Kapitel 39

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Melissa's Sicht
Nicht wissend was mich erwartete schaute ich auf meinen Teller, auf dem noch eine drei viertel Pizza lag. Seine ruhige Stimme überraschte mich immer wieder:
„Das ist bestimmt schwierig für dich."

Ich lächelte ihn an:
„Nein, es ist gut so. Ich kann sie verstehen, warum sie nicht bei mir wohnen will und das ist in Ordnung. Du musst kein Mitleid haben."

Ich hasste es, wenn jemand Mitleid zeigte. Dann fühlte es sich viel schlimmer an, als es eigentlich ist und ich könnte direkt anfangen in Tränen auszubrechen.

Daniel schob sich seine Pizza zwischen die Zähne:
„Kennenlernen kann ich sie doch trotzdem oder?"

Auch ich knabberte an meiner Pizza:
„Klar."

Wir saßen uns still gegenüber. Jeder aß sein Essen und es war total gemütlich. Ich liebte die Atmosphäre. Es war warm. Das Kerzenlicht brachte einen Hauch von Romantik mit sich.

Mein Blick verließ meinen Teller. Daniel hatte seine Pizza bereits gegessen. Wie konnte in einen so dünnen Junge so eine große Pizza reinpassen. Ich hatte schon Probleme bei der Hälfte weiter zu essen.

Mein Bauch spannte und vor mir lag noch ein Viertel der Pizza. Ich lehnte mich zurück:
„Ich schaffe das nicht mehr."

Daniel nahm einen Schluck seiner Cola und sah mich unglaubwürdig an:
„Soll ich dir helfen?"

Ich schob ihm dem Teller rüber:
„Lass es dir schmecken."

Er verspeiste sie genüsslich. Nach 15min standen wir wieder draußen. Und was jetzt? Ich hatte keinen Schimmer. Mit zu mir nehmen konnte ich ihn nicht, dann würde er direkt die Wahrheit erfahren, was ich gerne noch verschieben würde.

Daniel fragte mich:
„Wollen wir zu mir gehen?"

Gute Idee. Ich lachte:
„Ja, gerne!"

So liefen wir in Richtung einer Bushaltestelle.

Zwanzig Minuten später waren wir da. Er schloss die Tür auf und zog seine weißen Schuhe aus. Das Haus, in dem er wohnte war sehr hell eingerichtet. Sagte mir zumindest mein erster Eindruck.

Auch ich zog meine Schuhe aus. Daniel rief:
„Mum, wir sind wieder da!"

Ich fand es immer total süß von einem Junge „Mum" zu hören. Keine Ahnung, ob ich da die einzige war.

Eine große blonde Frau kam aus, wie ich annahm, der Küche. Sie hielt mir ihre Hand hin:
„Guten Tag. Ich bin Anna. Daniel's Mutter."

Ich schüttelte ihr die Hand und lächelte sie freundlich an:
„Ich bin Melissa."

Sie wand sich an Daniel:
„Schatz, setz doch deine Kappe ab. Hier drinnen scheint keine Sonne."

Er verdrehte die Augen. Ich konnte erkennen, dass sein Gesicht leicht rot wurde. Er nahm die Kappe ab und fuhr sich durch sein blondes Haar. Er war süß, wenn er rot wurde. Seine Mutter lachte:
„Ich bin in der Küche, wenn ihr was braucht."

Damit verschwand sie wieder. Daniel ging die Treppen hoch und dann bis zu dem letzten Zimmer im Gang. Dort öffnete er die Tür und betrat das Zimmer.

Er hatte einen Fernseher, ein Bett und halt das übliche, was in so einem Zimmer stand. Seine Kappe schmiss er auf seinen Schreibtisch. Er ließ sich auf sein Bett fallen. Er sah mich fragend an:
„Was wollen wir machen?"

Ich fühlte mich leicht hilflos da stehend, weil ich nicht wusste, ob ich mich neben ihn auf das Bett setzten sollte. Meine innere Stimme sagte mir, dass ich mich mal nicht so anstellen sollte und mich einfach locker hinsetzen sollte.

Als Antwort zuckte ich mit den Schultern:
„Auf was hast du Lust?"

Er stand auf und ging auf den Fernseher zu. Daniel nahm zwei Controller und legte ein Spiel in die PS4. Einen der Controller drückte er mir in die Hand:
„Wir zocken mein Lieblingsspiel."

Er setzte sich auf sein Bett und ich tat es ihm gleich. Ich überlegte nicht, sondern tat es ohne zu überlegen.

Von dem Spiel hatte ich leider keinerlei Kenntnisse, weswegen ich eigentlich immer verlor. Ich kannte nicht mal den Namen. Das einzige was ich verstand, war die große lila Aufschrift „Niederlage", die bei der Person stand, die ich spielte.

Ich nahm ein Lachen von Daniel wahr. Ich fragte:
„Was? Ich zocke eben nicht oft."

Er spielte, dass er geschockt war:
„Nein! Das merkt man nicht."

Haha. Plötzlich wurde er ernster:
„Hast du eigentlich noch Geschwister, außer deinen Zwilling?"

Ich verneinte:
„Nein."

Wir vertieften uns wieder in das Spiel. Nach dem gefühlten zehnten Mal, dass ich mir das Wort „Niederlage" anhören musste, gab ich es auf:
„Ich kann das nicht."

Daniel grinste. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich nach Hause gehen sollte. Ich sagte:
„Ich muss los."

Daniel begleitete mich noch zur Tür. Seine Mutter kam dazu:
„Willst du schon gehen?"

Schon? Ich war locker drei bis vier Stunden hier. Sie ließ mich gar nicht antworten:
„Bleib doch noch zum Essen, Melissa."

Erst jetzt fiel mir der Geruch des Essens auf. Es roch himmlisch. Ich gab nach:
„Wer kann da schon nein sagen?"

Zufrieden schleppte mich Anna in die Küche. Dort erwartete mich ein Mann und ein Junge. Der Mann lächelte:
„Ich bin der Vater von Daniel, Michael."

Der Junge daneben kam zu Wort:
„Und ich bin der Bruder von dem Trottel, Phillip."

Anna sah ihn böse an:
„Phillip, hör auf!"

Ich setzte mich neben Daniel, nachdem ich mich vorgestellt habe. Daniel sah seinen Bruder drohend an. Geschätzt würde ich sagen, Phillip ist älter, aber ich war mir nicht sicher.

Anna häufte mir Kartoffeln, Fleisch und Soße auf den Teller. Ich bedankte mich. Phillip musterte mich:
„Du bist also die Freundin von meinem Bruder?"

Ich verschluckte mich beinahe und lief rot an. Schnell trank ich einen Schluck Wasser. Daniel antwortete für mich:
„Nein. Sie ist eine Freundin."

Nachdem ich mich beruhigt hatte, checkte ich, dass er mich gerade als eine Freundin bezeichnet hat. Wie süß war das denn? Vor einem Monat hätte ich mir im Traum nicht vorgestellt, dass dieser Junge mal mit mir sprechen würde. Ich freute mich total und lächelte ihn an.

Seine Eltern stellten mir viele Fragen, bis sie bei der Frage waren:
„Als was arbeiten deine Eltern?"

Ich antworte ehrlich:
„Sie haben eine Firma."

Seine Eltern staunten. Auch sein Bruder sah mich an, als hätte ich ihm sonst was erzählt.

Als ich fertig gegessen habe und mich bedankt habe, zog ich mich an und verabschiedete mich:
„Tschüss."

Daniel und seine Mutter standen bei mir an der Tür. Seine Mutter lächelte mich an:
„Ich hoffe wir sehen uns wieder."

„Ja, bestimmt. Ciao."

Damit verließ ich das Haus. Aber nicht, ohne mich nochmal umzudrehen und zu winken. Seine Familie war echt nett. Okay sein Bruder war eine kleine Ausnahme, aber ich denke, dass das normal war.

Alleine schlenderte ich durch die Straßen. Ich nahm einen Bus und kurz darauf fand ich mich vor meinem Haus wieder. Ich verfasste eine Nachricht.

Melissa
War cool heute.

Lost My TwinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt