Kapitel 4

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Sie hat es wirklich geschafft, mich mit nach draußen zu zerren. Gemütlich laufen wir nebeneinander her, während ich mich immer wieder unauffällig umsehe, ob einer der Jungs von Zatago sich hier aufhält.

"Also Louis, mein Onkel mag sich mit dem ganzen Modekram zwar nicht auskennen, ich dafür umso besser. Du trägst durchweg Armani, Gucci, Valentino und Gaultier. Selbst deine Socken kosten mehr als der Arsch von Kim Kardashian. Woher zum Teufel hast du den ganzen Krempel? Und wenn du so viel Kohle hast, warum nimmst du dir kein Hotelzimmer oder eine Wohnung?"

Na klasse, jetzt muss ich mir schnell etwas einfallen lassen. Obwohl... eigentlich kann ich ja auch die halbe Wahrheit sagen, so verstricke ich mich wenigstens nicht. "Ich habe nicht so viel Kohle. Mein Freund hat sie und hat alles für mich bezahlt. Ich selbst bin ein armer Schlucker", gebe ich möglichst unbekümmert von mir und blicke über die anderen Fußgänger um uns herum.

"Hach, muss Liebe schrecklich sein. Obwohl er dich verarscht hat, willst du ihn zurück", seufzt sie, was mich die Stirn runzeln lässt. "Warum sollte ich ihn zurückwollen?", frage ich und versuche im gleichen Moment das laute Pochen meines Herzens zu ignorieren. An der Ampel, auf die wir gerade zulaufen, steht ein Kerl, der Harry sein könnte. Er trägt eine schwarze Jeans und ein blaues Hemd mit weißen Punkten, während seine Haare zu einem Dutt gebunden sind. Gedanklich überlege ich, welcher der schnellste Fluchtweg ist.

"Naja, du hast ihn Freund genannt und nicht Ex-Freund. Das sagt doch schon alles." Ungläubig schüttle ich den Kopf. Natürlich habe ich noch nicht abgeschlossen, immerhin geht das nicht so schnell. Das braucht seine Zeit und dass ich ihn Freund genannt habe, war nur ein Versehen - Gewohnheit sozusagen. Genau das sage ich ihr auch, während ich erleichtert die Schultern lockere, als der Typ an der Ampel sich umdreht und ich feststelle, dass es nicht Harry ist. "Na, wenn du meinst", ist ihre Antwort. "Und was hast du sonst beruflich gemacht?"

Oh Gott, warum muss sie denn so viele Fragen stellen? "Ich habe... auf einer Ranch gearbeitet", lüge ich und runzle die Stirn. Das muss ich mir unbedingt merken.

"Auf einer Ranch? Das soll ich dir glauben?", spottet sie und fängt an zu lachen. "Ganz genau", erwidere ich ausdruckslos. Ich kann schließlich schlecht sagen: Hey, ich bin in den vergangenen Monaten zum Verbrecher mutiert und habe eine der größten Banken Kanadas ausgeraubt. Wohl kaum. Wir überqueren die Straße und steuern die kleine Grünanlage an. Auch heute ist nicht allzu schönes Wetter, wodurch es nicht ganz so voll ist. "Ich glaube dir nicht", fängt Michelle wieder an, als wir uns auf eine Bank setzen. "Wieso nicht?", frage ich irritiert nach. Also ich finde ja, dass sich Farmer glaubhafter als Verbrecher anhört.

Im Augenwinkel sehe ich, wie sie mich kritisch mustert. Meinen Blick halte ich geradeaus, denn keineswegs will ich mich irgendwie verraten, indem mir die Gesichtszüge entgleiten. Schon wieder schaue ich einen Typen an. Dieses Mal allerdings einen Schwarzhaarigen, der mich irgendwie an Zayn erinnert. Allerdings hat der Kerl keine Tattoos und seufzend schließe ich die Augen. Ich bekomme hier noch Paranoia. "Also, ich habe dich ein bisschen beobachtet und ich denke ja eher, dass wir beide aus dem gleichen Holz geschnitzt sind", spricht Michelle nach einer Weile, woraufhin mein Kopf in ihre Richtung schnellt und ich sie perplex anschaue.

Ihre Augenbrauen wandern hoch und ihre Lippen kräuseln sich zu einem belustigten Grinsen: "Oh wow, hatte ich wirklich Recht?" Schnell wende ich den Blick wieder ab, ziehe die Augenbrauen zusammen, während meine Gedanken rasen. Meint sie wirklich das Gleiche wie ich? "Was meinst du?", hake ich vorsichtig nach.

"Komm schon. Ich denke, du weißt, was ich meine. Du drehst genauso gerne krumme Dinger wie ich. Ich habe da ein Näschen für", erklärt sie, als wäre es das Normalste er Welt und verwundert blicke ich sie an. Michelle ist eine Kriminelle? Damit habe ich definitiv nicht gerechnet. Ich bin eher davon ausgegangen, dass sie vielleicht im Casino arbeitet, Tänzerin ist oder vielleicht sogar Sängerin. Aber eine Verbrecherin? So sieht sie definitiv nicht aus. Aber wer sieht schon aus wie ein Dieb?  

Zatago II - [Larry-AU]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt