Kapitel 5

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Wow, damit habe ich nicht gerechnet.

Michelle ist ebenfalls kriminell und dazu noch eine ausgebildete Polizistin. Ohne ihre Fähigkeiten erlebt zu haben, schätze ich, dass sie eine gute Diebin ist. Dagegen komme ich mir gerade wie ein blutiger Anfänger vor. Naja, eigentlich bin ich das ja auch. Was habe ich schon groß geschafft? Einen Einbruch und einen Bankraub. Gut, der Bankraub war nicht ohne, aber alleine hätte ich sowas nie auf die Reihe bekommen.

Neugierig drehe ich meinen Kopf zu meiner Zimmergenossin. Sie sieht so nett und freundlich aus, geradezu wie ein Engel, doch wahrscheinlich hat sie einen Kinnhaken wie Mike Tyson. Ihre Augen funkeln richtig bei ihren Erzählungen und ich bin mir sicher, sie macht es nicht nur des Geldes wegen, sondern weil sie extrem viel Spaß daran hat. Nachdem ich sie einige Zeit angestarrt habe, seufzt sie irgendwann und blickt hochnäsig auf ihre Fingernägel: "Weißt du... Ich habe am Wochenende einen Auftrag bei einem Maskenball. Leider kommt man dort nur als Pärchen rein. Kannst du mir vielleicht sagen, wo ich noch eine hübsche Begleitung bekomme? Die fehlt mir nämlich noch. Selbstverständlich würde sie einen entsprechenden Anteil erhalten."

Ich verenge meine Augen und mustere sie skeptisch. Natürlich kapiere ich, was sie will. Eigentlich wollten wir auf Zatago nach dem Bankraub unsere Ruhe genießen, allerdings habe ich jetzt nichts mehr. Ich könnte ein bisschen Kleingeld gut gebrauchen. Vielleicht würde man mir auf Zatago sogar meinen Anteil geben, allerdings will ich Harry wirklich nicht wiedersehen. Außerdem wird mir ein bisschen Ablenkung sicherlich guttun. Ich brauche also einen neuen Job und dieser hier bringt mir schnell und viel Geld. Mit meinem attraktiven Lächeln schaue ich Michelle an und fahre mir dabei durch meine Haare: "Vielleicht bist du blind, aber der schönste Mensch San Franciscos sitzt gerade vor dir."

Spottend sieht sie mich an. "Ist das so? Ich wollte schon immer mal von so einem heißen Typen flachgelegt werden", fängt sie an und hebt sowohl ihre Stimme als auch ihre Hand, um mir in die Wange zu kneifen. "Nur leider bist du schwul, du süßer kleiner Schnuckel." Knurrend schiebe ich ihre Hand weg: "Nenn mich nicht süß! Ich bin heiß und habe einen ziemlich geilen Körper. Haben wir uns verstanden, Bitch?!"

Lachend hebt sie ihre Hände und schüttelt den Kopf: "Ist ja gut, ist ja gut. Okay, andere Frage. Kannst du Schlösser knacken?" Sofort schaue ich sie unverständlich an und mache eine wegwerfende Handbewegung: "Ich bitte dich. Natürlich kann ich Schlösser knacken."

"Gut. Also bist du dabei?", fragt sie. "Moment... Was genau ist dein Auftrag?", hake ich vorsichtshalber noch einmal nach. 

Michelle verdreht die Augen und streicht ihre dunklen Haare aus dem Gesicht: "Es ist ein alter Sack aus Russland. Er hat einen Zweitwohnsitz in Cannes und dort wurde ein ziemlich wertvolles Familienerbstück entwendet. Es ist ein Diamantencollier, das über eine Millionen Dollar wert ist. Es befindet sich nun in den Händen eines noch reicheren Sacks, der hier in San Francisco wohnt. Nach außen hin gibt dieser sich vorbildlich und schmeißt Charity-Veranstaltungen, spendet große Summen und solchen Kram. Damit das auch so bleibt, lässt er einige Dinge mitgehen. Und nun hat er sich eben mit dem Falschen angelegt. Dieser Maskenball ist eine ebensolche Benefizveranstaltung. Ich habe meine Kontakte spielen lassen und eine Einladung anfertigen lassen, mit der wir auch in sein Domizil kommen."

Verstehend nicke ich. Das hört sich total spannend an und am liebsten würde ich vor Aufregung in die Hände klatschen. Allerdings beeindruckt mich Michelles Lässigkeit und ganz ohne mein Zutun hat sich mein Inneres soeben entschieden, sich etwas angemessener zu benehmen und künftig weiterhin kriminell zu bleiben. Mit Sicherheit nimmt sie mich nur einmal mit und danach werde ich alleine für mein Essen sorgen müssen. Das klingt ein bisschen, als wäre ich Jäger, aber sind das Diebe nicht irgendwie auch? Immer auf der Suche nach Beute. Und um auch als Einzelgänger an Beute zu kommen, werde ich jeden Tipp und Trick gerne annehmen.

Mit dieser Erkenntnis beuge ich mich grinsend vor und reibe mir die Hände: "Was springt für mich dabei raus?" Schnaubend sieht sie mich an und schlägt dann Folgendes vor: "Doch schon so aufs Geld fixiert, hm? Naja, meinetwegen kannst du 20% haben, das wären hier 15000 Dollar."

Sowohl meine Stirn als auch meine Lippen kräuseln sich: "Michelle, meine Süße. Ohne mich kommst du da doch gar nicht rein, hm? Es hängt also alles von mir ab und da finde ich, wären 50% auf jeden Fall angebracht." Oh, was war das? Diese Stimme habe ich schon viel zu lange nicht mehr von mir gehört. Aber verdammt, sie gefällt mir!

Michelle stöhnt genervt und verdreht die Augen: "40% ist mein letztes Angebot. Ansonsten suche ich mir jemand anderen. Und ich finde jemanden, glaub mir."

40%? Also würde ich mit diesem Auftrag 30000 Dollar kassieren. Wow. Klingt für einen einzigen Abend nicht übel. "Deal!", sage ich daher schnell.

Grinsend hält sie mir die Hand hin, die ich daraufhin auch rasch schüttle. "Mich freut es, dass wir ins Geschäft kommen. Aber damit das gleich klar ist... Es wird kein Kerl flachgelegt! Das ist ein Job! Mein Onkel hat mir sehr wohl erzählt, was du für ein Casanova bist!"

"Och schade", schmolle ich gespielt, denn eigentlich fühle ich gerade tausend Nadelstiche. Wie könnte ich jetzt schon mit einem anderen Kerl ins Bett springen?! Mein Herz will nur Harry.

Harry, Harry, Harry!

Auch wenn ich früher liebend gerne täglich meine Sexpartner getauscht habe, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, jetzt mit einem anderen Typen zu vögeln. Es ist total merkwürdig, aber allein dieser Gedanke widert mich an. Scheiße, wie soll ich nur jemals von Harry loskommen?! Mir schnürt sich die Kehle zu und ich schließe einen Moment die Augen. Ich vermisse ihn so unglaublich sehr. Wenn ich in mich hineinhöre, fühle ich, wie sehr ich mich mit jeder Faser meines Körpers nach ihm sehne und wie einsam ich mich ohne ihn fühle. Die Vorstellung, dass er mich vielleicht schon ausgetauscht hat, kann ich nicht ertragen. Um dieses Bild schnellstmöglich wieder loszuwerden, öffne ich rasch meine Augen. Genau das bereue ich allerdings sofort, denn mir rollt dabei eine Träne über die Wange. Rasch wische ich sie weg, doch Michelle hat es bereits gesehen. "Du liebst ihn sehr oder?", fragt sie sanft.

Stumm nicke ich, weil ich mir sicher bin, dass meine eben noch so feste Stimme genau das nicht mehr ist. Wie konnte er mir das antun? Noch immer ist es unbegreiflich für mich. 

Zatago II - [Larry-AU]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt