Kapitel 71

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Ich saß neben Karin und Martin auf der Tribüne. Auf meiner anderen Seite saß Franzi. Meine Gedanken schweiften zu dem Gespräch mit Karin heute morgen. Irgendwie ging es mir gar nicht aus dem Kopf.
"Jasi, was ist denn heute mit dir los?" Franzi stupste mich an.
"Ach nichts." Sie schaute mich an.
"Das kannst du jemand anderem erzählen, aber nicht mir. Komm lass uns mal kurz auf Toilette gehen. Die spielen heute sowieso wieder einen Mist zusammen, dass es ja schon weh tut." Das hatte ich gar nicht mitbekommen. Genau genommen hatte ich überhaupt nicht viel von dem Spiel mitbekommen, weil ich die ganze Zeit grübelte, wie ich Roman nachher darauf ansprechen sollte. "Hat Roman wieder daneben gegriffen.", fragte ich sie schockiert. Das würde ja gerade noch fehlen, dass der ganze Hate wieder losging.
Franzi schüttelte den Kopf "Du bist ja wirklich ganz woanders, wenn du das nicht mitbekommen hast. Nicht nur er hat daneben gegriffen. Die spielen alle wie unterste Kreisklasse. Los komm jetzt, da ist ja wohl ganz dringender Gesprächsbedarf."
Wir liefen also zur Toilette, kaum dass die Tür zu war, schoss Franzi auch schon los " Jetzt aber raus mit der Sprache. Was ist los?"
"Naja, ich habe doch mitbekommen, dass Roman in ein Mädel verschossen ist, das Jasmin heißt. Und heute morgen habe ich mich mir seiner Mutter darüber unterhalten."
"Mensch Jasi, jetzt eier hier nicht rum. Ich wollte noch vor der Entbindung der Drops hier raus sein.", unterbrach mich Franzi.
"Naja, meinst du, ich könnte das sein?" Hinter uns quietschte eine Toilettentür und Jenny kam grinsend aus der Kabine. Nö, oder? Die hatte das doch jetzt nicht auch noch mitgehört. Peinlich, peinlicher, Jasi. Die perfekte Steigerung.
"Ist bei dir jetzt endlich auch mal der Euro gefallen.", lachte Franzi.
"Ja, aber centweise.", stieg Jenny mit ein. Was sollte das denn jetzt heißen.
"Jetzt gucke nicht wie eine Kuh, wenn es donnert. Das war uns allen schon längst klar, so wie der dich immer anschaut und immer sofort zur Stelle ist, um dir zu helfen." Ich schaute Franzi schockiert an.
"Und wie schaut es bei dir aus?", kam jetzt Jenny neugierig um die Ecke. Das war wirklich eine gute Frage. Roman war lieb, nett, zuvorkommend, hilfsbereit, sexy. Aber reichte das ? Ich hatte mir da wirklich noch keine Gedanken zu gemacht.
"Keine Ahnung. Er ist einfach mein bester Freund, auf den ich mich immer verlassen kann. Aber mehr ist da nicht. Glaube ich." So richtig sicher war ich mir gerade nicht. Ich verbrachte ja schon unwahrscheinlich gerne Zeit mit ihm und machte mir Sorgen wegen der ganzen Hater. Aber das machte man doch auch bei einem guten Freund.
"Kommt lasst uns weiter das Drama schauen.", kam es jetzt von Jenny "Lange ist ja nicht mehr. Da können wir nachher wieder eine Menge Trostarbeit leisten."
Wir liefen also wieder zu unseren Plätzen. Warum standen denn Martin und Karin und starrten auf das Spielfeld hinunter. Karin hatte die Hände vor den Mund geschlagen. Als ich näher kam sah ich, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. Martin legte gerade seinen Arm um sie. Roman hatte doch hoffentlich nicht gerade wieder so einen Aussetzer. Ich schaute also zum Spielfeld. Warum standen die Spieler denn da alle nur rum? Ich schaute nach Roman und dachte mich trifft der Schlag. Roman lag vor seinem Tor und bewegte sich nicht. Die Sanitäter und der Mannschaftsarzt waren um ihn herum. Scheiße, was war da passiert? Warum bewegte er sich nicht? Mein Puls fing an zu rasen und mein Magen zog sich zusammen. Jetzt kamen die mit der Trage und legten ihn darauf. Immer noch bewegte er sich nicht. Mist, das sah überhaupt gar nicht gut aus.
"Was ist passiert?", wandte ich mich an Romans Eltern.
"Er wollte einen Ball halten und hat einen Tritt gegen den Kopf bekommen.", antwortete mir Martin.
"Er bewegt sich die ganze Zeit nicht.", schluchzte Karin. Ein Tritt gegen den Kopf war heftig. In meinem Kopf setzte sich ein Kopfkino in Gang. Und es rauschten Worte wie Gehirnblutung, Schädelhirntrauma, Koma und Michael Schumacher durch meinen Kopf. Nö, das durfte nicht sein. Nicht Roman. Scheiße, genau in diesem Moment war mir etwas klar geworden. Ich hatte mich in ihn verliebt. Er musste wieder fit werden. Ich musste das ganz dringend mit ihm klären.
"Mensch Jasi, jetzt zappel hier nicht so herum. Greif dir seine Eltern und fahr ins Krankenhaus.", Franzi gab mir einen Schubs. Sie hatte Recht. Woanders würden wir drei wahrscheinlich sowieso durchdrehen.
"Los, lasst uns ins Krankenhaus fahren.", forderte ich also Romans Eltern auf.
"Gute Idee, aber du fährst nicht, so aufgebracht wie du bist. Gib mir mal die Autoschlüssel." Martin nahm mir wirklich die Schlüssel ab und fuhr los. Auch da konnte man auf einen Vaterschaftstest verzichten. Martin fuhr auch im Schleichtempo gemäß der Straßenverkehrsordnung. Der bremste auch bei gelb anstatt da noch schnell durchzuflutschen. Ich rutschte auf meinem Sitz hin und her. Man, konnte der denn nicht einmal ein bisschen Gas geben? Ich wollte jetzt so schnell wie möglich zu Roman. Ich musste wissen, was mit ihm war und ob es ihm gut ging. Mir schossen wieder die Bilder wie er vom Feld getragen wurde durch den Kopf und Panik machte sich in mir breit.
"Mensch Martin, jetzt fahr doch mal ein bisschen schneller. Wir wollen doch noch heute zu Roman.", meckerte jetzt auch Karin.
"Wir sind ja schon da.", brummte er nur und parkte ein. Ich schaute aus dem Fenster. Tatsache standen wir vor dem Krankenhaus. Ich sprang aus dem Auto und sprintete zur Notaufnahme.
"Ich will zu Roman Bürki. Der müsste gerade eingeliefert worden sein" Die Tante an dem Anmeldungstresen schaute mich von oben bis unten an "Ja klar, und ich will zu Marco Reus." Kopfschüttelnd wendete sie sich wieder ihren Unterlagen zu.
"Wissen Sie, das ist mir piepegal. Der ist sowieso mit meiner Freundin verheiratet. Da haben Sie keine Chancen mehr. Und jetzt sagen Sie mir gefälligst wo Roman ist." Die hatte doch wohl einen Knall.
"Ja, schön und meine Freundin ist mit Obama verheiratet." Wollte die mich verarschen?
"Wir möchten gerne zu unserem Sohn Roman Bürki.", meldete sich jetzt Karin neben mir zu Wort.
"Noch so eine.", die Tussi schüttelte den Kopf "Ist heute im Irrenhaus Ausgang, oder was?" Karin zischte empört als Martin seinen Ausweis vor die Trude legte "Können Sie mir bitte sagen, wo mein Sohn liegt."
Miss ich-gebe-keine-Auskunft lief rot an "Aber natürlich, Herr Bürki. Ihr Sohn liegt in Zimmer 501. Das ist in der fünften Etage. Dort drüben finden Sie die Fahrstühle." Was war das? Die konnte ja auf einmal auch freundlich. Martin griff Karins Hand und zog sie Richtung Fahrstuhl. Ich lief hinterher "Halt, stop, Sie da.", keifte die Trulla mir auf einmal hinterher und zog mich am Ärmel meiner Jacke zurück. Jetzt reichte es aber. Ich war kurz davor ihr eine zu schmieren. Wütend riss ich also mit meinem Arm. Die Alte hatte ja einen Griff wie eine Feststellzange. "Lassen Sie jetzt gefälligst meine Schwiegertochter los.", fuhr Martin sie auf einmal an. Hatte der eben Schwiegertochter gesagt? Madam ließ mich wirklich sofort los.
"Ähm , oh Entschuldigung, Frau Bürki.", stotterte sie jetzt auf einmal. Noch ein bisschen und sie würde einen Knicks vor mir machen.
Ich lief also zu Martin und Karin, kurz vor dem Fahrstuhl drehte ich mich um und grinste die Tante an "Und einen schönen Gruß an Michelle.". Das musste jetzt sein. Die ihr Blick war echt der Hammer.

Nicht jeder Schuss ist ein Treffer  ✔ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt