Warum regnet es immer, wenn irgendeine Scheiße passiert? Als würde der heilige Wettergott wissen, in welch desaströser Lage man gerade steckt. Unentwegt prasseln die dicken Regentropfen auf die Windschutzscheibe, während wir schweigend die Strecke nach San Francisco hinter uns bringen. Mein Schluchzen ist verstummt und das Radio ist aus, nur das Quietschen der Scheibenwischer gesellt sich zum betäubenden Regen.
Mein Leben ist gerade zu Boden gefallen und in unzählige Stücke zerbrochen. Harry wollte mich nie so wie ich ihn. Er brauchte eine helfende Hand bei seinem Bankraub und er wollte Rache. Wie konnte ich so dumm sein und es nicht merken? Jedes Lächeln muss gefaked gewesen sein. Noch immer kommt mir das so unwirklich vor.
Niall neben mir räuspert sich: "Wo soll ich hinfahren?" Tja, gute Frage. Wo soll ich denn jetzt hin? Eine eigene Wohnung habe ich nicht und in Harrys Stadtwohnung will ich ganz sicher nicht. Ich könnte bei Freunden unterkommen. Ach Moment... ich habe ja keine Freunde mehr. Meine Güte, mein Leben ist gerade wirklich ein armseliges Trauerspiel. Seufzend raufe ich mir die Haare: "Du kannst mich in Castro rauslassen."
Er schweigt einen Moment und ich spüre seinen Seitenblick, ehe er erkennt, dass er keine Wahl hat. "Okay", sagt er leise. "Ich könnte dich aber auch in eine Wohnung von Harry bringen. Da ist es sicherer. Er hat nicht nur-"
"Ich will in keine beschissene Wohnung von Harry!", unterbreche ich ihn schimpfend. Niall seufzt und schüttelt den Kopf. "Louis, du hättest ihn aussprechen lassen sollen. Er-"
"Niall! Halt... halt einfach nur deine scheiß Klappe", zische ich und fische dann sowohl mein Handy als auch mein Portemonnaie aus meiner Jeans. Zunächst schalte ich das Smartphone aus, denn obwohl Harry sein Ziel erreicht hat, wollte er nicht, dass ich verschwinde. Ich traue ihm sehr wohl zu, dass er mein Handy ortet und mir auflauert und darauf habe ich wirklich keine Lust. Daher muss es aus.
Dann greife ich zu meinem Portemonnaie und zähle das Geld, welches ich vorhin mitgenommen habe. Es sind knapp 1500 Dollar. Wenn ich meinen Lebensstil wieder so anpasse, bevor ich Harry und die anderen kennengelernt habe, komme ich damit einen Monat hin, vielleicht ein paar Tage mehr. Mein Blick fällt auf die Kreditkarte, mit der ich mir sofort ein hübsches Hotelzimmer nehmen könnte, allerdings kenne ich Harrys Fähigkeiten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er es schafft, sich durch sämtliche Hotelprogramme zu hacken und mich zu finden. Und auch, wenn ich mal Geld damit abheben sollte, merkt er garantiert, wo ich bin. Entschlossen ziehe ich sie daher aus ihrem Fach und werfe sie in den Fußraum des Autos. Ich will gar nicht erst in Versuchung geraten.
Etwa zehn Minuten später bitte ich Niall am Seitenstreifen anzuhalten. Rasch schnalle ich mich ab und öffne die Beifahrertür. "Louis, warte." Augenverdrehend drehe ich mich aber doch noch einmal um: "Was ist?"
"So war das alles nicht. Mir tut es leid und Harry auch, das musst du mir glauben", spricht er flehend und auch wenn seine Augen ehrlich aussehen, falle ich nicht noch einmal darauf rein. "Sonst noch was?!"
"Wie kann ich dich erreichen?"
Einen Moment blicken wir uns schweigend an, doch auch wenn ich den blonden Iren wirklich mochte, kann ich nicht verzeihen. "Du oder auch die anderen müssen mich nicht mehr erreichen. Schönes Leben noch." Damit schlage ich die Tür zu, husche zum Kofferraum und nehme meine Trainingstasche heraus, ehe ich damit zur nächsten Ampel husche. Nialls Auto bleibt an Ort und Stelle und ich bin mir sicher, dass er mich beobachtet, um herauszufinden, wo ich hin laufe. Aufgrund dessen schlage ich nicht sofort meinen gedachten Weg ein, sondern biege in eine schmale Seitengasse, damit er mich nicht mehr sehen kann.
Als ich aus seinem Sichtfeld verschwinde, lehne ich mich mit dem Rücken an die Hausmauer und lasse mich zu Boden gleiten. "Fuck", fluche ich leise. Was für ein beschissener Tag. Der Regen prasselt weiter auf mich ein und es dauert nicht lange, bis ich vollkommen durchweicht bin.
Ich warte etwa fünf Minuten, in denen ich mich mit Selbstmitleid besudle, ehe ich mich aufrappeln kann und vorsichtig um die Hausecke schiele. Nialls Auto ist nicht mehr zu sehen und auch an anderer Stelle kann ich ihn nicht entdecken. Erleichtert schultere ich meine Tasche und laufe die 17th Street entlang, bis ich schließlich in meine geliebte Castro Street abbiege. Viel zu lange war ich nicht mehr hier und ich bekomme schon fast ein schlechtes Gewissen, als ich die Pizzeria von Luigi betrete.
"Louis, mein Junge! Du lebst ja noch, aber wie siehst du aus", begrüßt er mich sofort mit seinem liebenswerten, italienischen Akzent. "Hallo Luigi", lächle ich ihn müde an und lasse meine Tasche auf den Boden fallen. "Meine Güte, du bist ja klitschnass. Was machst du bei so einem Wetter draußen? Was ist überhaupt passiert?", fragt er besorgt und kommt auf mich zu.
"Ich...", meine Stimme bricht schon wieder und schnell schlage ich mir die Hände vor's Gesicht, damit man meine Verzweiflung nicht sieht. "Oh, mein armer Junge. Komm erstmal mit", spricht er leise und legt tröstend einen Arm um meine Schulter, um mich in ein Hinterzimmer zu bringen. Er deutet mir an, dass ich mich auf die gestapelten Getränkekisten, die mit ein paar Wolldecken gepolstert sind, setzen soll. "Warte eben hier."
Natürlich warte ich, was soll ich auch sonst anderes machen? Immer wieder wische ich meine nachlaufenden Tränen mit dem Saum meines eh schon nassen Pullis trocken. Das ist mir so unangenehm, mich so schwach zu zeigen. Ich wusste noch nicht einmal, dass ich überhaupt so schwach sein kann. Es ist erniedrigend.
"Hier, trink erst einmal einen guten Espresso Corretto." Luigi drückt mir eine kleine Tasse in die Hand, woraufhin ich lächeln muss. Er weiß noch immer, dass ich dieses Gesöff mit einem Schuss Grappa vergöttere. Er verkauft ihn nicht, für besondere Gäste gibt er aber immer gerne einen aus. "Danke", wispere ich und nippe am wärmenden Getränk. "Bitte. Aber du musst unbedingt aus den Klamotten raus, sonst holst du dir noch was weg." Ich nicke, sage aber nichts. Das weiß ich doch selbst, aber momentan ist mir das so ziemlich egal.
"Hast du heute Nacht vielleicht einen Schlafplatz für mich?", frage ich zitternd. Luigi mustert ein wenig zu besorgt mein Gesicht und meine Tasche, die er eben gebracht hat. "Ja. Meine Nichte ist allerdings zu Besuch, du wirst dir mit ihr das Gästezimmer teilen müssen."
Ich zucke mit den Schultern, denn alles ist besser als die Nacht auf der Straße zu verbringen. "Das ist schon in Ordnung. Danke, Luigi", antworte ich erst, ehe ich skeptisch zu ihm aufblicke. "Du lässt mich alleine mit deiner Nichte in einem Zimmer schlafen?" Einen Moment bleibt er still und sieht aus, als würde er ernsthaft über seine Entscheidung nachdenken, ehe er lauthals anfängt zu lachen. "Louis, Louis, Louis. Wir wissen beide, dass du sie nicht einmal mit der Kneifzange anfassen würdest, solange sie keinen Lümmel zwischen den Beinen hat."
Wo er Recht hat, hat er Recht.
____Wow, Teil II hat einen unglaublich tollen Start hingelegt. Danke 💕
Louis kommt also bei Luigi unter. Erinnert sich noch jemand an ihn? Im ersten Teil habe ich ihn nur mit zwei Sätzen erwähnt.
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Zatago II - [Larry-AU]
FanfictionTeil II von Zatago Verzweiflung. Laut dem amerikanischen Webster-Wörterbuch ist das der Zustand völliger Hoffnungslosigkeit. Nicht einmal in seinen absurdesten Träumen hätte Louis sich vorstellen können, nach so kurzer Zeit wieder von diesem Gefühl...