Kapitel 21

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Ich blickte mich in der VIP suchend um. Na klasse, wie sollte ich denn hier meinen Tisch finden. Neben mir stand auf einmal eine Dame schätzungsweise Anfang fünfzig und blickte sich genauso suchend um.
"Wissen Sie auch nicht, wo Sie hin müssen?", sprach sie mich an. Irgendwie hatte sie einen leichten Akzent. Das hörte sich voll niedlich an. Bestimmt kam sie aus Bayern, Österreich oder der Schweiz. Ich schüttelte lächelnd meinen Kopf "Nein, ich habe keine Ahnung, wo mein Tisch ist." Gerade als wir beide wieder auf unsere Karten schauten, kam eine von diesen korrekt gekleideten Hostessen auf uns zu. Natürlich war auch dort das Kostüm schwarz und die Bluse gelb, so wie hier das gesamte Ambiente.
"Darf ich Sie zu Ihren Tischen führen?" Und schon griff sie nach den Karten. "Oh, wie ich sehe, sitzen Sie ja am gleichen Tisch. Dann folgen Sie mir doch bitte." Wir liefen ihr also zügig hinterher. Man hatte die trotz ihrer High Heels einen Schritt am Leib. Da zuckte mein Knöchel ja gleich wieder. Scheinbar war mir das auch anzusehen, denn meine Tischgenossin schaute mich an "Ist alles okay? Haben Sie irgendwie Schmerzen?", fragte sie mich besorgt und blieb einfach stehen. Ich rieb mir kurz den Knöchel.
"Geht schon wieder. Ich habe mir nur vor kurzem den Knöchel verstaucht."
Gerade als wir weiter wollten kam auch diese Hostess zurück, um uns wieder einzufangen. Wahrscheinlich hatte sie erst als sie uns am Tisch zutextete bemerkt, dass wir gar nicht mehr da waren. Jedenfalls schien sie ein wenig säuerlich, dass sie noch einmal zurück musste. Bei den Schuhen konnte ich das verstehen. Da willst du keinen unnötigen Schritt gehen.
"Da drüben wäre dann Ihr Tisch." Sie deutet mit ihrer Hand zu einem circa zehn Meter entfernten vierer Tisch und dackelte schon wieder ab. Die war ja mal mega engagiert. Hatten wir der irgendetwas getan?
"Also, wenn Sie sich den Knöchel verstaucht haben und mit mir am gleichen Tisch sitzen, müssen Sie Jasmin sein. Roman hat mir schon viel von Ihnen erzählt.", lächelte mich meine Tischgenossin an. Dann war das also Romans Mutter. Ich schaute sie mir genauer an. Sie hatte wirklich ein wenig Ähnlichkeit und war auch sehr sportlich gekleidet. Aber bitte, was hatte ihr Roman schon alles über mich erzählt? Er kannte mich doch kaum. Das war ja echt komisch. Bestimmt hatte sie das nur aus schweizer Höflichkeit gesagt.
"Ja, ich bin Jasmin, aber bitte duzen Sie mich doch." Ich reichte ihr meine Hand zur Begrüßung.
"Gerne doch, Jasmin. Dann duzt du mich aber auch. Ich bin Karin.", grinste sie mich an. Kaum, dass wir uns gesetzt hatten, waren wir auch schon am schnattern. Ich fragte mich wirklich, warum Roman so komisch getan hatte als er gesagt hatte, dass ich neben seiner Mutter sitzen müsste. Karin war voll lustig und unkompliziert. Ich fragte mich wirklich, warum ihr Sohn da eher die Spaßbremse war. Von seiner Mutter hatte er das mit Sicherheit nicht geerbt. Na, wer weiß wie sein Vater war. Vielleicht war der ja so verklemmt wie Roman.

"Menschenskind, hast du mit der Blase? Du warst ja während des Spiels dauernd auf Toilette. So viel hast du doch gar nicht getrunken. Oder geht es dir nicht gut?", fragte mich Karin jetzt ganz besorgt. Stimmt, ich hatte von dem Spiel wirklich nicht viel mitbekommen, denn in der zweiten Halbzeit war ich dauernd auf Toilette gerannt, damit ich nach dem Spiel auf keinen Fall musste. Ich musste doch sicher stellen, dass ich auch auf alle Fälle am Tisch war, wenn mein Leo kam. Das konnte ich ja jetzt so aber nicht sagen, obwohl Karin würde sich darüber wahrscheinlich totlachen. Also haute ich die ganze Story raus und wie erwartet hielt sie sich jetzt den Bauch vor lachen.
"Na dann lass' uns am Tisch festketten. Roman wird heute auf den Bittencourt bestimmt nicht so gut zu sprechen sein." Ich schaute sie irritiert an. Wieso das denn?
"Ach Mensch ja, du warst ja gerade wieder auf Toilette als der ihm einen Ball reingezimmert hat. Na glücklicherweise haben ja Durm und Pulisic auch noch eins gemacht." Manno, was hatte ich denn da alles versäumt. Leo hatte ein Tor gemacht und ich hatte es verpasst. Das Tor von Erik auch. Naja, was sollte es. Manchmal musste man auch Prioritäten setzen. Und meine war die Trikotübergabe in der VIP. Jedesmal, wenn die Tür hinter uns aufging, zuckte ich zusammen. Ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her.
"Mensch Jasmin, du machst mich ja auch schon ganz nervös. Wenn du so weiter machst, ist deine Hose gleich durchgerubbelt." Karin grinste mich an als sich gerade wieder die Tür öffnete. Ich zuckte zusammen und hielt die Luft an, denn durch die Tür kam kein geringerer als Leonardo Bittencourt und er hatte ein Trikot in der Hand. Er steuerte genau auf unseren Tisch zu und ich saß da wie in Eichhörnchenstarre. Gleich war Leo bei mir. Ich war total paralysiert.
"Hallo, du bist also Jasi und ein absoluter Fan von mir.", begrüßte mich Leo und umarmte mich, während ich ihn nur anstarrte. Der musste mich doch für einen Psycho halten, aber mein Mund war total trocken und wollte sich überhaupt nicht bewegen. Ich spürte einen leichten Tritt gegen mein Schienbein und sah Karin, die mir Zeichen mit ihren Augen gab. Plötzlich erwachte ich aus meiner Trance und sprang auf und umarmte Leo auch
"Ja, ich bin Jasi, ein absoluter Fan von dir. Ich habe zu Hause auch schon einige Trikots von dir, aber noch keins, was du getragen hast.", quietschte ich. Leo grinste mich an "Na dann wird es ja Zeit. Ich habe auch schon unterschrieben." Als er es mir in die Hand drückte, war ich kurz vorm Platzen.
"Leo, kommst du. Der Bus wartet nicht.", rief Jonas Hector durch die geöffnete Tür. Musste das sein? Der musste doch jetzt wirklich nicht stören. Scheiß doch auf den Bus. Ich würde Leo nachher auch eigenhändig nach Köln fahren oder mit ihm da hinlaufen, waren doch nur um die 100 Kilometer oder so. Also gar kein Problem. Das hielt mein Knöchel schon aus.
"Ja, ich muss dann mal. Wir sehen uns ja auf der Hochzeit.", verabschiedete sich Leo von mir, umarmte mich noch einmal und drückte mir einen Kuss auf die Wange bevor er wieder durch die Tür verschwand.
"Er hat gesagt, wir sehen uns auf der Hochzeit wieder.", stammelte ich.
"Ja, Jasmin. Das hat er gesagt. Aber jetzt lasse mal gucken, was er auf das Trikot geschrieben hat.", grinste mich Karin an. Ich faltete also das Trikot auseinander und auf der Brust stand Für meinen größten Fan Jasmin  und dahinter war ein Herzchen.
"Er hat sogar ein Herzchen hin gemacht.", strahlte ich bevor ich das Trikot nahm und knuddelte. Karin grinste nur. Und für mich war eins klar, Jonas Hector konnte ich nicht mehr leiden, schließlich hatte er Leo und mich unterbrochen. Aber zur Hochzeit sah ich ihn ja wieder. Das waren genau noch vierzehn Tage oder 336 Stunden oder 20.160 Minuten oder 1.209.600 Sekunden. Na das war ja noch ewig.

Nicht jeder Schuss ist ein Treffer  ✔ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt