Kapitel 20

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"Bevor wir Michelle gleich treffen, sollte ich dir noch eine Sache sagen", fange ich am nächsten Tag an, als wir gerade in einem gestohlenen Auto sitzen. Da wir eh durch San Francisco mussten, befand Zayn es für sicherer, einen Wagen 'zu leihen'. In eben dieser Karre fahren wir nun zur Adresse, die Michelle uns gestern mitgeteilt hat.

"Was meinst du damit?", wundert sich Zayn, der mich anschaut, als wir gerade an einer Ampel zum Stehen kommen. "Michelle ist nicht so wie du. Es geht hier nicht darum, die Hütte leerzuräumen, sondern eine Uhr zu finden. Michelle handelt so gesehen nicht in ihrem eigenen Sinne, sondern hat Auftraggeber. Diese Auftraggeber wurden selbst bestohlen. Michelles Aufgabe ist es, die entwendeten Teile wiederzubeschaffen. Dafür erhält sie dann ein nettes Sümmchen."

"Klingt... interessant. Also dürfen wir sonst nichts einstecken, habe ich das richtig verstanden?", hakt er nach. "Wenn du bei ihr landen willst, würde ich das nicht machen. Sie verurteilt unsere Diebeszüge stark."

"Ich will nicht bei ihr landen!", entrüstet er sich. Als ob. "Ja ja, rede dir das nur weiter ein", erwidere ich und drehe dann die Musik lauter.

Wir finden das Anwesen ohne Probleme, denn von der Stadt aus ist es nicht mehr weit. Der Hof liegt am Ende einer einsamen Straße. Links und rechts sieht man unkrautfreien Rasen, während die Bäume sich erst in knapp 50 Metern Entfernung aneinander drängen. Weil Michelle bereits auf uns zu warten scheint, stellen wir uns hinter den weißen Audi TT, an den sie sich lässig lehnt. Ihr schlanker Körper steckt komplett in schwarzen Klamotten. Und wenn ich an Zayns Ausweichplan mit der Räuberleiter denke, bin ich froh, dass sie keine Highheels anhat. Das wäre schmerzhaft geworden. "Ist sie nicht rattenscharf?", necke ich Zayn, der sofort zusammenzuckt. "Sie... ist ganz niedlich."

"Autsch. Lass sie das bloß nicht wissen, sonst reißt sie dir den Kopf ab", scherze ich, ehe ich schließlich aussteige. 

"Louis!", werde ich sofort von der hübschen Italienerin begrüßt. Euphorisch umarmt sie mich, während sie Zayn nicht eines Blickes würdigt. Er tut mir ja schon ein bisschen leid. "Ich habe mir deinen Plan angeschaut und das alles doppelt und dreifach durchgespielt. Die Idee ist super! Ich wusste ja nichts von dem Rankgitter, sodass ich beinahe aufgeschmissen war."

"Oh nein", werfe ich sofort ein, greife nach ihren Schultern und drehe sie zu Zayn. "Dafür ist er verantwortlich." Zayn verzieht seine Mundwinkel zu einem schüchternen Grinsen, doch Michelle fängt nur an zu lachen. "Ach Louis, du musst nicht so tun, als hätte er das gemacht. Du solltest doch mittlerweile wissen, dass du mich nicht hinters Ohr führen kannst." Damit zuckt sie einmal mit den Achseln und nickt dann Richtung Gebäude. "Lasst uns nicht die Zeit vertrödeln, sondern direkt anfangen." Mein Blick gilt weiterhin Zayn, der nun schluckt. Das kann ja lustig werden mit den beiden. "Warte, was ist mit den Überwachungskameras und Bewegungsmeldern?", will ich noch wissen, denn ich habe keine Lust überrascht zu werden, so wie es bereits einmal passiert ist. "Diese Idioten hier haben keine", informiert Michelle uns, ehe wir auf das Gebäude zulaufen.

Schon beim Betreten des Grundstücks spüre ich das Adrenalin in meinem Blut. Hoffentlich geht alles gut, damit wir nicht erwischt werden. 

Wir haben Glück, denn das Rankgitter existiert noch, weswegen ich ein Danksagungsgebet gen Himmel schicke. Nach einem kurzen Rundgang, ob das Haus auch wirklich leer ist, klettern wir Sprosse für Sprosse hinauf. Zayn ist zuerst oben und öffnet mit wenigen Handgriffen die Tür der Dachterrasse. Er hält sie auf, um Michelle den Vortritt zu gewähren. "So viel Kraft hätte ich gerade selbst noch gehabt", zickt sie ihn an, ehe sie den Raum betritt. Mein Kumpel lässt seufzend den Kopf nach vorne kippen, woraufhin ich ihm aufmunternd auf die Schulter klopfe. "Nimm's einfach nicht persönlich, Zayn."

Hintereinander betreten wird das Anwesen, während ich Zayn hinter mir noch irgendetwas murmeln höre. "Hier. Das ist das Exemplar." Michelle hält uns ihr Handy hin, auf dem das Foto einer blauen Uhr zu sehen ist - eine Zenith. "Gehst du nach unten, Louis? Ich bleibe dann auf dieser Etage und Zac geht nach oben."

"Es heißt Zayn", verbessert der Schwarzhaarige sie, doch Michelle zuckt nur gleichgültig mit den Schultern. "Wie auch immer. Lasst uns anfangen." Zayns Augen werden zu Schlitzen, mit denen er den Rücken der Dunkelhaarigen durchbohrt, als diese das Zimmer verlässt. 

"Oh man", murmle ich und beeile mich, der Italienerin zu folgen. "Michelle, warum bist du so zu ihm? Auch wenn du ihn nicht magst, kannst du ruhig ein bisschen netter zu ihm sein, immerhin ist das hier dein Auftrag und ich denke nicht, dass du willst, dass er schiefläuft. Du weißt, dass Zayn dafür sorgen könnte", zische ich leise, damit eben Genannter uns nicht hört.

"Wie ich mit Fremden umgehe, ist ganz allein meine Sache, Louis. Und jetzt geh bitte nach unten und leg los, damit wir wieder schnell verschwinden können", flüstert sie genauso leise zurück. Ich bleibe im Flur zurück und schüttle nur verständnislos mit dem Kopf. Als ich ihr das erste Mal begegnet bin, war sie super nett. Entweder hatte sie nur Mitleid mit mir oder sie fand mich auf Anhieb sympathischer als Zayn. Der arme Kerl.

Mit einem Seufzer tapse ich zur Treppe, um ins Erdgeschoss zu gelangen. Meine Finger lasse ich über das Geländer gleiten und als ich unten ankomme, haben meine Handschuhe keinen einzigen Staubkorn an sich. Hier wird also regelmäßig geputzt, aber das habe ich mir bei dieser Hütte schon gedacht. Das Haus ist trotz seiner überdimensionalen Größe bezaubernd, viel wohnlicher und liebevoller eingerichtet als die bisherigen Villen. Im Eingangsbereich warten leere Garderobenhaken auf ihre Besitzer, während mir die bunten kleinen Schuhe zeigen, dass hier auch Kinder wohnen. Wie kann man als Elternteil so verantwortungslos sein und andere bestehlen? Das verstehe ich nicht. Aber gut, das soll nicht mein Problem sein. Im offenen Wohn- und Essbereich sind zahlreiche Familienbilder angebracht und auf dem Esstisch steht ein frischer Strauß Blumen.

Schublade für Schublade, Tür für Tür öffne ich. Ich fasse unter die Oberflächen und spähe hinter jedes Bild. Die Nischen hinter Heizungen, Sofa und Schränken taste ich ab. Den - zum Glück sortierten - Inhalt aller Fächer und Kommoden durchsuche ich und doch werde ich nicht fündig.

Woher ist sich Michelle eigentlich sicher, dass der Besitzer sie nicht gerade trägt?

Das wäre ziemlich ärgerlich. Die ganze Mühe wäre umsonst. Ich hoffe, daran hat sie gedacht. Doch weil sie sich als Profi gibt, vertraue ich mal darauf, dass sie das auch ist. Nachdem ich alle Räume abgesucht habe, stehe ich ein wenig planlos in der Mitte des Wohnzimmers. 

Wo würde ich eine Uhr verstecken?

Bevor ich mir darüber den Kopf zerbrechen kann, höre ich Zayn panisch meinen Namen rufen. Mein Kopf schnellt in die Richtung der Treppe, ehe ich mich bewege und die Stufen hastig nach oben sprinte.

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Oh nein, was ist passiert? :O

Zatago II - [Larry-AU]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt