Kapitel 56

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Larissa's Sicht
„Sind wir hier richtig bei der Familie von Patrick Johnson?"

Ich nickte. Die Männer betraten das Haus und begannen zu reden:
„Ihr Sohn war in eine Schlägerei verwickelt. Er liegt im Krankenhaus und hat einige Verletzungen erlitten."

Geschockt starrte ich die vor mir stehenden Männer an. Patrick war in eine Schlägerei verwickelt. Er lag im Krankenhaus. Tausend Gedanken strömten durch meinen Kopf.

Mit wem hatte er sich geprügelt? Mit Cash?

Ging es ihm gut?

Wir müssen dahin fahren!

Meine Umwelt nahm ich nur noch gedämpft wahr. Und meine Gedanken waren an einen Punkt gefesselt Ich musste zu Patrick und zwar schnell.

Mum rüttelte mich vorsichtig an den Schultern und holte mich so aus meiner eigenen Gedankenwelt heraus:
„Wir fahren hin. Larissa du bleibst bitte mit Finn hier."

Sofort protestierte ich:
„Nein, ich komme mit. Ich kann ihn jetzt nicht hängenlassen."

Dad's Besuch war schon gegangen, weswegen der wohl nicht auf Finn aufpassen konnte. Aber eins stand fest „Ich würde mit fahren, egal wie."

Dad zog sich seine Jacke an:
„Finn schläft schon und wir wecken ihn jetzt nicht."

Dann fiel mir die rettende Lösung ein:
„Melissa. Sie kann bestimmt kommen und nach ihm sehen."

Mum nahm ihre Schuhe:
„Larissa musst du unbedingt mit?"

Ich bettelte:
„Ja!"

„Dann ruf sie an!"

Sofort schnappte ich mein Handy und wählte mit zittrigen Händen ihre Nummer. Als sie abhob erklärte ich ihr das Problem und sie war sofort einverstanden.

In zehn Minuten war sie da, da ihre Mutter sie gefahren hatte. Ich zog mich an und schon saß ich im Wagen zum Krankenhaus. Ich war nervös und schaute aus dem Fenster. Es war bereits dunkel. In den Häusern brannte Licht, in einem konnte ich eine Frau sehen, die mit einem Baby an dem Fenster stand und es leicht schaukelte.

Es erinnerte mich daran, wie ich damals immer mit Melissa und meiner leiblichen Mutter an dem Fenster stand und draußen die vorbeifahrenden Autos beobachtet habe. Wir haben die Autos gezählt und jeden Abend vor dem Einschlafen laß sie uns eine Geschichte vor, bis ich woanders leben musste. An dem Ort, an den ich gebracht wurde und nie wieder von der gleichen Familie abgeholt wurde.

Doch damit musste ich mich abfinden. Ich hatte meine Schwester wieder und lebte nun in einer wunderbaren Familie und sie waren mir alle unglaublich wichtig. Ich war mehr als ein halbes Jahr bei meiner neuen Familie und musste eigentlich glücklich sein. Doch irgendwie fühlte ich mich nicht so...

Das Auto hielt an. Wir waren am Krankenhaus angekommen. Ich mochte diesen Ort nicht. Aber darüber konnte ich nicht viel nachdenken.

Wir stiegen aus dem Auto aus. In schnellen Schritten liefen wir zur Anmeldung, wo wir eine Auskunft bekamen, wo wir meinen Bruder finden konnten.

Ich rannte zu der Tür, als ich sie erblickte und betrat das Zimmer. Sofort erkannte ich Patrick's Gesicht in dem Bett. Er war bis zum Kinn zugedeckt und schien zu schlafen. Seine Haut war blass und Wunden und blaue Stellen waren auf seinem Gesicht verteilt.

Ich setzte mich auf das Bett und nahm Patrick's Hand unter der Decke hervor. Er öffnete seine Augen und schaute mich mit einem traurigen Lächeln an, welches aber auch schnell wieder verschwand.

Ich streichelte seinen Arm und eine Träne bannte sich einen Weg auf meiner Wange:
„Ich habe mir solche Sorgen gemacht, Patty."

Seine Stimme ächzte:
„Larissa."

Ich hörte Mum, wie sie auf dem Flur mit einem Arzt sprach. Ich musste Patrick eine Frage stellen, die vielleicht unpassend war, aber ich musste es wissen:
„Hast du dich mit Cash geprügelt?"

Er nickte nur, da ihm das Sprechen schwer zu fallen schien. Er strengte sich an:
„Es tut mir leid..."

Ich beugte mich über ihn und flüsterte:
„Entschuldige dich nicht! Alles wird gut. Aber mach das nie wieder! Hast du gehört?"

Er nickte. Von einem Lächeln keine Spur. Er sah schlimm aus und es tat mir so verdammt weh, ihn so zu sehen. Er schloss seine Augen. Ich strich ihm über die Wange. Er zuckte zusammen. Schnell nahm ich meine Hand weg, es tat ihm weh.

Er sah so zerbrechlich aus. Erst jetzt bemerkte ich, dass auch unsere Eltern in den Raum getreten waren. Sie stellten sich hinter mich und schauten auf ihren Sohn herab. Mum fragte:
„Wie geht's dir Patrick?"

Er reagierte nicht. Es schien als würde er schlafen, doch er schlug seine Augen auf und drückte mit wenig Kraft meine Hand. Ich sah zu Mum und Dad und erklärte ihnen, dass er nicht richtig sprechen konnte. Mum sagte:
„Wenn alles gut ist, kann er übermorgen wieder nach Hause."

Ich freute mich, doch Patrick sah mich entgeistert an. Warum, wusste ich nicht. Vielleicht hatte er Angst? Vor Cash?

In diesem Moment fand ich es gut, dass Mum mit der Schule darüber sprechen würde. Vielleicht hätte das alles dann ein Ende. Dad fragte vorsichtig:
„Sollen wir nach Hause gehen?"

Ich wollte nicht, ich konnte ihn doch nicht alleine hier zurücklassen:
„Kann ich hierbleiben?"

Mum drückte mir einen Kuss auf den Scheitel:
„Du musst morgen in die Schule, Larissa. Wir kommen morgen wieder."

Ich stand langsam auf und Patrick's Hand entglitt der meinen. Ein letztes Mal sah ich meinen verletzten Bruder an und ließ ihn schweren Herzens alleine in dieser furchtbaren Nacht zurück.

Ich sagte noch einmal:
„Ich komme wieder. Versprochen."

Dann lief ich mit meinen Eltern nach draußen. Umschlungen mit meiner Mutter. Im Auto setzte sie sich neben mich und schmiegte mich an sich. Ich sagte nichts. Hatte selber Angst morgen in die Schule zu Cash zu müssen.

Lost My TwinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt