ochenta: Die unbesiegbare Trauer

140 11 7
                                    

N I A

Minuten vergingen und es fühlte sich an, wie als würde alles um mich herum zerbrechen. Ich wusste nicht, was Greta Louis gerade alles an den Kopf warf, doch ich konnte mir denken, dass es keine netten Worte waren.
Wie konnte er so etwas nur tun?
Ich konnte es mir nicht erklären - ich versuchte jede Möglichkeit durchzugehen, um herauszufinden, wie er, der Mann, in den ich mich verliebt hatte, mir so dreist ins Gesicht lügen konnte und doch fand ich keine plausible Erklärung.
Minuten vergingen und das Messer, welches er mir mitten ins Herz gerammt hatte, verankerte sich dort und ließ mein Herz nur noch mehr bluten.
Ich hasste ihn - und doch liebte ich ihn noch immer.
Wieder klopfte es an meiner Tür. Ich erhob mich von meinem Bett, um langsam, mit zentimeterkleinen Schritten, auf sie zuzulaufen und die Klinke hinunter zu drücken.
Vor ihr stand Louis, den Kopf gesenkt und seine Haare verwuschelt. Er muss sich ein paar Mal durch diese gefahren sein.
Wortlos hielt er mir mein Handy entgegen, welches ich ihm abnahm, meine Hand jedoch nicht sofort zurückzog. Nun hob er seinen Kopf leicht, um seinen Blick auf unsere Hände zu legen, die sich nicht berührten, allerdings nur durch mein Handy von einander getrennt waren.
Er hob seinen Kopf noch ein wenig mehr und augenblicklich trafen mich seine blauen Augen wie ein weiteres Messer.
Der durchsichtige Schimmer, der sich auf ihnen niedergelegt hatte, ließ auch meine Augen zu brennen anfangen.
Ich biss mir auf die Unterlippe - versuchte die Tränen zurückzuhalten -, nahm mein Handy und wollte sofort die Tür schließen, als der Braunhaarige seinen Fuß in die Türschwelle stellte und mich daran hinderte. Sein Gesicht verzog sich etwas vor Schmerz, jedoch war dieser Gesichtsausdruck ein ganz anderer als der vorherige. Er trat vorsichtig ein, schloss die Tür leise hinter sich und kam nicht näher. Ich konnte ihm ansehen, wie nervös und aufgebracht er war und das waren allmählich Eigenschaften, die ich bei ihm noch nie zuvor gesehen hatte.
Es war noch immer still. Sein Gesichtsausdruck glich mittlerweile wieder dem, den er seit dem Gespräch mit Greta trug. Dieser Ausdruck bestand auch aus Schmerz, allerdings ein viel tief sitzender, traurigerer Schmerz.
Nun trat er doch einen Schritt vor, weshalb ich einen zurückwich und er mich traurig ansah.
„Es tut mir leid", durchbrach seine zitternde Stimme den Raum und augenblicklich fühlte ich mich schlecht. Ich wollte zu ihm gehen, ihn umarmen, ihn weinend an mich drücken und ihm sagen, dass alles wieder gut wird, doch das konnte ich nicht.
Er hatte mich zu sehr verletzt.
„Es tut mir so verdammt leid!", hörte ich ihn wieder sagen und sah, wie er sich verzweifelt die Haare raufte.
Ich stand einfach nur da und beobachtete ihn. Beobachtete ihn bei allem, was er tat und sah schweigend dabei zu, wie er verzweifelte.
Voller Selbsthass stand ich still in meinem Zimmer, der Mann, den ich liebte, zitternd vor mir und war unfähig, irgendetwas zu tun.
War unfähig, irgendetwas zu sagen.
„Lavinia, bitte sag was", bettelte Louis und sah mit geraufter Stirn zu mir.
Augenblicklich verschwand der Selbsthass und übertrag sich bei seinen Worten voll und ganz auf den Jungen mir gegenüber.
„Nenn mich nicht so!", zischte ich daher und Louis riss kurz seine Augen auf, während er erschrocken ein wenig zurücktaumelte.
„Sag mir einfach, was ich tun soll!", sprach er jetzt - anscheinend hatte er bemerkt, dass er gerade wirklich mit mir reden konnte.
Ich senkte meinen Kopf. Da gab es nichts, er konnte nichts mehr tun.
„Irgendwas! Nia, egal, was es ist, ich mache es, aber bitte, gib mir noch eine Chance!"
„Wie stellst du dir das vor?!", ergriff ich nun wieder das Wort und konnte es nicht zurückhalten, dass meine Stimme brach und ich schniefend zu Ende sprechen musste. Energisch wischte ich mir einmal über die Lippen, an denen sich urplötzlich tausende Tränen angesammelt hatten, und schüttelte dann den Kopf.
„Es gibt nichts, Louis! Gar nichts. Geh einfach und lass mich allein", antwortete ich und sah ihm an, dass ihm meine Antwort überhaupt nicht gefiel. Allerdings konnte ich darauf keine Rücksicht nehmen. Ich musste erst mich selbst und meine Gefühle schützen, bevor ich andere schützen konnte und ob ich dann tatsächlich für Louis Tomlinson einstehen würde, konnte ich nun wirklich nicht sagen.
„Es muss doch etwas geben!", beteuerte dieser nun. „Ich habe einen Fehler gemacht und ja, ich bin ein Arschloch, aber bei Gott, bitte verzeih mir!"
Gut hörbar fing ich an zu schluchzen, während ich mein Gesicht in meinen Händen vergrub.
Er machte gerade alles nur noch schlimmer.
Er machte es schlimmer, indem ich merkte, dass es ihm wirklich leid tat, dass er mich wirklich liebte und das ließ nicht zu, dass ich ihn hassen konnte.
„Nia, ich würde alles für dich tun!", versprach er und ich sah wieder auf.
„Warum hast du das dann nicht?!", schrie ich ihn an, senkte meine Stimme allerdings sofort wieder, da meine Mutter, mein Stiefvater und die Verlobte meines Freundes immer noch unten saßen.
Er schien wieder überrascht von meiner Tonlage, denn er biss sich auf die Lippe, verzog das Gesicht und senkte den Kopf.
„Was kann ich tun-", wiederholte er wieder, doch diesmal unterbrach ich ihn. Ich konnte einfach nicht mehr.
„Geh einfach", sagte ich, mit einem Mal wieder total kraftlos. „Lass mich einfach in Ruhe. Für immer."
Wir blickten beide zeitgleich auf. Unsere Augen trafen auf einander und ich sah Trauer. Trauer, die er auch in meinen Augen sah und doch, obwohl wir der Auslöser für diese Trauer waren, konnten wir sie nicht beseitigen.
Ich verlor seine Augen, als er sich umdrehte, mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern Richtung Tür lief und aus meinem Zimmer verschwand.
Ich hatte noch gesehen, wie er sich über die Augen wischte und plötzlich fragte ich mich, was er gleich unten meiner Familie erzählen würde.
Und doch wusste ich, dass er ihnen nicht die Wahrheit sagen würde, denn dies wäre viel zu riskant und selbst wenn er mich verletzt hatte, würde ich nicht wollen, dass er wegen mir in Schwierigkeiten gerät.
Er war weg und ich wusste, dass ich ihn verloren hatte.
Verloren an meine Schwester.

They Don't Know About Us || l.t. ; h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt