G R E T A
An der Tafel im Deutschunterricht war ein riesiges Bild einer alten Frau zu sehen, die uns mit ihrem zahnlosen Mund angrinste.
„Wer kann mir sagen, was man auf diesem Bild sieht?", fragte Mr Styles währenddessen die Klasse.
„Eine Hexe", grummelte ich leise. An seinem bösen Blick erkannte ich, dass er mich garantiert gehört hatte.
„Ich mag keine alten Menschen!", versuchte ich mich zu erklären. „Es kann ja nicht jeder so ein Schleimer wie Nat sein!"
„Wo bin ich denn ein Schleimer?", protestierte dieser empört.
„Bei Oma zum Beispiel", antwortete ich ihm. „Du erbst doch garantiert irgendwann das ganze Haus und ihr Geld noch dazu, so wie du immer um sie herumrennst und eine Schleimspur vor ihr verteilst. Pass auf, dass sie nicht mal darauf ausrutscht, sonst ist es aus mit dem großen Erbe!"
„Das reicht jetzt!", unterbrach Mr Styles uns streng. „Eure Großmutter scheint jedenfalls keine arme Frau zu sein - das ist nämlich genau das Thema, um das es heute geht: Altersarmut."
Die gesamte Klasse stöhnte entsetzt auf.
„Was ist denn mit euch los?", wollte unser Lehrer verwirrt wissen und ich zuckte mit den Achseln.
„Hier mag anscheinend keiner - mit Ausnahme von Nat - alte Leute."
Der Lockenschopf fuhr sich durch die Haare.
„Es kann doch nicht sein, dass ihr hier alle keine älteren Personen mögt!"
„Doch", gab ich trocken zurück.
Unser Lehrer schüttelte den Kopf.
„Gut. Dann machen wir demnächst einen Ausflug zu einem Altenheim, damit ihr lernen könnt, dass auch alte Menschen sehr freundlich sein können."
Noch ein einstimmiges Stöhnen der Klasse, doch dieses Mal hielt ich mich mit einem bissigen Kommentar zurück. Ich war Mr Styles mittlerweile so viel schuldig, dass ich das einfach nicht mit meinem Gewissen vereinbaren konnte.
Der Lockenschopf hatte wohl auch bemerkt, dass ich ruhig geblieben war, denn er bedachte mich mit einem triumphierenden Lächeln, woraufhin ich grummelnd die Augen verdrehte. Na super, jetzt würden wir also in eine Abstellhalle für Leute über dem Haltbarkeitsdatum fahren.„Haben Sie die Mathearbeit dabei?", fragten Nia und ich Mr Tomlinson am Tag danach gleichzeitig und sahen erwartungsvoll auf die braune Tasche, die er in der Hand hatte. Ich hatte ein sowas von gutes Gefühl bei dieser Arbeit und das alles nur wegen Mr Styles!
„In der Tat, das habe ich", meinte er überrascht und holte die Hefte hervor.
Dann wandte er sich zur Tafel, um in aller Ruhe aufzuschreiben, dass es insgesamt zwei As gab, woraufhin meine Konzentration nachließ. Ich war mir sicher, dass ich eins davon haben würde.
Als er schließlich fertig war, teilte er die Hefte ganz gemächlich aus. Meins war eines der ersten.
„Ich hab's gewusst!", triumphierte ich und riss freudig die Hände in die Höhe, als ich das rote A auf meiner Arbeit sah. „Ich liebe Mr Styles!"
Mr Tomlinson drehte sich auf dem Absatz zu mir um und musterte mich mit zusammengekniffenen Augen.
„Der Mann bringt mir scheinbar Glück", meinte ich achselzuckend, was unseren Lehrer scheinbar beruhigte, denn er fuhr mit dem Austeilen fort.
„Da steht was dabei!", fiel Nat auf und er deutete auf die Schrift darunter.
„Vorlesen, vorlesen!", feuerte mich die gesamte Klasse an und ich räusperte mich.
„Sehr schöne Arbeit", las ich vor. „Vor allem ab Aufgabe zwei sehr gelungen."
Ab da hatte ich ja auch Mr Styles und das gesamte Internet an meiner Seite gehabt.
„Wie kommt es zu so einem überraschend guten Ergebnis?"
Ich sah Mr Tomlinson beleidigt an.
„Was soll das denn jetzt heißen? Glauben Sie etwa, ich könne sowas nicht?"
Mein Lehrer gab mir keine Antwort -keine Antwort ist auch eine Antwort - und überreichte Nia das letzte Heft, um sich dann seitlich auf das Pult zu setzen.
„Hah!", rief meine Freundin aus und sah auf meine Arbeit, „Ich hab' 'nen halben Punkt mehr als du!"
Empört sah ich von ihrer zu meiner Arbeit. Selbst mit Google war Nia schlauer als ich. Frustrierend.
Dann jedoch lenkte ich meine Aufmerksamkeit auf etwas anderes.
„Vorlesen!", kommandierte ich, als ich auf ihr Blatt sah und Nia räusperte sich ebenfalls.
Mr Tomlinson, der zuvor die Beine hatte baumeln lassen, war nun erstarrt und sah sie ängstlich an. Hatte er sie so sehr gelobt?
„Ja, lass uns an den geheimen Botschaften von Mr Tomlinson an dich teilhaben!", meinte nun auch Nat.
Unser Lehrer war währenddessen bleich geworden.
„Wie zu erwarten eine fantastische Leistung, Nia", las meine Freundin vor. „Du hast die beste Arbeit der Klasse."
Sie sah noch kurz auf ihr Blatt, stoppte dann und sah auf, während wir anderen enttäuscht grummelten.
„Streber", brummte Nat. „Und ich dachte, da wären jetzt noch irgendwelche Nachrichten von Mr Tomlinson an dich."
Besagter Lehrer hatte wieder ein bisschen mehr Farbe ins Gesicht bekommen.
„Jetzt ist aber mal genug gequatscht. Wir haben nur noch fünf Minuten - ihr könnt in die Pause gehen."
Jubelnd sprang die Klasse auf und rannte hinaus, auch Nia und ich waren unter den Leuten und verließen den Raum.
Meine Freundin blieb allerdings nach einigen Metern stehen, sah mich an und fasste mich an den Schultern.
„Greta", sagte sie leise, „kann ich dir nach der Sache mit dem Tagebuchschlüssel nochmal vertrauen? Wirst du ein Geheimnis für dich behalten können?"
Ich zog eine Augenbraue hoch.
„Gott, das ist ja ewig her!", lachte ich. „Natürlich!"
Sie drückte meine Schultern noch fester.
„Das was ich vorgelesen habe ... das war nicht alles."
„Okay?", erwiderte ich, unsicher darüber, was nun folgen würde.
Die Grauhaarige sah sich verstohlen um.
„Mr Tomlinson hat geschrieben, ich soll morgen um fünf zu seinem Zimmer kommen!", quiekte sie schließlich aufgeregt und hüpfte auf der Stelle auf und ab. „Er hat sogar mit 'Louis' unterschrieben!"
„Du hast ein Date", stellte ich trocken fest.
Sie sah mich mit funkelnden Augen an.
„Meine kleine Nia wird erwachsen ..."
Ich freute mich wirklich für sie, immerhin schwärmte sie schon lange für unseren jungen Mathelehrer. Allerdings wollte ich mir gar nicht ausmalen, wie enttäuscht sie sein würde, wenn es sich bei dem Treffen doch nur um ein Notengespräch handelte ...
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They Don't Know About Us || l.t. ; h.s. ✓
Fanfiction❝ One touch and I was a believer. ❞ ©2018, neliery und Moenqueen „Weißt du was? Wir werden die alten Damen sein, die im Altenheim Ärger machen." ~ Greta zu Nia ***** Etwas Verbotenes zu tun, hat immer einen bestimmten Reiz, vor allem für die beiden...