tun konnte, um die Situation für sie erträglicher zu machen.
Bevor ich mich allerdings entscheiden konnte, ob ich mich in das Gespräch einmischen sollte oder nicht, hatte Nia schon all ihre Sachen zusammengesammelt und war durch die Tür verschwunden.
Einen Moment lang herrschte eine betretene Stille im Raum. Ich starrte auf meinen leeren Block und das Physikbuch, dessen Inhalt mir sich partout nicht erschließen wollte. Das wäre wohl ein F für diese Aufgaben und damit wäre es noch offensichtlicher, dass all meine Erfolge in diesem Fach nur auf Nias Hilfe beruhten. Aber egal, daran konnte ich jetzt auch nichts ändern.
„Ganz schön reingeschissen, was?", meinte ich zum ehemaligen Freund meiner besten Freundin, der auf die nun wieder geschlossene Tür starrte. Sein Blick wanderte zu mir.
„Halt einfach den Mund und mach deine verdammten Aufgaben, bevor ich dich durch deinen Abschluss fliegen lasse!", fuhr er mich gereizt an und ich zuckte zusammen. Da hatte aber jemand richtig miese Laune!

They Don't Know About Us || l.t. ; h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt