Kapitel 78

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Mir war übel als ich zurück lief.
Noch mehr als zuvor. Ich kann sowas Magnus doch nicht antun. Aber wenn ich mich weigere...

Meine Beine zitterten, als ich durch die Tür ging. Ich musste mich an der Kommode festhalten.
Der Raum begann sich zu drehen. Das kann doch nicht...
Ich wollte halt suchen, doch landete ich unsanft auf dem Boden. Zumindest glaubte ich das. Vielleicht knallte ich auch an die Decke. Oben und unten verschwamm vollständig.
Mein Herz pochte wild und es schmerzte. Mein Atem ging unregelmäßig.
Scheiße.
Hatte ich jetzt einen Herzinfarkt?
Ich wollte schreien. Doch ich brachte keinen Ton raus.

Jeden Moment würde ich das Bewusstsein verlieren. Oder sterben. Da war ich sicher. Ich kämpfte nicht mehr dagegen an. So schmerzhaft es war, ich schloss einfach die Augen und hoffte darauf, dass es einfach gleich vorbei war.

Das war es auch irgendwann. Ohne das ich ohnmächtig wurde. Was genau passierte wusste ich nicht. Ich verlor das Gefühl eines festen Untergrunds unter den Füßen. Hörte Stimmen. Und dann lag ich auf etwas weichem.

Als ich die Augen öffnete, sah ich in Stefans besorgten Gesicht.
"Jake, bist du bei mir? Hörst du mich?"
Ich nickte langsam.
"Du musst tief durchatmen, okay? Ruhig. Es wird alles gut."
Ich hatte nicht die Kraft, zu widersprechen.
Doch es war auch nicht einfach, tief zu atmen. Mein Atem ging stoßweiße.

"Ich bin bei dir. Es wird alles gut."
Stefan berührte mich an der Schulter.
"Tu es mir einfach nach. Tief ein. Und aus."

Irgendwann beruhigte sich mein Körper tatsächlich wieder. Ich kam zurück in die Realität. Mir tat nichts mehr weh. Und ich bemerkte auch, dass ich auf dem Sofa lag.

"Was ist passiert?", fragte ich Stefan, der neben mir saß und mir ein Glas Wasser gab.
"Ich denke, du hattest eine Panikattacke. Hattest du das schonmal?"
Ich verneinte.
"Du hast in letzter Zeit wahrscheinlich sehr viel Stress gehabt oder?"
"Ja schon."
"Und dir geht's echt nicht gut, oder?"
Auch dem stimmte ich zu.
"Hast du dich schonmal komplett hilflos gefühlt? Als würdest du etwas tun sollen aber du kannst auch nichts tun?", fragte ich.
"Ja, das kenne ich. Besonders schlimm war es aber einmal."
Er sah mich mit einem traurigen Lächeln an.
"Meine Frau war im fünften Monat schwanger mit Magnus, als wir mit dem Auto nach Hause gefahren sind. Ich hatte mein Hörgerät nicht im Ohr gehabt, weil sie so gerne Musik anmachte, die ich nicht mochte. Es war in einem Rucksack auf der Rückbank."
Er räusperte sich, bevor er weitersprach.
"Irgendein Vollarsch ist viel zu schnell gefahren und hat uns gerammt. Ich bin erst im Krankenhaus wieder zu mir gekommen. Ich war etwas verletzt, doch in dem Moment wollte ich nur wissen was mit meiner Frau und meinem Kind ist. Aber ich konnte mich kaum verständigen. Keine Ahnung ob die Ärzte und Helfer meine Fragen verstanden haben. Aber keiner konnte mir sagen, was mit ihnen ist. Keiner konnte Gebärden. Und ich verstand ihre Mundbilder nicht. Aufgeschrieben hat es mir auch niemand."
Man merkte Stefan an, wie ihn diese Sache immernoch mitnahm.

"Es dauerte mehrere Stunden, bis ich Lucia zu mir kam. Wohlauf. Mit einigen Schrammen aber sonst war sie unversehrt. Der andere Wagen ist nur in die Fahrertür gefahren. Ich hatte ein paar gebrochene Rippen und den linken Arm geprellt. Ich hab noch lange geweint, als ich meine Frau in den Armen hatte und wusste, dass es beiden gut geht."
Ich musste schlucken. Das es einen guten Ausgang haben musste war mir klar. Immerhin war Magnus am Leben. Aber das war trotzdem hart. Über Stunden nicht zu wissen wie es deiner Familie geht...
"Es sollten mehr Leute Gebärdensprache lernen.", sagte ich.
"Gerade für Notfälle."
"Das wäre schön. Aber es ist auch nicht einfach. Allein mit Büchern ist das sehr schwierig. Du müsstest schon jemanden haben, der es kann."
Ich überlegte.
"Bringst du es mir bei? Zumindest ein bisschen?"
"Wenn du das möchtest gern."
Er lächelte.
"Aber jetzt solltest du dich lieber um dich selbst kümmern. Immerhin hattest du eben eine Panikattacke. Ich kann dich auch zum Arzt bringen wenn du das willst."
Ich schüttelte den Kopf.
"Nein, ich... mir geht's wieder gut."
"Nein, das stimmt nicht. Jake, du musst mir nicht sagen was los ist. Aber tu nicht so als wäre alles okay. Das belastet dich nur noch mehr."
Ich stutze. Es ist offensichtlich das etwas mit mir ist. Aber das so zu hören, fühlte sich auch scheiße an.

"Was ist los?", hörte ich Magnus auf der Treppe.
"Jake hatte nen Kreislaufzusammenbruch. Aber ihm geht's besser."
"Oh man, du machst einem echt Angst.", seufzte Magnus.
"Mir geht's gut.", sagte ich und fühlte mich gleich wieder schlecht.
"Er will jetzt Gebärdensprache lernen."
Stefan grinste.
"Cool. Dann können wir ja gleich anfangen. Hab noch etwas Zeit bis die Arbeit beginnt."

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(797 Wörter)
Wow, das wird langsam echt zu viel für den Jungen. Dafür hat er echt tolle Leute an seiner Seite. Und er will jetzt Gebärdensprache lernen. Funfact, das wollte ich auch damals als ich die Story angefangen habe. Und nach immer ein bisschen hin und her mal paar Worte lernen, mach ich gerade tatsächlich schon seit 11 Wochen einen Onlinekurs. Cool oder 😎
Joa, heute ist übrigens auch mein Geburtstag, aber da ich eh arbeiten muss dachte ich mir ich schreib heut ein bisschen.  Vielleicht auch noch ein Kapitel, mal schauen.

Also dann euch allen einen schönen was auch immer noch und vielleicht bis bald 🤗

Von Träumen zur Realität #catalyst500Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt