Kapitel 62

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"Na, gut geschlafen?" Roman schaute von der Zeitung auf als ich in die Küche kam und lächelte mich an. Ja, ich hatte wieder bei Roman übernachtet. Gestern nach dem Essen hatte es mich gegruselt alleine in  Marcos Haus zu übernachten. Als ich also beim Austeigen aus dem Auto so getrödelt hatte, hatte Roman eins und eins zusammengezählt. Ich hätte ihm gar nicht zugetraut, dass er das so schnell mitschnitt. Glücklicherweise hatte er dann einfach den Vorschlag gemacht, dass ich ja bei ihm schlafen könnte und wir morgen, also sprich heute meine Sachen packen und holen konnten und ich dann eben jetzt schon bei ihm einzog. Ich war so happy nicht mich gruseln zu müssen, dass ich sofort zugestimmt hatte.
"So gut wie schon lange nicht mehr.", lachte ich. Und das stimmte auch. Ich hatte super geschlafen. Als mir Roman jetzt auch noch eine Tasse Kaffee eingoss und hinstellte, war mein Tag schon total gerettet. Heute konnte gar nichts mehr schief gehen.
"Also, ich muss bald zum Training. Was hälst du davon, wenn ich dir schon einmal einen Schlüssel gebe und dann kannst du hier rein und raus wie du magst." Man, der hatte ja ein echt niedliches Lächeln. Warum war mir das eigentlich vorher noch nie aufgefallen? Ich nickte nur. Mein Blick fiel auf die Uhr. Ich sprang wie von der Hummel gestochen auf "Scheiße, ich muss los. Die Spedition holt ja gleich die Sachen ab." Ich zog mein Handy raus und fing an die Öffis zu googeln. "Was machst du denn da?" Man, was war Roman denn auf einmal so neugierig?
"Na, gucken wie ich mit den Öffis zu Marco komme.", meckerte ich. Das waren hier aber auch irgendwie viel kompliziertere Verbindungen als in Berlin. Warum musste der eigentlich am Arsch der Welt wohnen und nicht wie Roman citynäher?
"Wieso Öffis?" Also so langsam nervte diese Fragerei ja. War ich hier bei Wer wird Millionär oder in einer anderen Quizshow?
"Weil du mich gestern mitgenommen hast und mein Auto sowieso noch am Krankenhaus steht."
"Ach stimmt ja." Juhu, endlich war Roman auch erleuchtet, aber warum sprang er jetzt auch auf? Ich schaute ihm kopfschüttelnd hinterher. So, jetzt musste ich mich aber beeilen, wenn ich es noch pünktlich schaffen wollte. Ich schaute bedauernd auf die leckerduftenden Brötchen. Dafür hatte ich definitiv keine Zeit mehr, sooft wie ich umsteigen musste.
"Wo willst du denn hin?" Heute schaffte mich der Schweizer wirklich.
"Habe ich dir doch schon erklärt. Zu Marco.", brummte ich genervt. "Und ich muss mich jetzt beeilen, sonst stehen die von der Spedition vor verschlossenen Türen."
"Nö, du hast noch genug Zeit, du musst ja auch noch etwas frühstücken." War der so schwer von Begriff? Was gab es an ich muss mich beeilen eigentlich nicht zu verstehen. Gut, er war Schweizer und wahrscheinlich kam das Wort beeilen in deren Wortschatz nicht vor. Also versuchte ich es noch einmal ganz langsam "Ich bin spät dran und ich muss ein paar mal umsteigen, sonst können die Leute von der Spedition nicht ins Haus. Also kann ich nicht mehr frühstücken."
"Doch kannst du." Verstand der mich immer noch nicht ? So langsam war meine Geduld aufgebraucht. Schweizer hin oder her. Was hielt er mir denn jetzt vor die Nase? 
"Du nimmst meinen Mercedes. Da passen auch deine Sachen rein. Ich komme dann nach dem Training vorbei und helfe dir beim Verladen. Und wenn alles hier ist, fahre ich dich zum Krankenhaus dein Auto holen. So, und jetzt kannst du noch in Ruhe mit mir frühstücken. Manchmal habe ich echt das Gefühl, du hälst mich für schwer von Begriff.", grinste er mich an. Oh man, war das peinlich. War es echt so offensichtlich ? Ich griff mir ein Brötchen. Das war doch jetzt zumindestens erst einmal ein gutes Ablenkungsmanöver. Es war auch bitter nötig, denn ich hatte das Gefühl mein Kopf glühte.

Ich war gerade dabei den letzten Karton schnaufend die Treppen herunter zu tragen als er mir aus der Hand gerissen wurde. Was solte das denn jetzt?
"Konntest du nicht warten? Ich habe doch gesagt, ich helfe dir." Roman schaute mich vorwurfsvoll an "Das ist doch viel zu schwer für dich."
Wie kam der denn jetzt hier rein? Achja, die Spedition hatte ja die Türen offen stehen, damit sie immer rein und raus konnten.
"Frau Humboldt, wir wären jetzt auch fertig.", grinste mich gerade einer der Mitarbeiter an. "Die Schlüssel für die andere Wohnung haben wir ja. Wenn wir dort fertig sind, werfen wir sie in den Briefkasten." Ich nickte nur und schaute zur Tür, wo gerade wieder Roman erschien.
"So, dann bringen wir dich und deine Sachen mal in dein neues zu Hause.", grinste er mich an.
"Vorübergehendes", lachte ich, denn zu Hause war für mich das, wo ich für immer blieb mit den Menschen, die mir wichtig waren.
Was brubbelte Roman den sich jetzt in den Bart? Wenn ich das richtig verstanden hatte, dann hörte sich das nach nicht wenn es nach mir geht an. Aber das konnte doch unmöglich sein. Oder war es ihm vielleicht jetzt doch nicht so recht, dass ich bei ihm wohnte und er bereute es schon mir das angeboten zu haben? Vielleicht traute er sich nur nicht einen Rückzieher zu machen. Da musste ich ihm echt noch einmal auf den Zahn fühlen.

"So, jetzt haben wir alle Kisten hier.", grinste er. Während ich schon kräftig am Schrank einräumen war, hatte Roman alle Kartons angeschleppt. Das war echtes Hand in Hand arbeiten. Ich griff mir also die letzte Kiste und packte sie aus.
Als ich fertig war, drehte ich mich einmal in meinem neuen Zimmer im Kreis und ließ mich dann auf das Bett plumpsen. Es war wirklich schön hier. Ich hörte ein leises Klopfen am Türpfosten umd sah zur Tür. Dort stand Roman mit einem Blumenstrauß und einem Brot in der Hand. Was wurde das denn jetzt?
"Ich...ich wollte dich hier willkommen heißen." Roman hielt mir den Strauß und das Brot und einen Salzstreuer entgegen.
"Danke, aber das macht man doch nur, wenn jemand richtig einzieht. Oder ist das bei euch in der Schweiz anders?"
Roman fuhr sich mit der Hand durch den Nacken "Öhm...öhm, ja. Das ist bei uns so ein Brauch. Bei euch doch auch." Man konnte es ja auch mit den Bräuchen übertreiben. Obwohl irgendwie war das ja auch niedlich mit den Blumen und dem Brot.

Nicht jeder Schuss ist ein Treffer  ✔ Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt