35| sweet war

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baby, don't fool me into something i don't wanna do yeah - valena pérez

August 2020
[Valena Pérez]

Ich stoße ihn von mir weg. Dabei fühlt es sich an, als wäre er ein Magnet, der mich anzieht. Nur mit Mühe kann ich mich von ihm befreien.

"Du weißt, dass du es fühlst", murmelt er aufgewühlt. Ich streiche meine Strähnen, die mir gerade eben ins Gesicht gefallen sind, nach hinten. Meine Augen wandern zu seinem Gesicht. Doch dann schaue ich wieder auf den Boden. Ich kann das nicht. Das hier ist nicht das, was ich will.

"Nein", damit gehe ich weg. Ich kann förmlich spüren, wie irgendetwas zerbricht. Die Spannung, die zwischen uns ist, ist wie ein Gummi, den man letztendlich loslässt, entladen. Wahrscheinlich habe ich alles zerstört. Das ist gut so. Denn das wollte ich. Es ist das, was mein Ziel war. Ich habe mein Ziel erreicht.

Wie ist es zu all dem überhaupt gekommen? Die Vorstellung, mit ihm Intimitäten auszutauschen, ist mir immer noch zu Wider. Nicht, weil er nicht heiß ist. Leider reagiert mein Körper auch genau darauf. Nein, weil er ein Arschloch ist. Sein Charakter ist absolut abstoßend. Selbst wenn das nicht wäre, könnte es nicht funktionieren. Wir arbeiten zusammen an einem Album. Ein rein professionelles Verhältnis.

So soll es bleiben. Es muss bleiben, wie es ist. Hass nicht unbedingt, doch mir ist er lieber als das. Denn er ist wenigstens echt. Meine Gefühle für Shawn in der anderen Hinsicht sind es nicht. Es ist nur das, was mein Körper empfindet, wenn er versucht mich zu etwas zu bringen, das ich gar nicht will.

Ich möchte mich nicht von einer Klippe stürzen, wenn ich nicht weiß, was dort auf mich wartet.

Jetzt weiß ich, dass es der Tod ist. Verliebe ich mich jedoch in Shawn, ist es eine Zwischenwelt auf Ewigkeit. Wie ein Labyrinth, aus dem ich niemals heraus kommen kann. Er würde mich einfach hängen lassen, wie eines der unzähligen Mädchen, die er sonst abschleppt. Dieser Egotripp ist seine Masche und sie scheint zu funktionieren. Jedoch nicht bei mir. Nicht mit mir. Ich will es nicht und ich fühle nichts für ihn.

Ich schlage die Tür hinter mir zu. Nicht geplant. Ich zucke zusammen, weil sie mich aus meinen Gedanken reißt.

Ich schnappe mir mein Telefon und suche in meinen Kontakten nach meiner Schwester.

"Valena, alles gut?", höre ich sie am anderen Ende der Leitung sagen. Ich ziehe meine rechte Augenbraue in die Höhe und beginne auf meinem Nagel herumzulaufen.

"Nein...Es ist wirklich gruselig, wie du das sogar bis nach Island spüren kannst", murmele ich dann und lehne meinen Kopf gegen den Holztürrahmen.

"Ich bin deine Schwester. Das sind meine Instinkte. Hast du schon mit ihm geschlafen?", fragt sie schließlich.

"Heftige Instinkte, muss ich schon sagen... Nein. Ich habe nicht mit ihm geschlafen. Der Typ ist unmöglich. Er denkt, dass jedes Mädchen ihm verfällt und er unwiderstehlich ist. Und er hat mich geküsst! Einfach so. Was denkt er sich nur!", empöre ich mich.

"Schätzchen, du bist ja verknallt"

"Nein! Nein! Nein!", brülle ich schon fast kolerisch.

"Doch!", ist alles, was sie von sich gibt. Ich kann hören, wie sie an ihrer Zigarette zieht. Seit ihr Sohn nicht mehr gestillt wird, hat sie wieder angefangen. Ich hasse es. Am Liebsten würde ich ihr eine klatschen, sobald sie an dem scheiß Ding zieht. Dennoch stelle ich mir in diesem Moment vor, wie sie neben mir steht und mir den Rauch ins Gesicht bläst, wenn auch nicht mit Absicht.

"Blödsinn. Du weißt, dass das total lächerlich ist. Ich meine er ist er. Shawn Mendes. Ein totaler Idiot", gebe ich genervt von mir. Irgendetwas löst es in mir aus, ich weiß nur nicht genau was. Vermutlich Wut. Sogar meine eigene Schwester traut mir nicht zu, dass ich diesem Idioten nicht widerstehen kann. Offensichtlich kann ich das ja auch nicht, denn wir haben uns geküsst! Okay nein. Er hat mich geküsst. Ein mieser Trick.

"Lächerlich! Mamá?", ich höre wie ihre Stimme umschlägt, während sie spricht, "Qué tienes?"

"Risa, was ist los?", frage ich. Ich höre nur, wie meine Mutter im Hintergrund irgendetwas sagt. Der Ton in der Stimme meiner Schwester gerade eben bringt mich dazu, dass mein Magen sich umdreht.

Mir wird so schlecht, dass ich es nicht mehr aushalte. Ich muss wissen, was los ist.

"Risa?", hake ich nach. In meiner Stimme liegt ein unglaublicher Nachdruck. Es macht mir selber Angst, wie ich klinge.

"Risa, sag mir was los ist!", fordere ich sie erneut auf. Ich bekomme keine Antwort. Keine einzige. Nicht ein Wort, nichts das mir sagt, was los ist.

"Valena. Abuelita ist tot", sagt sie nach gefühlten Stunden.

Ich breche zusammen. Ich sinke in mich zusammen und rutsche an der Tür hinunter. Ich mache mir nicht einmal die Mühe, aufzulegen. Ich lasse das Telefonat einfach laufen.

Abuelita. Sie ist nicht tot. Nein. Nein das kann nicht wahr sein. Sie ist tot und ich war nicht da. Ich bin nicht bei ihr. Stattdessen bin ich schon ewig bei diesem Idioten. Ich schaffe es nicht einmal zu weinen. Es ist, als wäre ich versteinert. Zu Stein gefroren.

Ich begreife nicht, was geschieht. Weil ich es nicht kann. Die Worte sind da. Doch die Bedeutung fehlt. Die Bedeutung hinter den Worten, die Risa mir gerade gesagt hat.

Es erscheint mir einfach zu unmöglich. Ich zucke nicht einmal zusammen, als die Tür aufgeht und mir gegen meinen Schädel donnert.

"Valena?", Shawns Stimme dringt nicht einmal wirklich zu mir durch. Nur ein Brummen durch einen Art Kissenberg, der um meinen Kopf gewickelt ist.

Ich kann ihm nicht antworten und ich will es nicht. Er ist schuld. Er ist schuld, dass ich nicht bei ihr sein konnte. Weil ich bei ihm war. Wegen seines beschissenen Albums. Ich hasse ihn. Ich hasse, dass ich wegen ihm nicht bei ihr sein konnte.

"Ich hasse dich"

ENDE PART ONE

sweet war [s.m]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt