cincuenta y siete: Von der ganzen Welt gehasst

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G R E T A

„Hier bist du also", meinte ich zu Harry und stapfte am nächsten Tag wütend in sein Klassenzimmer, das glücklicherweise ansonsten leer war. Ich wollte nicht, dass sonst irgendwer unser Gespräch mitbekommt.
„Greta?", erwiderte er mit einem Lächeln, welches jedoch gefror, sobald er meinen Blick bemerkte, der ihn geradezu zu durchboren schien. „Was ist los?"
„Es bleibt unser Geheimnis", sagte ich stinksauer, „niemand soll davon erfahren. Selbst Nia nicht. Aber es ist dabei in Ordnung, dass du es Louis einfach so erzählst?!"
„Ich ...", er brach ab und fuhr sich verlegen durch die Haare, während ich einen vergessenen Rucksack achtlos zur Seite kickte.
„Ich habe es ihm erst vor ein paar Tagen gesagt", murmelte er schuldbewusst und ich verschränkte die Arme vor dem Oberkörper.
„Da bin ich aber beruhigt", antwortete ich sarkastisch. „Dann ist dir deine Stelle, meine Ausbildung und unser Ruf also erst seit ein paar Tagen nicht mehr wichtig. Wie aufbauend!"
„Natürlich ist mir das wichtig!", fuhr er mich verärgert an, „Aber mir ist auch die Freundschaft mit Louis wichtig!"
„Und es ist also in Ordnung, dass meine Freundschaft zerbricht, solange du deine retten kannst?", feuerte ich zurück. „Ganz ehrlich, ich hät-"
Ich brach ab, da sich die Tür öffnete. Nia trat mit dem Rücken zu mir und Harry gerichtet ein. Sie schien aufgebracht zu sein.
„... musst mir nicht überallhin folgen. Ich habe nur meinen Rucksack vergessen", fauchte sie jemanden an.
Verstohlen sah ich zu dem Rucksack, den ich eben weggekickt hatte. Es war ihrer.
„Du warst bei diesem seltsamen Referendar!"
Es war Louis, der dort redete.
„Ja", entgegnete meine Freundin.
Nein. Sie war nicht bei Max gewesen - jedenfalls noch nicht. „Denn du erzählst mir ja nicht einmal, dass meine beste Freundin mit deinem besten Freund zusammen ist!"
Sie drehte sich um, erblickte uns und blieb wie erstarrt stehen. Louis folgte ihr hastig in das Klassenzimmer und schloss hinter uns die Tür.
„Du hast es ihr gesagt!", brauste Harry sofort auf und ging auf den Blauäugigen zu. „Ich sagte dir doch, es ist ein Geheimnis!"
„Ich wusste ja nicht, dass das auch für ihre beste Freundin gilt!", versuchte sich sein Kollege zu verteidigen.
„Der liebe Harry hält nicht sehr viel von Privatsphäre", knurrte ich. „Jedenfalls in den letzten Tagen nicht mehr. Du hättest es ihm seit mehreren Wochen sagen können, was hat sich denn plötzlich so Gravierendes geändert, dass du es nicht mehr geheim halten konntest?"
Louis starrte seinen Kumpel mit großen Augen an.
„So lange schon? Warum hast du mir nicht früher davon erzählt?!"
„Die Frage ist eher", mischte Nia sich ein, „warum du mir gar nichts erzählt hast."
Sie warf mir einen anklagenden Blick zu. „Ich dachte, wir wären Freunde."
„Natürlich sind wir Freunde!", rief ich erschrocken aus, „Ich konnte es einfach nicht. Ich habe das Versprechen nämlich ernstgenommen!"
„Du hattest so oft eine Chance dazu", fuhr Nia fort, ohne auf mich einzugehen. Dann wandte sie sich an Louis. „Und du erzählst mir nichts davon, obwohl du es weißt?!"
„Ich dachte, du wüsstest es auch", entgegnete er aufgebracht. „Dir steht ja nicht auf der Stirn geschrieben, dass du keine Ahnung vom Liebesleben deiner Freundin hast! Und ich wusste es ja auch erst seit einigen Tagen."
Er funkelte Harry wütend an. Dieser zog den Kopf ein.
„Ich war -"
Er brach ab, da wir einen Schüssel in der Tür hörten. Wir alle starrten zur Tür. Es herrschte absolute Stille im Raum. Einige Sekunden später streckte die Putzfrau, die sich geweigert hatte, unser Zimmer sauberzumachen, den Kopf hinein. Sie starrte uns einige Sekunden lang erschrocken an, bis sie sich ganz einfach zurückzog, die Tür wieder schloss und verschwand. Noch einen weiteren Moment lang herrschte absolute Stille, dann fuhr Harry fort: „Ich war mir anfangs ja nicht einmal sicher, ob es was Ernstes ist! Greta hat so einen Witz gemacht, von wegen, dass ich gerade einfach nur interessant bin und nichts weiter ..."
„Das war kein Witz", sagte ich verwundert, „anfangs meinte ich das durchaus ernst."
„Was?!"
Er starrte mich fassungslos an.
„Ich habe einfach eine Theorie dazu aufgestellt, wieso ich mit dir zusammen sein wollte."
„Das heißt, du liebst mich nicht?", fragte er und schluckte schwer. Ich hasste es, ihn so zu sehen und verfluchte meine Worte.
„Anfangs -"
„Ich habe genug gehört", unterbrach Harry mich. „Ich weiß Bescheid. Scheinbar haben wir zwei verschiedene Vorstellungen von unserer Beziehung."
„Du warst immerhin derjenige, der es Louis gesagt hat!", erinnerte ich ihn.
„Ja, und dir war es scheinbar nicht mal wichtig genug, um es deiner Freundin mitzuteilen", konterte er. „Ich bin ja nur 'gerade interessant'."
„Oder vertraust du mir einfach nicht genug?", hakte Nia nach. Ich konnte ihr ansehen, wie verletzt sie war.
„Ich ...", begann ich, stockte dann jedoch und sah von Nia zu Harry. Egal was ich sagte, ich würde einen von beiden verletzen. Also entschloss ich mich dazu, den Streit in eine andere Richtung zu tragen.
„Hey, es war Louis, durch den das alles ausgelöst wurde!", lenkte ich also ab und deutete anklagend auf meinen Mathelehrer und Nias Freund. „Hätte er es nicht erwähnt -"
„Würdest du mich jetzt immer noch belügen", vollendete meine beste Freundin den Satz. „Wie beruhigend. Ich kapier's einfach nicht, Greta. Wie kannst du mir so etwas nicht sagen? Ich habe dir immer alles erzählt und das weißt du! Ich hatte nie Geheimnisse vor dir!"
„Harry hat es Louis auch erst vor ein paar Tagen erzählt, obwohl er viel öfter die Gelegenheit dazu gehabt hätte", versuchte ich den Spieß herumzudrehen.
„Wenigstens hat er es ihm überhaupt erzählt", brummte Nia verletzt. „Mir scheint hier ja niemand irgendwas anvertrauen zu wollen. Okay, ich hab's kapiert, ich bin scheinbar nicht sehr vertrauenswürdig. Aber ich hätte mir gewünscht, dass ihr mir wenigstens eine Chance gegeben hättet."
Damit wirbelte sie herum zur Tür.
„Nia", fing Louis an, doch sie drehte sich nicht noch einmal um.
„Ich will nichts mehr von dir hören, verstanden?", sagte sie zu ihm. „Es scheint dir ja nicht sehr wichtig zu sein, Informationen mit mir zu teilen."
„Dann geh doch zu Max und heul dich an seiner Schulter aus. Viel Spaß!", fauchte Louis und Nia sah ihn noch einen Moment verletzt an, ehe sie ohne ein weiteres Wort zu sagen, aus dem Raum lief.
„Vielen Dank auch, Greta", brummte Louis nun. „Wenn du es ihr gesagt hättest, wären wir nie in diese Lage gekommen!"
Den Tränen nah stand ich in der Mitte des Raumes und sah von ihm zu Harry.
„Jetzt ist es so oder so egal", meinte Letzterer schließlich, „ich bin nicht mehr so interessant wie am Anfang. Wir können es also gleich hier und jetzt beenden, bevor dir noch langweilig wird, Greta."
Verdattert sah ich ihn an.
„Harry, ich ..."
„Ich will es nicht wissen", sagte er. „Geh und streite mit Nia darum, wer von euch sich an Max' Schulter ausheulen darf, mit dem hast du doch sicher auch was am laufen!"
Einen Moment lang war es absolut still.
„So denkst du also von mir?", meinte ich mit einem Kloß im Hals. „Mit jemandem, der das von seiner Freundin erwartet, will ich auch gar nicht zusammen sein."
Und damit wirbelte ich herum und verließ ebenfalls das Klassenzimmer.

They Don't Know About Us || l.t. ; h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt