22| sweet war

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some boys only care about themselves- valena pérez
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Juli 2020
[Valena Pérez]

Ich schnippe mit meinem Finger gegen ein Stück Papier, das ich gerade eben aus dem Block gerissen habe. Ich langweile mich und habe keine Lust islandisches Fernsehen zu gucken. Seit ich mich ausversehen auf die Fernbedienung gesetzt habe, bekomme ich die normalen Kanäle nicht mehr rein.

Ansonsten bin ich einfach zu unmotiviert, um ein Lied zu schreiben. Keine einzige Zeile will aus meinem Gehirn kommen. Kein einziges Wort.

Ich knalle mit meinem Kopf auf den Tisch. Ich fühle mich wie ein nasser Sack. Ein Sack ohne Motivation. Das macht mich total wütend. Deshalb greife ich sofort nach dem Blatt Papier und zerknülle es.

"Woher weiß das Mädchen aus dem Café, dass wir an einem Album arbeiten?", kommt Shawn brüllend durch die Tür. Ich kneife meine Augen zusammen, sodass er wie ein kleines Männchen zwischen den Schlitzen meiner Lider steht.

"Was?", frage ich mit einem trockenen Mund.

"Erzählst du jedem, dass wir ein Album schreiben?", schreit er mich an. Ich habe keine Ahnung, was ihn geritten hat. Woher kennt er überhaupt Luisa? Ich verdrehe meine Augen und hebe meinen Kopf. Ich blicke Shawn an.

"Ich will doch nicht meinen Ruf ruinieren", murmele ich dann und stehe auf. Das Ganze wird mir zu laut. Ich denke, ich werde mich jetzt in mein Zimmer verlagern.

"Deinen Ruf ruinieren? Wenn das einen Ruf ruiniert, dann ja wohl meinen!"

"Was ist überhaupt dein Problem? Es wird eh unter dem Album stehen, dass ich es mitgeschrieben haben. Geh einfach in dein Zimmer und mach sonst was. Das ganze hier geht mir nämlich am Arsch vorbei", murmele ich gelangweilt und verlasse das Zimmer.

"Die Diskussion ist noch nicht vorbei"

Während er das sagt, spüre ich, wie sich zwei Arme neben mir abstützen.

"Echt jetzt? Diese Nummer?", frage ich und lache belustigt.

"Wieso lachst du? Hast du Angst, dass ich", er fährt mit seiner Zunge über seine Lippen und kommt näher an mich heran, sodass er mir ins Ohr flüstern kann, "dich küsse?"

Eine Gänsehaut zieht sich über meinen Körper und ich atme aus.
Dann beginnt er zu lachen und nimmt wieder etwas Abstand.

"Keine Sorge, das wird niemals passieren"

"Sehe ich so aus, als würde ich überhaupt an so etwas denken?", gebe ich eingeschnappt von mir und versuche den Idioten von mir wegzudrücken.

"Du bist mir komplett ausgeliefert", gibt er dann grinsend von sich.

"Bravo. Das könnte aus Fifty Shades of Grey stammen. Noch etwas, was du mir sagen willst? Oder darf ich jetzt gehen?"

Ich winde mich unter einem seiner Arme durch.

"Da spricht eine aus Erfahrung", gibt Shawn schlagartig zurück, was mich zum grinsen bringt.

"Ich habe den Film nie gesehen. Aber selbst wenn, dann würdest du nie erfahren, was ich daraus mitgenommen habe", antworte ich, lehne mich gegen den Türrahmen, wobei ich über meine Schulter gucken muss.

Dann, ohne ein weiteres Wort zu sagen, gehe ich in mein Zimmer. Auch, wenn mir langweilig ist, fühle ich nun einen merkwürdigen Energieschwall durch meinen Körper fahren. Einer, der sich nach Gewinnen anfühlt.

Zugegebender Maßen hat es mir Spaß gemacht mich mit Shawn zu streiten, auch wenn ich ihn nicht mag. Vermutlich macht es mir genau deshalb so sehr Spaß ihm das arrogante Funkeln aus den Augen zu wischen.

Ich greife nach meinem Handy und wähle die Nummer meiner Eltern.

"Hallo, Mamá", begrüße ich sie lächelnd.

"Hola, mi hija", antwortet sie leise. Ich kann spüren, dass sie schon wieder schwächer geworden ist. Mein Herz sticht ein wenig, wenn ich daran denke, dass ich die ganze wertvolle Zeit, die ihr nur noch bleibt, verpasse. Zumindest einen großen Teil. Anstatt bei der Person zu sein, die ich am meisten auf dieser Welt liebe, muss ich meine Zeit mit einem Typen verbringen, den ich nicht einmal leiden kann.

"Wie geht es dir?", frage ich vorsichtig.

"Gut", höre ich sie sagen. Das heißt es geht ihr schlechter als zuvor. Ein Stich fährt durch mein Herz. Ich schließe meine Augen und fasse an die Kette, die um meinen Hals hängt. Sie ist aus Gold und in ihr ist mein Name eingraviert. Ich habe sie zu meiner Firmung von meiner Mutter geschenkt bekommen. Seitdem trage ich sie die ganze Zeit. Ich liebe sie.

"Wie geht es Risa? Soweit alles gut? Kann Luca schon ein paar mehr Wörter sprechen?", setze ich die Konversation fort, als wäre alles normal.

"Ihr geht es gut. Auch wenn sie... Auch wenn sie ein wenig gestresst ist. Du weißt ja, wie das ist. Der ganze Stress in dem Hotel und ihr Mann ist gerade auf Geschäftsreise... Abuelita ist nicht nur dement, sondern auch ziemlich stur. Valena... Dein Vater und ich hatten uns überlegt sie ins Heim zu schicken", erzählt sie, doch ich unterbreche sie.

"Ihr wollt Abuelita ins Heim stecken? Das könnt ihr nicht machen! Ich schaffe das schon!", protestiere ich. Mal abgesehen davon, dass ich es nicht ertragen könnte, wenn sie in ein Heim kommt, finde ich es nicht gerade nett, mir diese Sache in einem Nebensatz eines Telefonats zu erzählen.

"Valena... Du musst das verstehen. Ihr Zustand wird immer schlimmer und wir können uns nicht mehr um sie kümmern. Das musst du doch einsehen. Es ist nicht so einfach, wie du denkst"

"Ich denke nicht, dass es einfach ist. Ich gehe jeden Morgen zu ihr. Abends noch einmal. Ich gehe mit ihr zum Arzt und verbringe so viel Zeit mit ihr, wie möglich. Ich weiß wohl am besten, was es heißt, wenn es nicht einfach ist", gebe ich in Rage von mir. In dem Moment, in dem ich meine Stimme hebe, tut es mir wieder leid.

"Valena"

"Nein, es tut mir leid, Mamá"

sweet war [s.m]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt