noventa y cuatro: Verzeih mir

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N I A

Still saßen Louis und ich in seinem Auto nebeneinander und fuhren zurück zum Internat.

Ein bisschen bedauerte ich zwar meine £2, die ich zusätzlich für eine Tageskarte anstelle einer Einzelfahrt ausgegeben hatte, aber ich konnte Louis auch schlecht sagen, dass der einzige Grund, warum ich nicht mit ihm mitfahren wollte, mein aus dem Fenster geschmissenes, hart erkämpftes Geld war. Das wäre nicht gut gekommen.

Der Braunhaarige rechts neben mir schaltete das Radio an, um die Stille, die gerade zwischen uns herrschte, zu überspielen. Ich war ihm zwar unendlich dankbar, allerdings wusste ich jetzt nun mal überhaupt nicht mehr, wie ich mit ihm umgehen sollte. Einfach alles vergessen, konnte ich nicht – das würde ich wahrscheinlich nie können –, aber ihn einfach weiterhin zu ignorieren, kam mir auch falsch vor.

Plötzlich vibrierte mein Handy und ich kugelte mit den Augen, da ich dachte, dass Greta mir geschrieben hatte, allerdings war es nicht meine Freundin, sondern mein Vater, der mir eine Nachricht geschickt hatte.

Ich bemerkte, wie Louis mir einen kurzen Blick aus dem Augenwinkel zuwarf und nachdem ich die Nachricht meines Vaters gelesen hatte, konnte ich nicht anders, als auch zu ihm zu blicken.

„Ich vermisse dich jetzt schon und freue mich auf ein baldiges Wiedersehen. Ich hab dich lieb, mein Schatz.

P.S.: Ich weiß nicht, was zwischen Louis und dir vorgefallen ist, aber als dein Vater muss ich dir sagen: Er ist ein guter Mann. Er tut dir sicherlich gut."

Louis sah nicht zu mir, er konzentrierte sich auf die Straße, aber ich bekam die Worte meines Vaters nicht mehr aus dem Kopf. Wie gebannt starrte ich auf meinen Lehrer, welcher nun doch kurz seinen Kopf zu mir drehte und mich anlächelte, ehe er wieder nach vorne sah.

Ich merkte, wie ich immer trauriger wurde und das Lied, das gerade im Radio spielte – nämlich Naked von James Arthur –, machte es auch nicht gerade besser. Kämpfend versuchte ich, nicht zu weinen anzufangen, aber meine Augen brennten zu sehr, als dass ich hätte gewinnen können. Ruckartig drehte ich meinen Kopf also nach links, was mein Begleiter natürlich mitbekam. Ich merkte, dass sein Blick auf mir haftete, doch ich wollte mich nicht erklären müssen.

Mit einem Mal riss Louis das Steuer nach links und fuhr ein bisschen auf die Wiese, die sich noch weit erstreckte. Wir blieben stehen.

„Was ist los, Nia?", richtete er sich nun an mich, doch mein Blick war noch immer stur auf die Landschaft fokussiert. Er griff nach meiner Hand, was mich dazu veranlasste, mir mit der anderen über das Gesicht zu streichen und meinen Kopf zu ihm zu drehen. Sanft strich mir mein Gegenüber über die Wange.

„Es tut mir leid", sagte er leise und sah mir direkt in die Augen, „es tut mir leid, dass ich alles zwischen uns zerstört habe."

Abwartend sah er mich an, aber ich blieb still, weswegen Louis sich nach ein paar Sekunden etwas zu mir beugte.

„Verzeih mir", bat er, während ich seinen Atem bereits auf meinem Gesicht spüren konnte.

Allerdings konnte ich noch klar genug denken, um auf meinen Kopf zu hören, weshalb aus meinem Mund nur ein leises 'Nein' kam.

Kurzzeitig sah er mich einfach nur an, dann jedoch kam er noch ein Stück näher, stupste mit seiner Nase gegen meine Wange und wich anschließend nur ein paar Millimeter nach hinten.

„Verzeih mir", flüsterte er erneut und meine Augen wanderten langsam von seinen blauen Augen zu seinen weichen Lippen, die nur ein paar Zentimeter von meinen entfernt waren.

Und plötzlich konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Ich konnte nicht mehr klar denken, warf alle Zweifel aus meinem Kopf, legte meine Arme um seinen Nacken und zog ihn zu mir. Unsere Lippen trafen aufeinander und schlagartig spürte ich wieder das Kribbeln in mir, das ich seit Wochen vermisst hatte.

Louis' Hände versuchten, mich noch näher zu ihm zu ziehen, allerdings hielt ihn der Sicherheitsgurt davon ab, weshalb wir uns kurz voneinander lösten. Grinsend befreite ich mich von dem Gurt, was der Braunhaarige mir lachend gleichtat.

Als ich wieder zu ihm blickte, sah er mich lächelnd an und ich hob meine Hand, nur um ihm sanft über sein Gesicht fahren zu können. Über seine hohen Wangenknochen, die sein Gesicht so markant und hübsch machten. Über die leichten Bartstoppeln, die seit unserer ersten Begegnung aber schon deutlich länger geworden waren und über die zarten Lippen, die wegen unseres Kusses etwas gerötet waren.

Er beobachtete mich still dabei, bis er sich wieder nach vorne beugte und seine Lippen erneut auf meine legte. Mit meinen Händen fuhr ich von seinem Hals abwärts zu seiner Brust, wobei ich durch den dünnen T-Shirtstoff deutlich seinen erhöhten Herzschlag fühlen konnte. Er ging so schnell, dass ich fast Angst hatte, er würde gleich in Ohnmacht fallen, weshalb ich meinen Kopf etwas zurückzog. Allerdings ließ Louis mich gar nicht erst zu Wort kommen, sondern lehnte seine Stirn gegen meine. Unsere Augen waren nur Zentimeter entfernt und ich hatte das Gefühl, ihm direkt in seine Seele blicken zu können.

„Ich liebe dich", flüsterte er, schloss danach kurz die Augen und lachte in sich hinein. „Verdammt, das wollte ich dir schon so lange sagen."

„Ich ...", begann ich und sah kurz darauf wieder Louis' blauen Augen vor mir.

„Sag es jetzt nicht", meinte er lächelnd und strich mir erneut über die Wange. „Wir haben ewig Zeit und im Moment reicht es mir völlig, wenn du einfach nur bei mir bist."

Auch meine Mundwinkel bewegten sich bei seinen Worten nach oben und ich legte meine Lippen wieder auf seine.

Und mit jedem Mal versuchte ich, all die Liebe für ihn, die ich momentan noch nicht in Worte fassen konnte, in unsere Küsse zu stecken.

Ich wollte ihn sie wenigstens fühlen lassen.

They Don't Know About Us || l.t. ; h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt