18| sweet war

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i'm empty-valena pérez
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Juli 2020
[Valena Pérez]

Der Braunhaarige mustert mich mit einem Blick, den ich nicht so recht deuten kann. Aus diesem Grund senke ich meine Augen wieder auf die Klaviatur in der Hoffnung, mich wieder auf das Lied zu konzentrieren, das wir gerade schreiben.

"I do not do it?", fragt er und sieht mich an.

"Die Lyrics sind nicht das, worum es mir gerade geht. Es ist die Melodie. Die Lyrics können wir später noch ändern", erkläre ich, während ich mich nach einem Blatt Papier umsehe, um es niederzuschreiben.

"Aber unser Lied geht doch darum, sich unbewusst immer weiter in die scheiße reinzureiten", gibt er skeptisch von sich.

Ich nicke mit meinem Kopf und bestätige ihn:"Ja. Aber man muss es ja nicht so grob ausdrücken oder?"

Der Kanadier beißt sich auf die Lippe und nickt. Mein Blick wandert unwillkürlich zu seinen Lippen.

"Okay, also was haben wir bis jetzt?", frage ich. Mit meiner rechten Hand ziehe ich ein Blatt Notenpapier aus einer Ablage, die vollgestopft mit alten Papieren und sonst was ist. Mit meiner anderen Hand versuche ich mir den Bleistift zu angeln, der so ziemlich genau auf der gegenüberliegenden Seite liegt. Bei meinem akrobatischen Kunststück falle ich fast von dem Hocker, den ich mir ohnehin mit Shawn teile.

Zu viel Körperkontakt und kein Gleichgewicht.

"Was wird das?", fragt mich Shawn nach einer Weile, in der er das Ganze mit einer hochgezogenen Augenbraue beobachtet hat. Ich seufze genervt, da ich mich von sowas sehr leicht aus der Ruhe bringen lasse.

"Siehst du doch", gebe ich von mir, als ich endlich den Stift erwische und zur gleichen Zeit den letzten Rest des Notenpapiers aus der Ablage befreie.

"Du weißt, dass du das schneller hinbekommen hättest, wenn du aufgestanden wärst?", fragt er und sieht mich an.

"Dann hätte ich aber aufstehen müssen", antworte ich und fange an ein paar Noten auf das Blatt zu kritzeln.

Ich höre nur ein belustigtes Lachen, das von Shawn kommt. Dafür würde ich ihn am liebsten von dem Hocker schubsen, unterlasse es dann jedoch.

"Bis jetzt haben wir:
You're drowning, they say
I do not do it
You're drifting apart, they say
I do not do it", singt Shawn. Ich schließe meine Augen und versuche mich genau auf das zu fokussieren, was der Junge von sich gibt.

"Ich drücke alles zunächst so einfach wie möglich aus. Dann erst versuche ich es wieder möglichst poetisch auszugestalten", erklärt er dann, während er mit seiner Hand auf den Tisch klopft. Ohne zu wissen, was ich tue, summe ich mit.

"Breaking"

Indem ich Wörter frei drauflos sprudeln lasse, fange ich an mir ein Gerüst für das Lied zu bauen.

Shawn scheint zu wissen, was ich tue, denn auch er beginnt wahllos Wörter in den Raum zu schmeißen.

"Titanic - Valena! Breaking und Titanic! Man geht unter wie ein Schiff, doch zuvor zerbricht man noch in der Mitte", gibt er, wie von einem Geistesblitz getroffen, von sich.

"I'm going under like the titanic",

"Die Bauer der Titanik dachten auch, dass sie niemals untergehen würde. Genauso, wie man denkt, dass man niemals untergeht. I never thought I'd go down like this but now I'm sinking like the titanic", sage ich und klopfte immer weiter auf das Klavier.

Der Braunhaarige spielt einige Akkorde, während eine weitere Zeile seine Lippen verlässt:"Before my last breath I'm breaking
I'm breaking in half because of my panic"

"I won't get into one of those lifeboats because I'm the captain", murmele ich.

"I drove the ship against the ice block"

Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche und lege es auf das schwarze Klavier, bevor ich auf 'record' drücke.

"I've never thought I'd go down like this but now I'm sinking like the titanic
Before my last breath I'm breaking
I'm breaking in half because of my panic
I won't get into one of the lifeboats because I'm the captain
I drove the ship against the ice block
I've never thought I'd go down like this but now I'm sinking like the titanic"

Mit seinen Händen schwebt der Sänger über die Klaviatur. Nach ein paar Takten stehe ich auf und greife mir die Gitarre. Doch dann fällt mit ein, dass es die Gitarre ist, wegen der er mich das letzte Mal angeschrien hat. Deshalb stelle ich sie wieder zurück. Aus dem Augenwinkel kann ich sehen, wie Shawn mich beobachtet.

"Nur zu"

Ich reiße meinen Kopf rum. Auch wenn ich wünschte, ich hätte es nicht getan, kann ich meine Verblüffung dennoch nicht verbergen. Hat er das gerade wirklich getan?

Er seufzt: "Schau mich nicht so an. Nimm dir Gitarre, bevor ich es mir anders überlege"

Ich lächele, verberge es jedoch, indem ich mich umdrehe. Nur keine Schwäche zeigen. Ich lege den Gurt der Giatrre um und fahre mit meinen Finger über die Saiten bevor ich anfange sie zum Klingen zu bringen.

Shawn fängt erneut an die Melodie auf dem Klavier zu spielen, während ich dazu passende Töne auf der Gitarre spiele.
Ich schließe meine Augen und versinke in der Melodie, wobei ich immer neue Teile hinzufüge.

[Shawn Peter Raul Mendes]
Juli 2020

Ich spiele Klavier, doch meine Augen liegen auf Valena, die mit jeder Faser ihres Körpers dabei ist. Jeder Zentimeter von ihr sieht so aus, als würde sie darin versinken. Ich spüre, wie meine Mundwinkel sich langsam, aber sicher nach oben schieben. Ihre schlanken Finger huschen über die Saiten der Gitarre.

Ihre braunen Haare fallen in ihr zierliches Gesicht. Nach einer Weile räuspere ich mich. Habe ich sie gerade angestarrt?

"Ist etwas?", höre ich Valena schließlich fragen. Aus meinem Augenwinkel kann ich erkennen, dass sie ihre Augen geöffnet hat und mich irritiert anblickt.

"Nein. Mein Hals tut nur ein bisschen weh", lüge ich und räuspere mich erneut.

"Dann sollten wir vielleicht aufhören. Hast du Lust einen Film zu gucken?", fragt sie dann.

"Nein"

Damit verschwinde ich aus dem Zimmer.

sweet war [s.m]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt