Kapitel 43

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"Und ich dachte, nur Mädels tratschen über so etwas. Ich kann darüber nicht reden, Louis", stöhnt er.

"Ist es etwa so peinlich? Oh warte, bitte sag mir nicht, dass du nach zwei Minuten schon gekommen bist!" Ein Anfängerproblem! Das traue ich ihm auf jeden Fall zu. "Nein, natürlich nicht. Das ... konnte auch gar nicht passieren", nuschelt er so leise, dass ich es gerade noch verstehe. "Warum nicht? Hast du dir vorher einen runtergeholt?", schmunzle ich. Ich erinnere mich an meine ersten zwei oder drei Male, da habe ich das gemacht, um den Sex nicht beenden zu müssen, bevor er überhaupt angefangen hat.

"Louis! Man, ich erzähl dir das nicht", jammert er mit den Händen vorm Gesicht, weshalb ich die Augen verdrehe. Michelle wird wohl noch ein bisschen benötigen, bis mein lieber Zayn nicht mehr ganz so prüde ist. "Meinetwegen, dann erzähl mir wenigstens, wie ihr zusammengekommen seid. Hat sie dir mal erklärt, warum sie am Anfang so scheiße zu dir war?"

Einen Moment kräuselt Zayn die Stirn, ehe er seufzt und nickt. "Ja, hat sie. Die Trennung ihrer letzten Beziehung war ziemlich bitter, weshalb sie Angst hatte, neue Gefühle zuzulassen. Sie meinte, dass ich ihr auch ... gefallen habe, ihre Angst sie aber blockiert hat. Um nicht erneut verletzt zu werden, hat sie mich so behandelt." Die arme Michelle, aber das erklärt, warum sie so mies zu meinem Komplizen war. "Naja, drei Tage nach dem Einbruch in dieser Villa hat sie mir geschrieben. Es war nichts Wildes, einfach nur ein bisschen Smalltalk. Wir haben auch ein paar Mal telefoniert und dann hat sie mich gefragt, ob wir uns treffen können. Das war am Tag von Harrys und Eleanors Verhaftung." Bei der Erwähnung von Harrys Namen huscht mein Blick kurz zur Uhr. Ist die stehengeblieben? Der Zeiger bewegt sich doch überhaupt nicht!

Seufzend drehe ich mich wieder zu Zayn: "Und du konntest nicht nein sagen, richtig?" Sein Kopfschütteln bestätigt meine Frage. Wer kann's ihm verübeln? Er ist wahrscheinlich genauso vernarrt in die schöne Italienerin wie ich in Harry.

"Als ich dann bei ihr war, haben wir echt lange geredet. Sie hat sich bei mir entschuldigt und ihre Situation erklärt. Ja, und dann ..."

"Habt ihr rumgemacht", ergänze ich ihn, worauf er nicht lange fackelt, sich ein Kissen schnappt und dieses nach mir wirft. Lachend fange ich es und schleudere es zurück. "Okay, okay, habt ihr nicht. Wann habt ihr euch das erste Mal geküsst?"

"Ist das eigentlich alles, was dich interessiert?", stöhnt er, weshalb ich nur mit den Schultern zucke. Es ist eben das Wichtigste. "Das war an dem Abend, nachdem ich bei euch im Hotel war." Ich erinnere mich. Gott, da hatte er mir aber auch einen Schrecken eingejagt, als es plötzlich geklopft hatte. "Warte ... ihr habt Händchen gehalten, obwohl ihr euch noch nicht einmal geküsst habt?", staune ich. Zayn hebt erst eine Augenbraue, ehe er die Augen skeptisch zusammenkneift. "Woher weißt du, dass wir Händchen gehalten haben?"

"Ich habe meine Augen eben überall, Malik", gebe ich zur Antwort, verheimliche aber, dass ich ihm in die Hotellobby gefolgt bin, obgleich er das wohl sowieso nun ahnt. "Ich merk das schon, Louis."

Zayn hat es geschafft mich abzulenken, sodass die Stunden schneller vergehen als zunächst befürchtet. Dennoch werde ich irgendwann ungeduldig. Die Hauptverhandlung war für 14 Uhr anberaumt und sollte zwei Stunden dauern. Inzwischen haben wir aber 18:30 Uhr und meine Hoffnung schwindet mit jeder weiteren Minute. Mit verschränkten Armen stehe ich am Fenster, um den Hof zu beobachten. Viel sehe ich jedoch nicht, weil es bereits dunkel ist und lediglich ein paar Laternen Licht spenden. Und bis auf ein paar Blätter und einem Eichhörnchen regt sich die ganze Zeit nichts. Warum dauert das denn so lange? Zu lange. Sagte Harry nicht, dass er an einen Freispruch glaubt, weil es nicht genügend Beweise gibt? Aber warum taucht er dann nicht auf? Ich habe ein ungutes Gefühl.

"Louis, ich habe uns 'ne Pizza in den Ofen geschoben. Die ist fertig", ruft Zayn aus der Küche. Wirklich Appetit habe ich nicht. Ich will einfach nur, dass Harry zurückkommt. Bei der Vorstellung, dass er verurteilt wurde, zieht sich alles in mir zusammen. Das wäre die Hölle! Ich habe keine Ahnung, wie ich dann weiterleben soll.

Schluckend denke ich an unser Gespräch vom Date zurück. Hat er es sich doch anders überlegt? Er sagte mir zwar, dass er nicht fliehen wird, aber vielleicht hat er doch Panik vor dem Gefängnis bekommen und ist abgehauen. Vielleicht wollte er mich einfach nur beruhigen? Oh Gott. "Bitte mach keinen Scheiß", hauche ich abwesend. Dieser Gedanke tut weh. Würde er mir das wirklich antun? Ganz ohne mich abhauen? Das kann er doch nicht bringen! Oder?

Mir ist klar, dass er denkt, mir damit einen Gefallen zu tun, aber dem ist ganz gewiss nicht so. Ich liebe ihn. Noch nie habe ich einen Menschen so sehr vergöttert wie ihn. Ich fühle mich schon einsam, wenn ich mir ein Leben ohne ihn vorstelle. Kann er sich etwa eines ohne mich vorstellen? Alles in mir schreit danach, dass es nicht so ist. Wäre da nicht sein Wunsch nach einer Trennung im Falle seiner Verurteilung.

"Louis?! Kommst du?"

Seufzend wende ich mich vom Fenster ab, um zu Zayn in die Küche zu gehen. Die Grübelei bringt ja doch nichts. Der Schwarzhaarige hat bereits Besteck und Gläser auf den Tisch gestellt und holt nun die Pizzen aus dem Backofen. Ich krame aus einer Schublade den Pizzaschneider, weil ich doch lieber mit den Händen esse. Wenn ich überhaupt etwas herunter bekomme.

Als wir am Tisch sitzen, ist es am Schlimmsten. Diese Stille und Zayns mitleidiger Blick auf mir lassen es nicht besser werden. Das Radio anzuschalten erscheint mir aber auch falsch, weil Harry nicht da ist. Ich versuche stattdessen, Zayn nicht anzuschauen und mich auf meine Pizzaecke zu konzentrieren. Lediglich unsere Kaugeräusche sind zu hören. Ab und zu das Kratzen von Besteck auf Tellern oder das Abstellen des Glases auf den Tisch. Es ist erdrückend. Hätten wir noch eine Uhr, dessen Ticken man hört, wäre ich wohl ausgerastet. Aber auch so legt sich die Nervosität wie ein schwerer Stein auf meinen Magen, sodass mir schlecht wird.

Seufzend lege ich den Rand meiner Pizza beiseite. Nach dem ersten Stück bekomme ich nichts mehr runter. Stattdessen starre ich auf die Platte des Tisches und warte darauf, dass Zayn fertig wird. Er beeilt sich für mich, das bemerke ich. Aber was soll das schon bringen? Davon geht die Zeit auch nicht schneller um. Und so langsam befürchte ich wirklich, sie könnten Harry verurteilt haben. Oder er ist abgehauen. Anderenfalls wäre er doch längst wieder hier. Diese Vermutung lässt meinen Puls beschleunigen, weshalb ich meine Ellenbogen auf den Tisch abstütze und mir die Haare raufe. Mein Blick landet auf Zayn, ehe ich nur noch ein Hauchen zustande bringe: "Ich habe Angst."

Zatago II - [Larry-AU]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt