In der klaren Luft des Spätsommers rascheln die ersten rot- und orangefarbenen Blätter im Wind. Für diese Jahreszeit ist es noch sehr warm und auch der Himmel ist heute blau. Seufzend lasse ich mich auf die Sitzfläche der Bank fallen, die bereits vor einigen Wochen mit zu meinen Lieblingsplätzen zählte.
Auf der Koppel beobachte ich Harry mit seinem schwarzen Pferd. Der Reiter fasziniert mich dabei ebenso wie der Hengst. Beide bewegen sich mit Kraft und Anmut. Es sieht aus, als wäre es kinderleicht, was Harry da veranstaltet. Er scheint mich noch nicht bemerkt zu haben, denn selbst aus dieser Entfernung erkenne ich sein konzentriertes Gesicht.
Zwar verstehe ich nicht viel von Pferden, aber Harrys Anweisungen hören sich geduldig, einfühlsam und autoritär an. Soweit ich das beurteilen kann, gehorcht das Tier bei jedem Wort. Bei dieser Erkenntnis rümpfe ich die Nase, denn das ist mit Sicherheit nur Zufall. Ich bin mir sicher, es erfordert jahrelange Arbeit, bis ein Pferd überhaupt ein bisschen gehorcht und nicht mehr wie ein wildes Monster auf Menschen herumtrampelt.
"Da habe ich doch richtig geguckt. Schön, dich zu sehen, Louis." Ich zucke zusammen, als plötzlich die Stimme des blonden Iren neben mir ertönt. Meinen Kopf drehe ich zu ihm und mit dem gleichen zerknirschten Gesicht wie bei meiner Flucht, blickt er mich an. Kurz schnaube ich, bevor ich lachend mit den Augen rolle: "Hallo Niall. Jetzt setz dich hin, ich werde dir schon nicht den Kopf abreißen."
Sein Grinsen sieht nervös aus, dennoch folgt er meiner Bitte und setzt sich zu mir. "Wie kommt es, dass du wieder hier bist?", erkundigt er sich. Ich erzähle ihm von Luigi und den letzten drei Wochen, vom gestrigen Abend und wie ich auf Zayn und Liam gestoßen bin, von Michelle, und Liams Versuch mich zu überreden, wieder hierherzukommen. An dieser Stelle lacht Niall, denn wie man sieht, hat Liam es geschafft. Natürlich erkundigt er sich ebenfalls nach Harry und als ich ihm meinen Standpunkt erkläre, bekomme ich erstmalig eine verständnisvolle Zustimmung.
"Das ist dein gutes Recht, Louis. Ich kann verstehen, dass dein Vertrauen einen Knacks hat und Harry muss sich dann eben nach dir richten, wenn er dich wieder haben will. Und ich bin mir sicher, das will er", lächelt er mich aufmunternd an, was ich nur erwidern kann. "Danke, Niall. Wirklich."
"Keine Ursache. Und was hast du nun vor? Ziehst du hier direkt wieder ein oder bleibst du weiterhin bei diesem Luigi, von dem du mir erzählt hast?", möchte er wissen. Tja, das ist eine gute Frage, über die ich mir bisher keine Gedanken gemacht habe. "Ich weiß nicht", gebe ich ehrlich zu und kräusle die Stirn, während mein nachdenklicher Blick wieder zu Harry huscht. Er hat uns nun entdeckt, denn er nickt mir unsicher zu.
"Ich möchte dir nirgends reinreden, aber wenn du eure Bindung wieder herstellen möchtest, wäre es von Vorteil, wenn du hier bleibst. Wenn du nämlich abwesend bist, könnt ihr auch nicht wieder zueinander finden. Aber das ist deine Entscheidung. Und ich bin mir sicher, Harry würde dich auch in San Francisco besuchen oder abholen, wenn du das wünscht. Immer und jederzeit. Er würde alles für dich tun."
Ja, er hat schon Recht. Beides wäre machbar, allerdings hätte ich hier auf Zatago ein paar Vorteile. Ich könnte wieder in einem richtigen Bett schlafen, es gäbe eine saubere Dusche, der Frühstückstisch wäre jeden Morgen von Harry oder Eleanor gedeckt und Harry wäre immer in erreichbarer Nähe. Und außerdem meinte er ja auch, dass er diese Wohnung auch als meine ansieht. Andererseits habe ich ein bisschen Angst, dass es doch zu viel sein könnte, wenn wir von jetzt auf gleich wieder 24 Stunden am Tag beieinander sind.
"Egal, wie du dich entscheidest, Louis. Er wird es dir nicht übel nehmen, glaub mir", fügt Niall noch bei, woraufhin ich nur nicke. Harry hält sein Pferd an den Zügeln fest und kommt vorsichtig auf uns zu, während er mein Gesicht studiert und mich fragend ansieht. Ich weiß, was er wissen will und nickend bestätige ich ihm, dass es okay ist, immerhin ist der große Zaun zwischen uns und die Bank noch ein gutes Stück davon entfernt.
An einem Pfahl bindet er das Pferd fest, ehe er auf den Zaun klettert und dann hinüberspringt. Er hat wieder diese Reithose an, die ich schon damals so sexy fand, dass sie mich beinahe zum Sabbern gebracht hat.
Gott, wenn er die mal in der Wohnung anhaben sollte, kann ich für nichts garantieren.
Ich atme tief durch und versuche das Kribbeln loszuwerden. Es gelingt mir nicht. "Hey, wir haben gerade ...", ich blicke zur Seite, stelle jedoch erstaunt fest, dass Niall nicht mehr neben mir sitzt, sondern gerade in den Stall läuft.
"Ihr habt gerade?", hakt Harry nach, doch ich schüttle den Kopf. "Ist egal. Du darfst dich ruhig setzen", erwidere ich und klopfe auf die Sitzfläche neben mir. Sein Blick huscht ebenfalls zu dieser Stelle, ehe er mich wieder ansieht und traurig anlächelt. "Besser nicht. Ich möchte deine Regeln nicht missachten."
Oh.
Ein wenig unwohl kratzt er sich am Hinterkopf, was mich schlucken lässt. Irgendetwas in mir brüllt mich gerade an, einfach aufzustehen, zu ihm zu gehen und ihn in die Arme zu schließen. Doch damit würde ich nach nicht einmal 24 Stunden, meine eigene Regel brechen, weshalb ich es sein lasse. Stattdessen blicke ich zu dem schwarzen Hengst. "Seit wann hast du ihn eigentlich?", frage ich nach.
Einen Moment ist er irritiert über den Themenwechsel, dreht sich selbst zu seinem Pferd, ehe er wieder zu mir schaut. "Seit drei Jahren etwa. Du wirst es nicht glauben, aber ich habe ihn beim Pokern gewonnen", grinst Harry.
"Was? Beim Pokern?"
"Ja, genau. Ich war mit Liam in einem Casino. Da tauchte ein Typ auf, den niemand kannte, der aber mitspielen wollte. Alle Mitspieler hatten nichts dagegen. Er hat aber gleich gesagt, dass er kein Geld habe und nur sein Pferd einsetze. Und weil wir alle einen guten Bourbon intus hatten, fand es niemand merkwürdig."
Belustigt schmunzle ich: "Lass mich raten. Der Typ war ein Anfänger?"
"Richtig. Ich habe mir nur gedacht, so spielt nur jemand, der nichts mehr zu verlieren hat. Naja, auf jeden Fall hatte ich an diesem Abend eine Glückssträhne. Ich habe eine Menge Geld gewonnen und eben Tabasco", erzählt er weiter, was mich die Stirn runzeln lässt. "Tabasco?"
Harry schaut mich mit einem undurchdringlichen Blick an, nickt dann langsam. "Ja, er heißt Tabasco aufgrund seines feurigen Temperaments. Außerdem wurde mir auch bald klar, dass er kein routiniertes Rennpferd oder ähnliches ist, sondern eher ... speziell. Er hat sich anfangs ein bisschen daneben benommen..."
"Was ist dann passiert?"
Er räuspert sich, lächelt aber: "Nun... ich habe mich in ihn verliebt. Ich denke, es war Liebe auf den ersten Blick. Ich habe sofort gespürt, dass er im Grunde ein ängstliches Pferd ist trotz seiner scheinbaren Arroganz. Als ich ihm in die Augen schaute, wusste ich, dass er etwas ganz besonderes ist. Man muss nur wissen, wie man mit ihm umgehen muss."
Während er erzählt, beobachte ich ihn ganz genau. Er strahlt richtig, wenn er über Tabasco spricht und genau das bringt mich auch zum Lächeln. Wieder muss ich mich zurückhalten, nicht einfach aufzuspringen und ihn abzuknutschen. Doch in diesem Moment fälle ich eine andere Entscheidung.
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Zatago II - [Larry-AU]
FanfictionTeil II von Zatago Verzweiflung. Laut dem amerikanischen Webster-Wörterbuch ist das der Zustand völliger Hoffnungslosigkeit. Nicht einmal in seinen absurdesten Träumen hätte Louis sich vorstellen können, nach so kurzer Zeit wieder von diesem Gefühl...