sweet war [s.m]

03| sweet war

failure is a kind of curse-valena pérez

Juli 2020
{Valena Pérez}

Meine Augen wandern über die Menschenmenge. Verzweifelt versuche ich mich in die Reihe von Mädchen mit hübschen Kleidern einzureihen. Leider weiß ich nicht mehr, welcher mein zugeteilter Platz ist.

Der Pfarrer wirft mir einen Blick, wie es ein Geier, der sich gleich auf sein Aas stürzt tut, zu.

"Valena!", er kommt mit offenen Armen auf mich zu, um mich anschließend nach vorne zu zerren.

"Du stellst dich hier hin", sagt er und schiebt mich in die vorderste Reihe.
In diesem Moment hasse ich es noch mehr als sonst, dass meine Eltern so gut mit ihm befreundet sind.

Ich musste jeden Sonntag meines Lebens in der Kirche verbringen, Ausreden gab es da nicht.

"Ich glaube, ich stand weiter hinten", werfe ich ein und mustere ihn misstrauisch. Er lächelt.

"Ach was. Stell dich einfach hier hin! Deine Mutter ist bestimmt sehr stolz auf dich!"

Damit verschwindet er zu den anderen, um zu kontrollieren, ob jeder richtig steht. Direkt vor mir ist die Jungfrau Maria mit dem Jesuskind im Arm. Sie steht auf einem goldenen Podest, das verdammt schwer ist und deshalb vierzehn Leute braucht, um getragen zu werden.

Es sind nur vier sichtbar - sieht man von den weißen Schuhen ab, die unter dem Podest herausluken.

Da trage ich lieber einen schweren Stock, der sogar größer, als ich ist. Das muss man erst einmal schaffen, da ich entgehen meiner spanischen Gene ziemlich riesig bin.

Ich stehe in der Reihe auf der rechten Seite. Neben mir ist ein Mädchen, das mir vage bekannt vorkommt.

Zwischen uns ist noch ein zwei Meter breiter Spalt, durch den das Podest durchpasst.

Hinter mir stehen viele andere Mädchen, vor mir die Maria. Davor sind wiederum kleine Kinder, die Kerzen tragen.

Sie sehen aus, als würden sie gleich unter der Last der großen Stäbe, mit den Kerzen an der Spitze, zerbrechen.

Als die Trommeln beginnen, setzt sich alles langsam in Bewegung. Im takt laufe ich nach vorne.

Viele Touristen, aber hauptsächlich Einheimische stehen links und rechts des Umzugs und sehen uns zu.

Ich fokussiere meinen Blick auf die überlebensgroße Maria, die obwohl sie aus Stein ist, einen Umhang aus Stoff hat.

-

Mit einer großen Zeremonie wird die Maria auf ein Boot ins Wasser getragen.

Nun wird sie entlang der Küste zum Fluss Rio Salado gebracht, wo sie schließlich wieder ans Land getragen wird.

Seit ich klein war, beobachte ich diese Prozession jedes Jahr. Selbst mir bedeutet es etwas. Ich verbinde damit meine Kindheit. Kein Wunder, wenn man die Prozession 21 Jahre lang beobachtet. Dieses Jahr laufe ich allerdings das erste Mal mit.