Kapitel 27

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"Na hattest du noch einen schönen Abend mit Marcel und Robin?", quetschte mich Franzi gleich aus, kaum dass ich in der Tür war.
"Joa, wir waren noch ein wenig im IRoom und haben Cocktails geschlirft nachdem wir beim Essen waren. In der Pizzeria haben wir auch Roman, Erik und seinen lauchigen Kumpel getroffen."
"Ach Dogan war auch da.", lachte Marco, der gerade fröhlich pfeifend um die Ecke kam. Cool, dass er gleich wusste, wen ich meinte. Jetzt musste ich auch grinsen. Und so gut gelaunt wie die beiden waren, musste dieser Spruch mit dem Versöhnungssex wohl wirklich zutreffen.
"Und ihr habt es ordentlich krachen lassen?", zwinkerte ich Franzi zu.
"Eine Lady genießt und schweigt.", kam sofort die grinsende Antwort.
"Na, das ist ja prima, dann können wir ja heute noch den Rest der Tischordnung fertig bekommen, ohne dass ihr euch erschlagt." Wenn die so gute Laune hatten, musste ich die Gunst der Stunde für diese unangenehme Aufgabe nutzen.
"Mädels, ihr macht das schon. Ich muss leider zur Reha.", verabschiedete sich Marco grinsend. Na der hatte sich ja jetzt gut aus der Affäre gezogen. Aber vielleicht bekamen wir zwei Mädels das letzte Bisschen streßfreier hin.
Ich schaute auf meine Uhr. In fünf Stunden oder auch 300 Minuten oder auch 18.000 Sekunden wollte Erik mich abholen. Das wäre doch gelacht, wenn wir bis dahin nicht alle auf irgendeinen Platz verfrachtet hätten.
"Was schauste denn so auf die Uhr? Haste noch was vor?" War klar, dass Franzi das sofort auffiel.
"Erik wollte mich nachher abholen."
"Na dann lass' uns zusehen, dass wir fertig werden. Nicht, dass du keine Zeit mehr zum fertig machen hast."
Ich schaute noch einmal in den Spiegel. Meine Haare hatte ich zu einem Zopf gebunden, das Make up war dezent und die Klamotten sportlich. Also alles perfekt. Ich rannte die Treppe runter als es klingelte. Franzi war mir aber zuvor gekommen und stand mit Erik an der Tür.
"Da ist ja meine Süße. Bist du fertig? Du siehst richtig hübsch aus.", grinste er mich an. Da waren wieder diese Grübchen. Da war wieder mein Kinderschokijunge. Mein Herz machte einen Hüpfer als er mich in seine Arme zog und einen kurzen Begrüßungskuss gab. Okay, das hatte ich wirklich die letzten Tage vermisst.
Wir waren eine ganze Zeit mit dem Auto gefahren. Ich hatte keinen genauen Plan, wo wir waren. Es musste irgendwo zwischen Bochum und Witten sein, wenn ich die Schilder so auf der Autobahn verfolgt hatte, die an uns vorbeiflogen. So ein bisschen wünschte ich mir gerade Romans Fahrstil. Manchmal fragte ich mich wirklich, ob Erik das alles so unter Kontrolle hatte. Aber wie hatte mein Vater schon immer gesagt, man musste glauben können. Also glaubte ich einfach daran, dass uns nichts passierte und lehnte meinen Kopf an die Scheibe und schloß kurz die Augen. Im Radio lief laut Dua Lipa. Naja, nicht unbedingt mein Musikgeschmack, aber man konnte damit leben. Ich war echt gespannt, was Erik geplant hatte. Auf dem Rücksitz hatte ich einen Picknickkorb entdeckt. Das versprach also chillige Zweisamkeit. Als das Auto stoppte, öffnete ich meine Augen wieder. Wir standen jetzt auf einem Parkplatz an einem See.
"Na komm Süße, jetzt gehen wir Bootfahren." Erik schnappte sich den Picknickkorb und meine Hand und zog mich zu den Bootsanlegern. Hier standen richtig schöne Segelboote. Ich liebte es zu segeln. Früher war ich zusammen mit Franzi Regatta gesegelt. Wir hatten zusammen ein Boot. Ein Blick über den See zeigte mir, dass er recht groß war. Der Wind war auch in Ordnung. Also perfekte Segelbedingungen. Ich freute mich schon richtig. Das hätte ich Erik gar nicht zugetraut. Also diese Überraschung war ihm wirklich gelungen. Halt mal Stop, wo wollte der denn jetzt hin? Die Segelboote waren doch alle hier am Steg. Warum lief er zu dem nächsten? Ach nö, oder? Dort standen die Tretboote. Na ja gut. So lange ich nicht mit so einem dämlichen Schwan oder VW Käfer durch die Gegend gurken musste, war das ja auch okay. Wir liefen also weiter den Steg herunter und blieben natürlich vor so einem Schwan stehen.
"Ich habe extra so einen Schwan gebucht, weil du auch so stolz und hübsch wie ein Schwan bist.", lächelte Erik mich an und zog mich in seine Arme. Boah, der wieder mit seinen Bergseen, Grübchen und leicht roten Wangen. Wie sollte man denn da widerstehen. Und bei der Erklärung würde ich nur noch mit Schwänen als Tretboot fahren. Als er mich jetzt küsste, war ich wieder im siebten Himmel.
Erik kletterte mit dem Korb in das Tretboot und hielt mir dann seine Hand hin, um mir hineinzuhelfen. Mein Childface war heute ein richtiger Gentleman. Er hatte mir vorhin schon die Tür vom Auto aufgehalten. Scheinbar hatte er wirklich verstanden, was ich erwartete, wenn etwas aus uns werden sollte. Glücklich setzte ich mich also in den Sitz und strampelte zusammen mit Erik los.
"Wie heißt der See hier eigentlich?"
"Das ist der Kemenader See. Ich komme hier gerne her. Mit meinen Kumpels haben wir schon öfter Bootstouren gemacht. Dogan findet das hier auch voll geil." Okay, da waren wieder die Worte, die ich jetzt nicht hätte hören müssen. Nämlich Kumpels und vorallem Dogan. Aber nein, von dem, der schlimmer als jede böse Schwiegermutter war, würde ich mir diesen Ausflug nicht verderben lassen.
"Ist wirklich schön hier."
"Süße, magst du was essen oder trinken? Ich habe genug dabei." Erik griff in den Korb und holte Weintrauben heraus, mit denen er mich sofort fütterte. Es dauerte nicht lange und wir fütterten uns gegenseitig mit allen möglichen Leckereien.
"Komm, lass uns umdrehen. Da hinten ziehen Cumulusnimbus Wolken auf. Das gibt bald ein Gewitter." Als Seglerin hatte ich es gelernt immer schön das Wetter im Auge zu behalten.
"Ach Quatsch, Süße. Ist doch noch voll schön.", grinste mich Erik an und beugte sich zu mir um mich wieder ausgiebig zu küssen. Nicht, dass mir das nicht gefiel, aber mein Blick ging wieder zum Himmel und was ich da sah gefiel mir gar nicht. Ich fing einfach an wieder in die Pedale zu treten.
"Man Süße, jetzt mach doch hier nicht solche Panik. Aber wenn du keinen Bock hast, dann strampeln wir halt zurück." Manno, war der jetzt eingeschnappt und angepisst.
Wir strampelten also wortlos zurück. Gerade als wir das Boot wieder festgemacht hatten und die ersten Schritte auf dem Steg machten. Blitzte es auch schon und der Donner folgte ziemlich schnell. Erik sprang erschrocken zur Seite und rutschte vom Steg ab. Im Fallen versuchte er noch irgendwie Halt zu finden und griff nach meinem Arm. Ach nö bitte nicht, war alles, was ich noch dachte, bevor ich auch schon zusammen mit ihm im Wasser landete. Na, das war ja echt eine Superidee. Ich konnte diesen Riesen mit seinen über siebzig Kilos natürlich locker mit meinen fünfzig Kilos halten. Wie verblödet war der eigentlich? Ich tauchte gerade wieder aus dem Wasser auf als auch Erik mir gegenüber prustend wieder auftauchte. Als wir jetzt schnellstens die Leiter, die sich glücklicherweise am Ende des Stegs befand, hochkletterten, blitzte und donnerte es schon wieder. Jetzt hieß es aber schleunigst ins Auto zu kommen. Gerade bevor ein Platzregen einsetzte, ließen wir uns mit unseren triefendnassen Klamotten auf die weißen Ledersitze seines Mercedes fallen. Ich schaute Erik an und musste lachen. Ihm hing immernoch eine Alge über dem Ohr und er schaute bedröppelt als hätte man ihm sein Lieblingsspielzeug weggenommen.
"Ach schau doch nicht so, es war doch ein wunderschöner Ausflug.", versuchte ich ihn zu trösten und beugte mich zu ihm, um das mit einem liebevollen Kuss auch noch zu unterstreichen. Sofort erschienen wieder seine Grübchen und er strahlte wie eine Taschenlampe in der Nacht.
Der Ausflug war ja auch wirklich schön. Wir beide hatten eine schöne Zeit ganz alleine, aber ehrlich gesagt hätte ich auf das Bad in der Algen- und der Entengrütze echt verzichten können. Das ganze Auto duftete nach unserem neuen Parfum und ein Blick auf die Sitze sagte mir, dass die wohl hinüber waren.

Nicht jeder Schuss ist ein Treffer  ✔ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt