treinta y siete: EKLIG!

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G R E T A

Die halbe Nacht hatte ich mir eine Frage gestellt: Wo blieb Nia? Und in der anderen Hälfte war ich zu dem Schluss gekommen, dass ich es eigentlich gar nicht so genau wissen wollte - sie war schließlich zu Mr Tomlinson gegangen.
Es würde eine sehr komische Situation werden, wenn ich ihn zum nächsten Mal im Unterricht sah.
Wenn ich jedoch nicht unbedingt Salzstangen in mich stopfte, las oder endlich mal die zweite Staffel von Supernatural zu Ende sah, was ich Nia schon seit einem halben Jahr versprochen hatte, fühlte ich mich irgendwie schuldig. Na klar, ich konnte nichts dafür, dass ich eben nicht auf Mr Styles - oder Harry, wie auch immer ich ihn anreden sollte - stand, doch trotzdem tat er mir leid.

Dementsprechend nervös war ich, ihn einige Tage später auf Krücken in Deutsch zwangsweise wiederzusehen.
„Wie geht es dir?", fragte er besorgt, sobald ich mich in die vorderste Reihe gesetzt hatte.
„Das wird schon", antwortete ich schulterzuckend. Immerhin war ja nichts gebrochen! „Und Ihnen?"
Unser Gespräch wirkte selbst für Außenstehende gezwungen, weshalb es mich auch nicht wunderte, dass Nia die Augenbrauen hochzog und mich dann mitfühlend ansah. Das Dumme war nur, dass sie die ganze Situation in die komplett falsche Richtung interpretiert hatte.
Er zuckte auch mit den Achseln und blickte mich fast flehend an. Er sah wirklich aus wie ein leidender Hundewelpe!
Ich biss mir auf die Lippe und holte mein Deutschheft hervor, um diese höchstunangenehme Atmosphäre irgendwie zu durchbrechen.
„Greta, alles okay?", wisperte mir Nia zu und ich verdrehte die Augen, als sie vorsichtig zu Mr Styles, beziehungsweise Harry, schielte. Natürlich meinte sie es nur gut, aber es machte das Ganze auch nicht besser, dass sie mich immerzu daran erinnerte.
„Ja!", zischte ich also, vielleicht etwas zu heftig, zurück.
Sie zuckte zusammen und starrte teilnahmslos aus dem Fenster, während ich wenigstens versuchte, mich mit dem Thema zu beschäftigen.
Allerdings schien es Nat und einige andere Jungs aus der hinteren Reihe herzlich wenig zu kümmern, was Mr Styles sagte, denn sie quatschten fröhlich weiter.
„Jetzt ist aber Schluss!", rief unser Lehrer irgendwann aufgebracht und schlug mit der flachen Hand auf den Pult. „Nat, beantworte mir meine Frage!"
Dieser blinzelte gänzlich verwirrt.
„Ähm?", machte er fragend und sah hilfesuchend zu mir. Mit einem zuckersüßen Lächeln erwiderte ich seinen Blick.
„Weil ... das so sein muss?", sagte er schließlich unsicher und ich grinste, da sich sein Satz auf Harrys 'Jetzt ist aber Schluss' reimte.
„Red' doch keinen Stuss!", fügte ich noch an und nun wurde auch Nia hellhörig.
„Ist die Antwort 'Bus'?", riet sie und ich biss mir auf die Innenseite meiner Wange.
„Wie ist denn dein Gedankenfluss?", tadelte ich sie, woraufhin sie verstand und ebenfalls zu kichern begann.
Sie nickte zum Fenster.
„Stacy bekommt gerade einen Kuss", grinste sie und ich reckte den Kopf, um hinaussehen zu können.
Es stimmte. Die miese kleine Ratte steckte gerade einem Schüler aus einer der Klassen unter uns die Zunge in den Hals. Sie saß auf seinem Schoß und ich meinte sogar, seine Hand an einer unanständigen Stelle zu sehen. Bah!
„Die Kleine geht mir auf die Nuss", brummte ich, worauf Mr Styles den Kopf schüttelte.
„Ihr seid geborene Dichter", grummelte er genervt, „aber könnten wir jetzt mit dem Unterricht fortfahren?"
„Das geht leider nicht", meinte ich verärgert, da er unseren tollen Reim unterbrochen hatte. „Draußen sind gerade leider zwei wildknutschende Leute, von denen wir eine nicht leiden können und die wir eigentlich nicht sehen wollen."
Er verdrehte die Augen.
Kurzerhand stand ich auf, nahm meine Krücken und humpelte zum Fenster.
„Einen Moment", sagte ich zu Harry gewandt, „Sie haben gleich wieder meine Aufmerksamkeit."
Dann öffnete ich mit einem Ruck das Fenster und schrie aus vollem Halse hinaus: „EKLIG!"
Die beiden Küssenden fuhren zusammen und sahen sich nach mir um, doch bevor sie mich entdecken konnten, hatte ich das Fenster schon wieder geschlossen und war auf dem Rückweg zu meinem Platz.
Kurz herrschte eine absolute Stille im Raum, bis Nia leise anfing zu lachen. Sie sah nach draußen, wo Stacy und ihr Lover mit hochroten Gesichtern im Gebäude verschwanden, und musste noch mehr lachen. Die Klasse stimmte mit ein.
Ich hingegen saß gelassen auf meinem Stuhl. Was nötig war, war nunmal nötig.
Auch Mr Styles schien etwas verwirrt zu sein. Er zog die Augenbrauen zusammen und schielte seitlich zu mir.
„Was zum Teufel ...?", murmelte er leise und ich winkte ab.
„Das mit Stacy ist 'ne lange Geschichte", sagte ich zu ihm. „Aber sie ist ein kleines Biest."
Er nickte nur.

Trotz allem war ich froh, als wir endlich in die Pause entlassen wurden. Dank meinem verletzten Bein hatte man mir zwar erlaubt, im Klassenzimmer zu bleiben, aber ich wollte ungern nur mit Nia und Harry in einem Raum sein, falls meine Freundin auf die peinliche Idee käme, uns irgendwie miteinander versöhnen zu wollen.
„Was ging eigentlich bei Stacy ab?", wollte ich skeptisch wissen, nachdem wir uns an einen Tisch in der Mensa gesetzt hatten. „Ich dachte das Kind ist erst zehn oder elf. Da grenzt es ja schon fast an Pädophilie."
Nia musste schon wieder lachen.
„Ihr Blick, nachdem du aus dem Fenster gerufen hast, war einfach zu schön!", erklärte sie. „Und Mr Styles' What-The-Fuck-Blick dabei auch!"
Ich schmunzelte leicht, bis ich aus dem Augenwinkel etwas sah und innehielt.
Da war Stacy und schon wieder schlabberte sie ihren 'Freund' ab.
Ohne lange zu überlegen holte ich Luft.
„EKLIG!", rief ich ein zweites Mal an diesem Tag und genoss ihren Blick.
Das war genau die Ablenkung, die ich gebraucht hatte!

They Don't Know About Us || l.t. ; h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt