Kapitel 47

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Unsere Lehrerin rief immer zwei von uns nach vorne und diese führten dann ihr Interview vor. So ganz Interview würde ich selbst das eigentlich weniger nennen, aber wenn Frau Schneider das so meinte.

Was sich da vorne abspielte, konnte man wirklich als belanglos bezeichnen. Man merkte auch, dass sich keiner Mühe gab. Jeder ratterte das runter, was er aufgeschrieben hatte. Was sind deine Hobbies? Und deine? Was ist dein Lieblingsessen? Und deins?
Genauer auf irgendwas eingehen, tut auch keiner. Interesse bestand da ja total.
Aber was sollte ich auch erwarten? Auf diese Weise war das auch echt langweilig.

Dann kam auch schon der Zeitpunkt, wo Frau Schneider Magnus und mich nach vorne bat. Wir setzten uns auf die dort vorbereiteten Stühle und begannen.
Ich war etwas nervös. Immerhin wusste ich nicht, wie die anderen das auffassen würden, was wir vorbereitet hatten. Schließlich war das ja ziemlich speziell. Und nicht ansatzweise das gleiche wie das von anderen.

Ich konnte Alex schon wieder kichern hören.
"Na darauf bin ich ja gespannt. Was für kranke Sachen uns die beiden verraten würden. Magnus scheint ja ziemlich dunkle Geheimnisse zu haben."
Ich versuchte seine dummen Sprüche zu ignorieren und konzentrierte mich auf das wichtige.

"Wie stehst du zum Thema Sexualität?", las ich die erste Frage vor. Jeder, der sich vorher noch desinteressiert mit anderen unterhalten oder abwesend an die Wand gestarrt hatte, schenkte uns plötzlich seine Aufmerksamkeit. Selbst Alex lachen verstummte.
Magnus schaute kurz auf seine Notizen, dann begann er zu sprechen.
"Ich finde, dass man heutzutage immernoch zu schlecht aufgeklärt ist. Ständig verwendet jemand zum Beispiel Homosexualität als negativen Begriff und wenn man dafür gehalten wird, wehrt man sich so sehr dagegen. Ebenso ist es leider so, dass für viele nichts anderes als hetero und Homo existiert. Sowas wie bi oder pan kennen viele gar nicht. Oder Trans. Und wenn man das ist, wird man gleich verurteilt."
Er sah kurz zu Alex.
"Stimmt.", meinte ich. "Wenn man nicht hetero ist, wird man von manchen nicht als normal angesehen. Viele finden das ekelhaft. Und Aufklärung ist da auch irgendwie kaum vorhanden. Vorallem bei Kinderserien, die einen früh prägen, wird sowas nie dargestellt. Mehr als Liebe zwischen Mann und Frau gibt's da nicht."

"Gleichzeitig gibt es Menschen, die einen für homosexuell halten, weil man sich irgendwie nicht nach ihren Vorstellungen benimmt.", machte Magnus weiter. "Als Junge Makeup verwenden oder als Mädchen sich die Haare kurz schneiden. Wenn man das tut, war man nicht normal und damit schwul oder lesbisch. Das bringt mich zur nächsten Frage. Wurdest du wegen sowas oder ähnlichen mal verurteilt?"

Ich atmete tief durch. Auf einmal war es gar nicht mehr so einfach, zu sprechen. Das lag wohl daran, dass ich jetzt mit persönlichen Ereignissen konfrontiert wurde. Und das, während die Person, die mich am meisten verurteilte, dabei war.
"Ja, das wurde ich.", brachte ich nun doch heraus.
"Ziemlich häufig. Ich bin ziemlich sensibel und interessiere verhalte mich auch sonst nicht nach dem Stereotyp Junge. Dafür wurde ich öfter mal beleidigt oder sogar geschlagen."

Nachdenklich sah Magnus an die Decke. Es lag eine unangenehme Stille im Raum. Mein Atem beschleunigte sich. Aber ich versuchte mich wieder zu beruhigen.
"Früher ging es mir genauso. Ich wurde für alles verurteilt. Das ist eines der Gründe, wieso ich das Vertrauen in viele Menschen verloren hatte. Und mich lieber vor ihnen verbarg."
Damit überraschte Magnus sogar mich. Diese Ehrlichkeit hätte ich nicht erwartet. Man merkte, dass er das ernst meinte.
"Merkst du selber, dass du manchmal Vorurteile gegen jemanden hast?" Mit dieser Frage versuchte ich meine Ungewissheit zu überspielen. Ich fühlte mich unwohl. Gleichzeitig tat es irgendwie gut, endlich mal darüber zu reden. Auch wenn ich die Klasse längst ausgeblendet hatte.

"Ja, leider habe ich teilweise selbst Vorurteile. Wenn jemand wie einer wirkt, der mir unsympathisch ist, lerne ich ihn ungern kennen. Wenn jemand potentiell andere einfach verurteilt, verurteile ich ihn selbst dafür. Das ist zwar komplett bescheuert, quasi aber wie ein Abwehrmechanismus gegen gewissen Menschen. Die wenigsten scheinen wirklich offen zu Menschen und ihrer Art zu sein."
Er sah zu Boden und rieb sich mit einer Hand die Augen. Wischte Er sich etwa Tränen weg? Stand er etwa davor, zu weinen?
"Ja, dass geht mir genauso. Aber meistens sorgte das nicht dafür, dass ich mich nicht auf diese Personen einlasse."
Ich lächelte dem Blonden unsicher zu.
Doch dieser schüttelte nur den Kopf.
"Nein, dass kann ich nicht."
Das sagte er ziemlich leise. Dann stand er auf.
"So, wie sind fertig."
Damit machte er sich wieder auf dem Weg zu seinen Platz. Etwas verwirrt schaute ich ihm hinterher, bis ich mich selbst an meinen Platz begab.

Im Klassenzimmer blieb es still. Scheinbar berührte unser Interview die Klasse etwas. Sie wurden nachdenklich.
Meine Freunde nickten mir anerkennend zu.
"Wow, das war echt heftig." Nathan klang bewundernd.
Ich musste lächeln. Es machte mich stolz. Gleichzeitig fühlte ich mich irgendwie komisch.
Ich schaute zu Magnus. Dieser saß wieder gelangweilt da und krizelte in seinem Block herum. So wie immer. Als wäre nichts passiert.
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(833 Wörter)
So, das war jetzt ein bisschen ernster. Naja, für mich auf jeden Fall. Und das war auch irgendwie auch das, was ich manchmal dachte. Also repräsentieren Magnus und Jake teilweise mich selbst. Aber nur halbwegs. Nicht so extrem. Eher das was ich dachte. Nicht was ich erlebte. Ähm ja, zuviel des philosophierens. Oder wie das heißt. Egal. Ich hoffe, dass Kapitel war nicht zu langweilig, weil da ja viele Dialoge waren. Joa, also würde ich sagen, wir sehen uns vielleicht irgendwann wieder. Noch einen schönen was auch immer und joa. Bye 🤗

Von Träumen zur Realität #catalyst500Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt