Kapitel 19

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Weil ich nur auf Socken bin, hört Harry nicht, wie ich die Treppe hochlaufe.

Zayn wartet unten ungeduldig, sodass ich mich beeile und die angelehnte Tür des Arbeitszimmers aufschiebe. Harry reibt sich gerade mit einem ratlosen Blick über die Stirn, als er mich bemerkt und zusammenzuckt. "Louis", sagt er nur, während er ein Blatt Papier umdreht. 

"Alles okay?", frage ich. "Ja, klar. Was gibt's?", antwortet er, bevor er mich anlächelt.

"Ich fahre mit Zayn ins Büro. Wollte dir nur eben Bescheid geben, damit du dich nicht wunderst", erkläre ich ihm. Er nickt und räuspert sich: "Okay." Wie immer, seit meinem Wunsch auf Abstand zu gehen, gibt er keine Widerworte oder fragt nach den Gründen. Manchmal wünsche ich mir schon, er würde ein bisschen mehr Eifersucht zeigen. Es ist ja nicht so, dass ich mir unsicher bin, ob es mit uns noch einmal klappt. Ich liebe ihn, deswegen will ich ihn auf jeden Fall wieder haben. Aber lieber baue ich das Vertrauen langsam wieder auf, als mich sofort wieder in die Beziehung zu stürzen und es dann irgendwann eskaliert. Es ist quasi ein Vorstadium unserer Beziehung.

Einige Sekunden starren wir uns einfach nur stumm an, ehe meine Augen auf das von ihm eben umgedrehte Papier wandern. Durch die schwarze Schrift, die durch das dünne Blatt schimmert, erkenne ich, dass es selbstgeschriebene Notizen von ihm sind. Ich nicke schließlich und schaue einen Moment zurück zu ihm und sehe, wie seine Miene sich verändert hat. Dennoch drehe ich mich um, um das Arbeitszimmer zu verlassen. 

Etwa eine halbe Stunde später betrete ich gemeinsam mit Zayn das Bürogebäude in San Francisco. Anders als sonst ist nicht Harrys Büro das Ziel, sondern ein anderer Raum. Auch hier steht ein Schreibtisch mit einem Notebook. Es sieht etwas verstaubt aus, doch Zayn scheint sich nicht daran zu stören. Er geht an einen Aktenschrank und fährt mit seinem Finger die Beschriftungen der Ordner entlang.

"Wie lange willst du Harry eigentlich noch hinhalten?", erkundigt er sich nebenbei. Nicht schon wieder dieses Gespräch, denke ich mir. "So lange ich es für nötig halte", antworte ich knapp, weil wir das Thema schon oft genug hatten. "Dann beschwer dich aber nicht, wenn es irgendwann zu spät ist."

"Was willst du mir damit sagen?", motze ich ihn an. "Nur, dass du dich nicht wundern sollst, wenn er irgendwann frustriert ist und die Schnauze voll hat. Ah, hier habe ich es ja", erzählt er und zieht dann eine Akte aus dem Schrank. Zayn tut gerade so, als wäre ich schon seit Monaten wieder hier, dabei ist das doch noch gar nicht so lange. Nur wegen ein paar Tagen oder Wochen wird Harry sich doch nicht direkt jemand anderen suchen, oder? Und wenn dem, entgegen meiner Erwartung, doch so sein sollte, habe ich eh wen besseren verdient. Mit diesem Gedanken schiebe ich meine Zweifel beiseite und konzentriere mich auf das Papier, das Zayn aus der Mappe zieht.

Vorsichtig faltet er es auseinander, ehe er es auf dem staubigen Tisch ausbreitet. "Du hast einen Grundriss von dem Anwesen?", staune ich. "Ja, wir sind da mal vor zwei Jahren oder so eingebrochen. Harry hat sich damals ins digitale Katastersystem von San Francisco gehackt, um daran zu kommen. Sollen wir das Michelle schicken, damit sie einen Plan machen kann, wie wir vorgehen, um unentdeckt reinzukommen?"

Nachdenklich mustere ich die Zeichnungen. Das Gebäude hat drei Ebenen, die alle sehr weitläufig sind. Alleine hätte Michelle Stunden dafür benötigt. "Du könntest es ihr schicken. Du könnest aber auch selbst einen Plan machen, um ihr Arbeit abzunehmen. Vielleicht kannst du sie damit ja... von deinen Fähigkeiten beeindrucken", schmunzle ich, während ich bei den letzten Worten mit meinen Fingern Anführungszeichen in die Luft male.

Zayns Wangen färben sich augenblicklich rot, weshalb er sich schnell wieder dem Grundriss zuwendet und scharf die Luft einzieht. Mit seinen Händen stützt er sich am Tisch ab, als er jeden Raum beäugt. "Ich habe schon eine Idee. Aber was ist, wenn Michelle die nicht gut findet?", murmelt er leise.

"Meine Güte, Zayn! Du hältst dich für den Besten aller Diebe, also zieh jetzt nicht den Schwanz ein", stöhne ich genervt, während ich mich auf den Schreibtisch setze. Zayn antwortet nicht, doch ich sehe, wie nun auch seine Ohren rot werden. "Oh entschuldige, ich habe Schwanz gesagt. Du magst es ja nicht, wenn ich Schwanz sage. Dann sage ich lieber nicht Schwanz. Also... zieh jetzt nicht dein Geschlechtsteil ein!"

"Okay, okay! Ist ja gut, ich mach's. Aber halt endlich deine Klappe", zischt er. Gleichzeitig öffnet er eine Schublade, aus der er einen roten Stift holt, dessen Spitze er aufs Papier setzt. Noch kann ich nicht ganz nachvollziehen, was er für Linien darauf zieht. Ich bin mir allerdings sicher, dass er schon weiß, was er tut. Solange er auf dem Blatt kritzelt, beobachte ich seine konzentrierte Miene. Je länger er benötigt, umso mehr nimmt das helle Rosa in seinem Gesicht ab.

Als er sich wieder aufrichtet, hefte ich meinen Blick auch aufs Papier. Zayn hat Pfeile, Kreuze und Beschriftungen vermerkt. "Das Haus hat eine Sicherheitstür, also durch den Eingang kommen wir nicht, jedenfalls nicht in angemessener Zeit. Generell ist das gesamte Erdgeschoss mit gesicherten Fenstern versehen. An der kompletten Westseite befindet sich an der Hausmauer jedoch ein Rankgitter aus Metall, an dem wir hochklettern können, bis zur ersten Etage. Dort ist eine Dachterrasse, die eine einfache Tür hat. Sollte das Rankgitter wider Erwarten nicht mehr dort sein, müssen wir Plan B nehmen", erklärt er mir sein Gemälde, während er mit dem Stift immer auf den Fleck zeigt, den er gerade erklärt.

"Und was ist dein Plan B?", erkundige ich mich weiter. "Nun, da das Gebäude keinen Keller hat und sehr frei steht, sich keine Bäume, Nebengebäude, Garagen oder sonstiges am Haus befindet, müssen wir wohl zur guten alten Räuberleiter zurückgreifen."

"Ist nicht dein Ernst. Außerdem sind doch selbst drei Personen zu wenig, um bis in den ersten Stock zu kommen", gebe ich entrüstet von mir. "Richtig, deshalb haben wir nur ein einziges Fenster zur Auswahl. Das im Treppenhaus. Es ist eine Zwischenebene des Erd- und Obergeschosses. Da kommt die erste Person rein, diese befestigt irgendwo ein Seil, das dann runtergeworfen wird, an dem die anderen beiden hochklettern können."

"Lass mich raten. Die anderen beiden werden wir sein?", stöhne ich. Allein bei der Erinnerung an das Klettertraining mit dem Seil tun mir die Hände weh. Damals habe ich Zayn wirklich verflucht, denn nicht nur eine Blase hatte ich an den Fingern. Zayns Nicken bestätigt mir meine Befürchtung, weshalb ich ein klägliches Jammern von mir gebe. "Ich sehe leider keine andere Möglichkeit, Louis."

Dann werde ich mich wohl meinem Schicksal fügen müssen, immerhin habe ich zugesagt. "Na gut. Dann schick Michelle mal deine Idee." Als hätte Zayn das vollkommen vergessen, blickt er mich entsetzt an. "Was ist jetzt schon wieder?", frage ich mit erhobenen Augenbrauen. 

"Nichts", fiept er und zieht sein Handy aus der Hosentasche. Zum wiederholten Male bringt er mich heute zum Augenrollen. Ihn muss es wirklich erwischt haben. "Wenn ihr der Plan missfällt, schieb es ruhig auf mich", schmunzle ich.

"Kann ich das nicht direkt schreiben?", nuschelt er, während er ein Foto von der Skizze macht. "Nein, Zayn. Wenn es ihr gefällt, sollst du ja die Lorbeeren ernten", widerspreche ich, während er bereits etwas in sein Handy tippt. "Zeig mir die Nachricht, bevor du sie abschickst."

"Wieso? Ich schreibe schon keinen Blödsinn", versucht er es, doch ich lasse mich nicht beirren. Zu seinem Glück zeigt er mir tatsächlich seinen Text und erst mit meinem Einverständnis schickt er die Nachricht ab.

Während wir auf eine Antwort warten, kopiert Zayn die Grundrisse. Die Duplikate schiebt er zurück in die Mappe und die zusammengefalteten Originale finden den Weg in Zayns Jackentasche. Gerade als wir das Büro wieder verlassen wollen, vibriert Zayns Handy. Ich stehe neben ihm, sodass ich mit aufs Display schauen kann. Die Antwort von Michelle lässt vermuten, dass Zayn sich auf jeden Fall noch ordentlich ins Zeug legen muss.

Michelle:
Ich überleg's mir.

_____

Ob Michelle wohl Zayns Plan zustimmen wird? 

Und was macht Harry da schon wieder in seinem Arbeitszimmer? Plant er vielleicht den nächsten Bankraub? ;)



Zatago II - [Larry-AU]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt