cuarenta y ocho: Kein Gespräch, kein Konflikt, kein Problem

178 12 0
                                    

N I A

Sport.
Für mich eine einfache Beschäftigung, die ich montagnachmittags ausübte, für Greta wohl jedoch die schlimmsten zwei Stunden ihrer Woche.

So sehr ich dieses Fach eigentlich mochte, so sehr hasste ich auch unser momentanes Thema. Verbesserung der Leistungsfähigkeit. Was ein Schrott.

Mal abgesehen davon, dass niemand aus unserer Klasse jemals an einem Marathon teilnehmen würde - falls doch, müsste ich denjenigen leider umbringen -, gab es weitaus interessanter Themengebiete und viel bessere Möglichkeiten, den Sportunterricht angenehm zu gestalten, als uns jeden Montag mindestens eine halbe Stunde mit der sogenannten Intervallmethode laufen zu lassen. Das hieß, dass man drei Minuten lang lief, dann eine einminütige aktive Pause machte und dann das ganze noch circa zehn Mal wiederholte. Ein Spaß für Jung und Alt.

Nun standen wir also wieder an einem Montagnachmittag versammelt auf dem Sportplatz unseres Internats und hörten uns die Anweisungen von Mr Styles an. Ein paar Leute unserer Klasse taten dies zumindest, ich zum Beispiel vertraute darauf, dass wir genau dasselbe wie die letzten Wochen auch schon machen würden und unterhielt mich stattdessen mit Greta.

„Das war mehr als unangenehm", erklärte ich ihr gerade die Situation, in der ich mich vor ein paar Tagen befunden hatte. „Aber ich bin eigentlich froh, dass Louis da war. Stell dir vor, ich wäre mit ihm allein gewesen!"
Die Braunhaarige nickte abwesend und blickte zu unserem Lehrer, doch ich sprach einfach weiter.
„Warum musste er sein Referendariat denn unbedingt an dieser Schule machen? Kann man sich das nicht aussuchen? Kann man doch und er hat es mit Absicht gemacht? Was ist seine Mission? Wieso-"
„Frag ihn doch", unterbrach mich meine Freundin und drehte sich zu mir. „Frag ihn einfach. Er beißt nicht."
Mein Kopf legte sich schief und meine Augen blickten sie genervt an. Sie war nicht bei der Sache.
„Wir reden über Max", erklärte ich ihr das eigentlich Offensichtliche und äffte sie dann nach: „Und du sagst 'Frag ihn einfach'."
Sie schüttelte den Kopf.
„Falsch", sagte sie und ich zog die Augenbrauen empor. „Du redest über Max, während ich versuche Mr Styles zu folgen."
Meine Augen verengten sich und ich verschränkte die Arme vor der Brust.
„Vielen Dank für deine Hilfe", meinte ich ironisch, „aber sie hat nichts gebracht."
Sie kugelte die braunen Augen, bevor sie dem Rest unserer Klasse folgte und sich in dem Startbereich der Laufbahn platzierte.
„Du machst es komplizierter, als es ist, Nia", sprach sie und ich begann zu seufzen, während ich meine Arme fallen ließ.
„Es ist kompliziert. Er weiß, dass ich mal auf ihn stand, Louis weiß es und ich weiß es auch. Louis-", erwiderte ich, doch Greta unterbrach mich.
„Siehst du", sagte sie und senkte ihre Stimme, damit uns nicht jeder verstehen konnte. „Wenn es jeder weiß, ist es nicht kompliziert."
Kurz überlegte ich und schüttelte dann den Kopf.
„Nein, aber es ist komisch", meinte ich darauf, weswegen sie leicht zu grinsen begann.
„Das wird es immer sein", antwortete sie und flüsterte dann: „Immerhin arbeitet dein Ex-Schwarm mit deinem Freund zusammen."
Ich gab ein paar jämmerliche Geräusche von mir, lief dann jedoch parallel zu Mr Styles' Startzeichen mit Greta los und beschloss, das Thema vorerst fallenzulassen.

Wahrscheinlich hatte Greta recht. Die Situation war absurd - das würde sie auch immer bleiben -, aber ich konnte nunmal nichts daran ändern. Es lag nicht in meiner Macht, Max von dieser Schule zu schmeißen - das würde ich ohnehin nicht machen, so asozial war ich nicht -, allerdings konnte mich auch niemand dazu zwingen, mit ihm zu reden.
Ich würde ihm ganz einfach aus dem Weg gehen. Das war mein Plan und der war auch gut!
Ohne Gespräche konnte es nicht zu Konflikten kommen und ohne Konflikte gab es keine Probleme.

Mittlerweile überrundete ich Greta schon das zweite Mal und bremste etwas ab, um mich ihrer Geschwindigkeit anpassen zu können.
„Ich kann nicht mehr!", hechelte sie, während ich mich umdrehte und rückwärts weiterlief, um Blickkontakt zu ihr halten zu können.
„Das ist erst der zweite Durchgang", erinnerte ich die Braunäugige und die Angesprochene blickte verärgert auf.
„Ich weiß!", fauchte sie, weshalb ich abwehrend die Arme hob.

„So erschöpft kannst du nicht sein, wenn dein Gehirn noch so funktionsfähig ist, die Durchgänge mitzuzählen!", schrie Mr Styles von der anderen Seite des Sportplatzes aus und ich nickte nachdenkend. Das war ein gutes Argument.
„Natürlich weiß mein Gehirn, wann es meine Muskeln nicht mehr dazu auffordern muss, mich durch die Gegend zu schleppen und mir solche Qualen zuzufügen!", antwortete meine Kindergartenfreundin empört. „Das nennt man Überlebensinstinkt!"
„Der ist anders definiert", tadelte Ashton sie jedoch, als er an ihr vorbeitrabte. „Unter Selbsterhaltung - was die korrektere Bezeichnung für 'Überlebensinstinkt' ist - versteht man ein biologisches Prinzip, das es Lebewesen aufgrund angeborener Verhaltensweisen, erlernter Reaktionsmechanismen und bewusster Entscheidungen ermöglicht, sich als Einzelwesen, Gruppe und Art am Leben zu erhalten."
Eine kurze Stille folgte.
„Ja, das sage ich doch", meinte Greta dann verwirrt, doch der Klügere von beiden schüttelte verzweifelt den Kopf.
„Nein. Du sagst-"
„ASHTON!", unterbrach ihn eine dermaßen grelle Stimme, wie ich sie selten von meiner Freundin erlebte. „Lauf einfach, bitte!"
Nun war Greta diejenige, die jämmerliche Geräusche von sich gab.
Ashton tat ihr den Gefallen und lief einfach wieder in seinem Tempo weiter, nur damit kurz darauf Nat seinen Platz einnehmen konnte.
„Kopf hoch, Schwesterherz!", meinte er, doch Mr Styles' 'Pause!' schnitt ihn das Wort ab.
„Oh, Gott sei Dank!", stieß meine Freundin noch aus, ehe sie beide Arme in die Seite stemmte und ihre Geschwindigkeit auf die einer Schnecke reduzierte.
Ihr Bruder jedoch erfüllte unsere Aufgabe mit Bravour. Er verringerte nämlich sein vorheriges schnelles Tempo, doch nur so weit, dass er jetzt langsam joggte, was seine Schwester dazu brachte, frustriert aufzustöhnen.
„Der macht einfach keine Pause!", meinte sie ungläubig, fügte allerdings direkt danach noch ungläubiger an: „Oder er macht gerade Pause. Das wäre ja noch deprimierender!"
Ich lachte leise in mich hinein, während Nat seine Schwester nur selbstgefällig angrinste.

„Weiter!", schrie Mr Styles jedoch schon wieder und ich konnte nur noch ein paar protestierende Geräusche hinter mir vernehmen, als ich wieder schneller weiterlief.

Ich hoffte nur, dass sich unser Lehrer bei dem ganzen Geschrei keine Mandelentzündung einfangen würde.

They Don't Know About Us || l.t. ; h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt