sesenta y tres: Du Depp

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G R E T A

„Was willst du von mir hören, Harry?", unterbrach ich die Stille irgendwann und sah ihn herausfordernd an. „Ich habe dir schon mehrmals gesagt, dass ich anfangs ein Idiot war, sich meine Gefühle zu dir mittlerweile geändert haben und du dir wegen Max keine Gedanken machen sollst. Wie soll ich mich denn bitte noch entschuldigen?"
Er sah mich lange an, sagte aber nichts darauf. Dass Louis und Nia mit im Raum waren, machte die Situation nicht unbedingt besser, denn, obwohl sie unsere jeweiligen besten Freunde waren, fand ich, dass es eigentlich eine Angelegenheit war, mit der sie nichts zu tun hatten und die sie auch nichts anging, aber anders konnte ich Harry wohl nicht dazu bringen, mir zuzuhören. Allerdings wusste ich nicht ganz, ob ich Nia für ihre Idee, sich hier, wo alles angefangen hatte, auszusprechen, hassen oder lieben sollte.
Da Harry sich immer noch nicht dazu geäußert hatte, wandte ich mich zu Louis.
„Und was genau ist eigentlich euer Problem?"
„Tja, Max, so wie es aussieht", antwortete meine Freundin an seiner Stelle. „Louis will nicht einsehen, dass da nichts läuft. Ungefähr so wie Harry also."
„Leute, glaubt ihr also ernsthaft, dass sich unser neuer Referendar zwei Schülerinnen auf einmal klärt?", hakte ich mit hochgezogener Augenbraue nach. „Das halte ich doch für sehr unwahrscheinlich. Also kann mindestens einer von euch gar nicht Recht haben. Und ich finde, ihr solltet uns auch mal ein bisschen vertrauen!"
Es war schließlich Louis, der das Schweigen brach, während Harry noch immer stumm zu Boden starrte.
„Wie soll ich Nia denn glauben, dass da nichts läuft, wenn sie selbst zugegeben hat, dass sie in ihn verliebt war?", rief er dann verzweifelt und wütend zugleich aus.
„Gott, das ist Jahre her! Du kannst mir doch auch nicht sagen, dass du vor mir noch nie in jemanden verschossen warst!"
Die beiden lieferten sich ein Blickduell.
„Leute!", rief ich und hob die Hände. „Sagt mir doch jetzt bitte nicht, dass wir uns die ganze Zeit nur noch wegen einem neuen Referendar streiten! Ich meine, wir verbringen unsere Zeit ja auch mit Nat und Ash, aber das scheint für euch ja auch okay zu sein!"
„Und bei Ash ist es sogar sicher, dass er auf dich steht, Greta", brummte meine Freundin noch.
„Das ist was anderes", erklärte Louis. „Max sieht gut aus und ist wohl auch interessanter, da er Lehrer ist."
Bei den letzten Worten warf er mir einen bedeutenden Blick zu und ich verdrehte die Augen. Wurde ich das denn niemals wieder los?
„Greta, können wir reden?", unterbrach uns Harry plötzlich und richtete seine grünen Augen auf mich. Ich schluckte.
„Allein?", fügte er dann noch hinzu und sah auf Louis und Nia. Zögerlich nickte ich, woraufhin er zur Tür ging, sie öffnete und für mich auf hielt. Über die Schulter hinweg warf ich meiner besten Freundin einen hilflosen Blick zu, doch dann folgte ich Harry zu einem anderen leerstehenden Klassenraum. Dort setzte ich mich auf einen Tisch und sah ihn mit verschränkten Armen misstrauisch an.
Er räusperte sich, bevor er sich unsicher vor mich stellte und sich auf die Lippe biss.
„Hör zu", meinte er leise und wich meinem Blick aus.
„Du ... hast mich mit deinen Worten ziemlich verletzt. Du weißt, was ich für dich empfinde und du wusstest es auch schon, als unsere Beziehung begonnen hat. Und um ganz ehrlich zu sein, habe ich mich ziemlich ausgenutzt gefühlt."
Ich holte tief Luft, um etwas zu sagen, doch er ließ mich nicht zu Worte kommen.
„Aber dann hast du gesagt, dass sich deine Gefühle mittlerweile geändert haben."
„Das haben sie", bestätigte ich entschlossen und er sah mich lange an.
„Und ich habe beschlossen, dir zu vertrauen", sagte er dann und ich hielt die Luft an.
„Aber ... zwischen Max und dir war wirklich nichts, oder?"
Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht, als ich aufsprang und ihm so stürmisch um den Hals fiel, dass er einige Schritte nach hinten taumelte.
„Du Depp", murmelte ich leise, „natürlich nicht!"
Und damit drückte ich meine Lippen auf seine. Er erwiderte den Kuss, ebenfalls mit einem Lächeln und hob mich hoch, um mich fest an ihn zu drücken.
„Ich habe dich vermisst, Greta", flüsterte er leise.
„Und ich dich erst", wisperte ich zurück.
In diesem Moment öffnete sich die Tür und mir sackte das Herz in die Hose, doch es war nur Louis, der eintrat und uns mit einem traurigen Lächeln auf dem Gesicht ansah.
„Ach, hier seid ihr", murmelte er und ging zum Pult, um dort nach irgendetwas zu suchen.
„Wie ich sehe, ist wohl alles geklärt", merkte er dann an, da ich mich immer noch um Harry klammerte, welcher mich nach wie vor hochgehoben hatte.
„Sie hat mich Depp genannt!", klagte Harry scherzhaft und Louis schüttelte den Kopf.
„Ach Harry. Es gibt Momente, da sagen Frauen nicht 'Ich liebe dich'. Sie schauen dich an und sagen nur lächelnd 'Du Depp!'. Das bedeutet aber das Gleiche."
Er hatte scheinbar gefunden, wonach er gesucht hatte, denn er sah uns noch einen Moment lang mit einem halb belustigten, halb traurigen Blick an und verschwand dann wieder schnell nach draußen auf den Flur.
„Und", murmelte Harry und lehnte seine Stirn gegen meine, „stimmt es? Liebst du mich?"
Ich musste kichern und sah ihm in seine wunderschönen, grünen Augen, bevor ich mit meiner Hand sanft über seine Wange strich.
„Ja", antwortete ich, „es stimmt. Ich liebe dich."
Er lachte glücklich, was für mich das schönste Geräusch auf der ganzen Welt war und gab mir einen flüchtigen Kuss.
„Das ist gut", meinte er dann, „ich liebe dich nämlich auch."

They Don't Know About Us || l.t. ; h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt