17| sweet war

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take a piece of my heart and make it all your own, so when we are apart, you never be alone-shawn mendes

Juli 2020
{Shawn Peter Raul Mendes}

Mir wird unwohl. Mein Blick ruht immer noch auf Valena, die wie ein Häufchen Elend auf dem Fußboden sitzt. Sie umschlingt ihre Knie mit ihren Armen. Ihre weichen Wangen werden von Tränen überströmt. Ich weiß nicht einmal, ob sie so weich sind, wie sie aussehen.

Ich möchte ihr helfen. Ich weiß nicht einmal warum, ich kann sie nicht ausstehen. Doch sie scheint wie ein Reh, das man mit jeder Bewegung verschrecken kann. Mit langsamen Schritten laufe ich auf sie zu. Was ist, wenn ich daran schuld bin? Weil ich zu harsch mit ihr umgegangen bin?

Ein schlechtes Gewissen überkommt mich.

Ich weiß mir nicht zu helfen, als mich einfach neben sie auf den Fußboden zu setzen. Zum Glück ist er durch den Teppich und die Heizung warm.

Sie zuckt zusammen. Mein Blick ruht auf dem zierlichen Mädchen, das mich vorhin doch noch beleidigt hat. Was ist los? In mir brennt das Verlangen sie zu trösten. Auch wenn ich sie nicht mag, kann ich es nicht leiden, wenn Mädchen weinen.

Sie scheint sogar regelrecht verängstigt zu sein. Als hätte ihr jemand verdammt viel Angst eingehängt.

Der Raum wird lediglich von unserem Atem erfüllt. Meine Gedanken dotzen in meinem Kopf wie ein Flummi umher. Hin und her. Hat ihr jemand etwas getan? Vorhin oder...

"Scheiße", murmele ich und stehe auf. Ich ertrage das nicht. Ich weiß nicht einmal, was ich sagen könnte, um sie zu trösten. Verdammt, ich kenne sie doch gar nicht. Ich mag sie nicht einmal.

Mit schnellen Schritten, ganz im Gegenteil zu vorhin, verdünnisiere ich mich aus dem Raum, gefüllt mit Stille und Schluchzern. Ich streiche mir mit meinen Händen über mein Gesicht und seufze, als ich die Tür hinter mir schließe.

Ich lehne mich gegen die Tür. Es macht mich wahnsinnig, dass ich ihr nicht helfen kann. Auf der anderen Seite macht es mich wahnsinnig, dass ich ihr überhaupt helfen möchte. Einen Menschen, mit dem ich nichts zutun haben will. Ich schließe meine Augen und greife mir an die Nasenwurzel.

Nach einer Weile stoße ich mich von der Wand ab und laufe in Richtung Küche, um mir einen Tee zu machen.
In meinem Kopf gehe ich die Möglichkeiten durch, die dazu geführt haben können, dass Valena weint. Doch mir fällt nicht viel ein. Das einzige, das mir kommt ist, dass ich daran schuld bin. Ich will nicht daran schuld sein.

Dennoch kann ich nichts tun.

Juli 2020
{Valena Pérez}

Ich kann einfach nicht aufhören, zu weinen. Die Tatsache, dass Shawn da war, habe ich nur am Rand wahrgenommen. Es ist mir ziemlich egal. Alles, was im Moment zählt, ist diese eine Nacht. Die Nacht in der mein Vater mein größter Feind war. Das Schlimmste ist, dass ich mit ihm nicht darüber reden kann. Nicht nur, weil er es nicht mehr weiß, sondern, weil ich es einfach nicht über die Lippen bringen kann. Was er getan hat war unheimlich schlimm und ich werde es nie vergessen. Dennoch ist er mein Vater.

Der Vater, mit dem ich früher Lego gespielt habe. Der Vater, der mir das Gitarrespielen beigebracht hat.

Es geht nicht darum, was er mir angetan hat, sondern darum, was er mir geschenkt hat. Eine unglaublich schöne Kindheit. Er schenkt meiner Mutter ein wundervolles Leben.

Ich lasse meine Beine los, um mir über mein Gesicht zu streichen. Ich habe so lange nicht mehr deshalb geweint. Ich habe versucht die ganze Sache zu verdrängen und einfach weiter zu machen. Das ist mir gar nicht einmal so schwer gefallen, da ich mich mit meinen anderen Problemen ablenken konnte.

Jetzt kann ich das nicht. Mein einziges Problem hier und jetzt ist der braunhaarige Kanadier, mit dem ich ein Album schreiben soll. Ein verficktes Album, von dem noch mehr Erfolg erwartet wird, als sonst.

Ansonsten habe ich genug Zeit über alles nachzudenken. Das tut mir nicht gut. Jetzt ganz sicher nicht.

Ohne, dass ich weiß, was ich tue, stehe ich auf. Wie von der Tarantel gestochen, renne ich auf die Tür zu und reiße sie auf.

"Wehe du erzählst das irgendjemandem", drohe ich, als ich ins Wohnzimmer komme, in dem der Kanadier sitzt und auf sein Handy starrt.

"Wem soll ich was nicht erzählen?", brummt er und blickt auf. Seine Augen sehen mich irritiert an.

Ich schnaube und drehe um.

"Lass uns ein Album schreiben. Dann kommen wir hier schneller weg. Weg von dieser Insel und raus aus diesem bekackten Haus!", schreie ich und stürme ins Tonstudio.

"Dein Akzent ist eigentlich ganz niedlich", höre ich den Jungen sagen. Als ich mich umdrehe, steht er grinsend im Türrahmen. Ich rümpfe meine Nase.

"Klappe"

"Wie soll ich denn ein Lied schreiben, wenn ich nicht singen darf?", fragt er und sieht mich an.

"Singen darfst du, aber bitte vermeide dieses dumme Geplappere", gebe ich zornig von mir.

"Autsch", gibt er von sich und greift sich gespielt getroffen ans Herz. Ich verdrehe meine Augen und setze mich auf den Hocker vor dem Klavier.

"Mach dich nicht über mich lustig", gebe ich genervt von mir. Es macht mich ziemlich wütend.

"Mach ich doch gar nicht!", singt der Braunhaarige.

"Sag das nochmal", fordere ich ihn auf. Er sieht mich mehr als nur irritiert an.

"Mach ich doch gar nicht!"

"Kennst du das Gefühl, wenn du dich immer weiter in die Scheiße reinreitest, auch wenn du das Gefühl hast, es nicht zu tun?", frage ich.

Der Braunhaarige sieht mich nachdenklich an.

You're drowning, they say
I do not do it
You're drifting apart, they say
I do not do it

sweet war [s.m]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt