27| sweet war

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when you fall asleep tonight just remember that we lay under the same stars - shawn mendes

August 2020
[Valena Pérez]

Ich lasse das Kleid an mir hinuntergleiten. Ich spüre, wie der samtige Stoff über meine Beine nach unten fließt und auf den Boden des Hotelzimmers fällt. Meine Augen sind glasig. Die Fingerspitzen meiner Hand fahren über das Schlüsselbein. Ich zucke zusammen, während meine Augen auf die Stelle mit der Narbe starren.

Auf einmal ergreift mich eine tiefe Wut. Meine Hand greift zu, sodass ich meine Nägel spüren kann.

"Verdammte scheiße!", schreie ich und fahre mir mit meinen Händen durch meine Haare. Ich bewege mich unruhig durch den Raum und lasse mich schließlich auf mein Bett fallen. Ich wünschte, ich könnte einfach alles vergessen.

"Valena?"

Ich zucke zusammen, als ich meinen Namen höre. Jemand vor der Tür sagt meinen Namen, doch dringt es nur wie ein Flüstern zu mir durch.
Ich möchte nicht aufstehen. Ein Klopfen.

"Geh weg!", schreie ich.

"Hier ist Shawn"

Ich zucke erneut zusammen. Was macht er hier? Will er sich entschuldigen? Mit einer raschen Bewegung richte ich mich auf. Ich ziehe mir eine zu große, weiße Bluse über und mache mich auf den Weg zu der Tür.

"Bitte, mach auf. Ich will nur gucken, ob es dir gut geht"

Ich lege meine Hand gegen die Holztür, während ich auf das Braun starre.

"Es tut mir leid"

Ich versuche die Tränen, die sich unbemerkt auf mein Gesicht geschlichen haben, zu unterdrücken.
Mein Blick gleitet zu meiner Hand und ich reiße dann mit einem Ruck die Tür auf.

"Velena", murmelt Shawn, als ich plötzlich vor ihm stehe.

"Was?", frage ich forsch. Unabsichtlich habe ich mich im Ton vergriffen.

"Kann ich reinkommen?"

Ich mustere den braunhaarigen Jungen. Seine Stirn ist in Falten geschlagen und seine Augen sehen mitleidsvoll aus. Die eine Locke, die ihm immer ins Gesicht fällt, hängt über seinem rechten Auge.

Mit einem Schritt zur Seite mache ich ihm Platz zum Eintreten. Ich weiß nicht einmal, weshalb.

"Es tut mir leid", murmelt der Kanadier, während er in dem Zimmer umher läuft.

"Dafür bist du hergekommen?", frage ich bitter.

"Ja. Wieso nicht?"

Ich verkreuze meine Arme vor der Brust, "Wie wärs mit, weil wir uns nicht leiden können?"

Mein Blick durchbohrt den Körper des Jungen. Auch wenn ich es nie zugeben würde, bin ich froh, dass er hier ist. So bin ich nicht alleine mit meinen Gedanken. Stattdessen kann ich mich über ihn aufregen.

"Nein. Weil ich vorhin zu weit gegangen bin", murmelt er.

"Sonst ist es dir doch auch egal!", gebe ich pampig von mir und sehe ihn durchdringend an.

"Aber das hier ist anders..."

Ihm scheint die ganze Situation nicht zu behangen. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie macht es mich unfassbar wütend, dass er hier ist. Obwohl ich zuerst vielleicht noch froh war.

"Mein Privatleben geht dich absolut nichts an! Es ist nicht immer alles so wie es scheint... Mein Vater ist nicht so, wie er scheint", platze ich auf einmal heraus.

"Mich interessiert dein Privatleben auch gar nicht! Wer hat denn angefangen mit 'ich bin froh, wenn mal ein Tag nicht schwer ist'? Ich sehe schon, das arme, verwöhnte Mädchen hat ja so große Probleme! Dein Daddy ist stein reich und kann dir alles kaufen, was du willst. Dein Leben soll schwer sein? Schlägt er dich oder was?", äfft er mich nach, wobei seine Stimme immer lauter wird. Ich weiche einen Schritt zurück. Mit meiner Hand fahre ich mir vor den Mund.

Shawns Augen huschen hin und her, sie scheinen keine Rast zu finden. Ich kämpfe dageggen an, doch meine Augen füllen sich mit Tränen. Ich drehe mich um, doch als ich meinen Kopf wieder zu Shawn drehe, sehe ich, wie seine Nasenflügel zucken.

"Es tut mir leid"

Ich schüttele meinen Kopf.

"Verschwinde einfach!", stoße ich aus.

"Bitte, ich habe das nicht so gemeint!", versucht Shawn sich zu entschuldigen, während er ein paar Schritte auf mich zu macht. Ich weiche zurück. Seine Nähe macht mich verrückt. Denn das, was er gesagt hat, trifft die Wunden. Er hat keine Ahnung.

"Verschwinde!", brülle ich und stehe am Rande eines Zusammenbruchs. Shawn kommt ein Stück näher an mich heran. Ich weiche zurück und pralle gegen die Wand. Meine Augen brennen und ich spüre wie sich ein Kloß in meinem Hals bildet.

"Er tut es oder?"

Shawn sieht mich mit großen Augen an. Ich schlage gegen seine Brust, in der Hoffnung ihn von mir weg zubekommen. Nach ein paar Sekunden hat er mich auch schon an meinen Handgelenken gepackt.

"Valena"

"Geh weg! Ich will dich hier nicht sehen!", brülle ich.

Shawn steht so nah vor mir, dass ich seinen heißen Atem auf meiner Haut spüre.

"Valena, es tut mir leid"

"Ich hasse dich!", schreie ich und breche in Tränen aus. Meine Beine lassen nach und ich gleite die Wand hinunter.

"Es tut mir leid", gibt Shawn von sich und lässt sich neben mir nieder.

"Tut es nicht. Du hast keine Ahnung. Du weißt nicht wie es ist und du hast wahrscheinlich noch Spaß daran, mich leiden zu sehen"

"Das stimmt nicht", er dreht seinen Kopf zu mir. Ich blicke ihm in die Augen.

"Nicht?"

"Nein. Seit ich dich gesehen habe, ist da diese Traurigkeit in deinen Augen. Ich frage mich die ganze Zeit, was es ist, das dir das Strahlen aus den Augen nimmt"

Ich nehme seine Hand, die mit dem Tattoo darauf, und lege sie auf die Stelle meiner Narbe. Ich weiß nicht weshalb, aber es ist schon fast wie Intuition. Er sieht mich erschrocken an.

"Hat er dir das angetan?"

Ich ziehe lediglich die Luft ein. Meine Gedanken gleiten zu der Nacht damals.

"Eine Bierflasche", sage ich. Ich knöpfe die Bluse, unter der ich nur Unterwäsche trage, weiter auf. Ich nehme seine Hand und lege sie auf eine Narbe unterhalb meines Busens, auf einer Rippe. Shawn sieht mich mit einem Blick an, den ich nicht so recht deuten kann.

Er zieht mich zu sich auf den Schoß. Ich weiß nicht weshalb, es ist total lächerlich, aber ich lasse es zu. Sein Blick gleitet über die Narbe über meinem Schlüsselbein.

"Hast du es jemandem gesagt?"

Ich schüttele meinen Kopf. Als er etwas sagen will, lege ich meinen Finger auf seine Lippen. Shawn sieht mich erstaunt an, doch er scheint es zu verstehen. Seine Hände fahren zu den Knöpfen meiner Bluse. Sie machen die Knöpfe auf.

Ich lasse die Bluse über meine Schultern nach unten gleiten.

sweet war [s.m]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt