sesenta y cuatro: Eine unglückliche Taktik

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N I A

„Du glaubst mir also wirklich nicht, dass zwischen Max und mir nichts läuft?", fragte ich erneut nach und der Blauäugige blickte stumm zu mir. Er hatte sich an den Pult gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt und die Füße leicht versetzt.
Enttäuscht schüttelte ich den Kopf und steuerte auf die Tür zu, doch Louis stieß sich ab, kam schnellen Schrittes auf mich zu und versperrte mir den Weg.
„Lass uns reden", meinte er überraschenderweise und nun war ich es, die die Arme verschränkte.
„Ach", begann ich, „jetzt willst du reden?"
Seine Mimik blieb unverändert, bis ich augenverdrehend die Arme fallen ließ und wieder ein paar Schritte zurück ging.
„Bitte", sprach ich und streckte die Arme von meinem Körper. „Ich bin hier."
Er verdrehte die Augen, als er meine Worte, die ich gezielt von ihm übernommen hatte, hörte und lief ebenso ein wenig auf mich zu.
„Worüber streiten wir hier eigentlich?", fragte er dann, während er kurz vor mir zum Stehen kam.
„Darüber, dass du mir augenscheinlich nicht vertraust", antwortete ich monoton, was einen Mundwinkel von ihm zum Zucken brachte.
Ich versuchte, unbemerkt ein wenig zurückzuweichen, doch er registrierte es und schloss direkt wieder auf.
„Ich vertraue dir, Nia", stellte er klar und legte den Kopf etwas schief. „Aber wenn ich meinem besten Freund ein Versprechen gebe, halte ich mich auch daran."
Ich senkte den Blick, um ihn nicht in die wunderschönen Augen schauen zu müssen. Was war denn auf einmal los? War er nicht gerade noch sauer auf mich gewesen?
„Was Max angeht", fuhr er fort, weshalb ich aufmerksam den Kopf hob. „Ich vertraue dir genug, als dass ich dich nicht in seine Nähe lassen würde-"
„Wozu du im übrigen auch gar kein Recht hast", warf ich kalt ein, doch der Blauäugige ging darauf gar nicht ein.
„Aber", sprach er weiter, „ich vertraue ihm nicht genug."
Unsere Blick begegneten sich für einen Moment, bis ich meine Augen wieder abwandte und zielstrebig auf einen bestimmten Punkt zuhielt, der gar nicht existierte.
Ich verstand nicht worauf er hinauswollte.
„Was soll das jetzt?", meinte ich also aufgebracht und drehte mich zu ihm.
Seine plötzliche Stimmungsschwankung verwirrte mich total.
Er zog überrascht die Stirn in Falten, blieb aber glücklicherweise da, wo er war.
„Ich wollte-"
„Du hast mehr als deutlich gemacht, dass ich dir egal bin", unterbrach ich ihn, wodurch er für einen Moment geschockt wirkte -, aber das hatte ich mir wahrscheinlich nur eingebildet.
„Du hast es nicht gesagt, aber deine Augen haben es ausgestrahlt und das ist das Schlimmste an der ganzen Situation. Du verletzt mich und zwar die ganze Zeit. Du verletzt mich damit, dass du nicht mit mir redest und du verletzt mich damit, wie du mit mir redest. Die Gleichgültigkeit, die in jedem deiner Worte mitschwang, war jedesmal ein Pfeil direkt ins Herz."
Ich blinzelte ein paar Mal, um nicht die Fassung zu verlieren.
War - ich hatte bewusst in der Vergangenheit gesprochen, da er heute anders zu mir war. Ich wusste nur nicht, woher der Wind so plötzlich wehte.
„Nia, du bist mir nicht egal!", sagte der Ältere aufgebracht und stürmte ein paar Schritte in meine Richtung. Mein Blick reichte wohl, um ihm zu zeigen, dass ich ihm nicht glaubte, denn er dachte kurz nach, bevor er sich umdrehte und aus dem Raum verschwand.
Geschockt blieb ich allein in dem Klassenzimmer zurück.
War das jetzt sein Ernst?
Seine Taktik mir zu zeigen, dass ich ihm etwas bedeutete, bestand darin, dass er einfach ... ging? Die war nicht wirklich erfolgsversprechend.
Nach ein paar Minuten hatte ich mich soweit wieder gefangen, dass ich gerade ebenfalls das Zimmer verlassen wollte, als Louis fast in mich stürzte und uns beide wieder umständlich zurück in den Raum bugsierte.
Triumphierend hielt er einen kleinen Zettel in der Hand, bevor er ihn mir leicht nach Luft schnappend entgegenstreckte.
Verblüfft nahm ich ihn in die Hand und entfaltete das Papier, ehe ich sprachlos zu dem Lehrer blickte.

01001010 01100001

Den Rest, der dadrüber in Gretas unordentlicher Handschrift geschrieben worden war, musste ich gar nicht lesen, um zu verstehen, was das hier für ein Zettel war.
Hätte ich damals gewusst, wie wichtig diese Zahlen noch sein würden, hätte ich mir ein bisschen mehr Mühe gegeben, als ich sie niederschrieb.
„Du bist mir nicht egal, sonst hätte ich den Zettel doch schon längst weggeschmissen!", ergriff der Braunhaarige wieder das Wort und sah mich nachdrücklich an.
„Und ich möchte auch nicht, dass du denkst, du seist es", sprach er weiter und griff unerwartet nach meiner freien Hand, weshalb ich vor Schreck etwas zusammenzuckte, allerdings verstand er dies anscheinend falsch, denn sein Blick wurde schlagartig traurig.
„Du ...", setzte er wieder an, nun jedoch deutlich unsicher, als davor, „du bist der Wahnsinn."
Er blickte mich nicht an, als diese Wort seinen Mund verließen und trotzdem spürte ich, wie ernst er sie meinte.
„Du weißt ja gar nicht, wie weh es tut, wenn ich nicht mit dir rede oder nicht in deiner Nähe bin. Auch wenn du es nicht gemerkt hast, in Physik, als du und Greta früher da waren - das habe ich so genossen."
Ich schluckte einmal, während ich seinen Blick einfing.
„Warum warst du dann so abweisend?", stellte ich ihm endlich die Frage, die mich schon die ganzen letzten Tage lang beschäftigte, aber er zuckte nur planlos mit den Schultern, während er leise und unsicher lachte.
„Stolz?", vermutete er dann. „Es hat mich selber verletzt, jedes Mal, wenn du aufgrund meines Verhaltens gegangen bist, aber du hast überreagiert und ich war angepisst und die Sache mit Max hat mich auch noch beschäftigt."
Wieder begegneten sich unsere stillen Blicke für einen Moment.
„Ich brauchte einfach Zeit zum Nachdenken", meinte er abschließend und sah mich durchdringend an.
Mit Schmerzen in der Brust entzog ich ihm meine Hand und umgriff die Türklinke.
„Die brauche ich jetzt auch", sprach ich, während ich sie hinunterdrückte und aus der Tür trat.
„Aber Louis", wandte ich mich nochmals an ihn und der Angesprochene drehte seinen Kopf langsam von der Stelle, an der ich eben noch stand, zu mir, um mich mit einem so traurigen Blick zu beäugen, dass ich meine Entscheidung fast nochmal über Bord geworfen hätte.
„Danke", sagte ich ehrlich und lächelte ihm kurz zu, bevor ich die Tür hinter mir ins Schloss zog und einmal kräftig durchatmete, während mir eine vereinzelte Träne über die Wange lief, welche ich lächelnd wegwischte.
Alles war gerade dabei, irgendwann wieder gut zu werden.

They Don't Know About Us || l.t. ; h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt