Kapitel 37

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Larissa's Sicht
Leise schloss ich die Tür hinter mir, ging raus. Es war immer noch ziemlich warm, obwohl es Nacht war. Ich ging zu dem Waldweg, den ich mit Patrick hinaufgelaufen bin.

Alleine lief ich ihn entlang. Angst überfiel mich, dass irgendein Tier hier in dem Wald leben könnte. An der alten Hütte hatte ich am meisten Panik, dass dort jemand nur auf mich warten könnte.

Was fiel mir nur immer ein? Alleine in der Nacht durch den Wald zu spazieren.

Ich bereute es mein Bett verlassen zu haben. Wer wusste, ob Patrick überhaupt dort war.

Du musst jetzt mutig sein!

Sagte mir meine innere Stimme. Ich hörte auf sie und lief schnurstracks gerade aus. Ich näherte mich dem Ende des Weges.

Dann stand ich da. Leise stellte ich mich hinter einen Baum, beobachtete den Jungen, der vorne an dem Vorsprung saß und etwas in der Hand hielt.

Der Junge, der mir so wichtig geworden war, der einen großen Teil meines Lebens eingenommen hat. Er hat viel mit mir durchgemacht. Nun war ich an der Reihe. Ich musste ihm helfen. Er hatte etwas, dass ihn quälte.

Er sprach zu den Sternen:
„Das Leben ist ungerecht, findest du nicht? Wir verbrachten jeden Tag zusammen, dann auf ein mal hatten wir keinen einzigen Tag mehr zusammen. Es gibt keinen Tag an dem ich nicht an dich denken muss! Warum musstest du so früh gehen?
Ich vermisse dich.
Deine Worte, die mich immer aufmunternden. Du wusstest immer, was du sagen musstest.
Plötzlich warst du weg und wenig später kam sie in mein Leben. Mum und Dad dachten, ich würde leichter über dich hinweg kommen. Keiner wird dich je ersetzen können. Nicht mal sie, Larissa, die dir so ähnlich ist.
Ich wünschte ich könnte dich wieder sehen und in meine Arme schließen."

Über wen sprach er? Ich beschloss zu ihm zu gehen. Trat langsam von dem Baum hervor und ging auf ihn zu.

Als ich hinter ihm stand sah ich, dass er ein Bild in den Händen trug. Eines mit ihm und einem Mädchen. Sie sahen sich ähnlich und lächelten beide fröhlich in die Kamera.

Behutsam legte ich meine Arme um ihn. Er schaute zu mir hoch, da er unter mir saß. Er hatte geweint. Seine Augen waren rot und strahlten zum ersten Mal nicht so, wie sonst.

Er strich über das Bild, blickte wieder zu den Sternen. Ich flüsterte in sein Ohr:
„Wer ist das auf dem Bild, Patrick?"

Er murmelte:
„Meine Schwester..."

Seine Schwester? Aber... wie konnte...? Ich verstand gar nichts mehr. Was passierte mit seiner Schwester?

Er schluchzte:
„Wir sind hier jedes Mal hingegangen und haben die Sterne beobachtet. Nur sie und ich. Dann war sie nicht... mehr da."

Sein Kopf fiel nach unten. Patrick schüttelte seinen Kopf, als wäre das alles nicht real.

Ich nahm ihm das Bild ab. Das Mädchen hatte ich schon mal auf einem Bild gesehen. Bei ihnen Zuhause, doch ich hätte nie gedacht, dass sie seine Schwester sei. Ich dachte sie sei eine Freundin und habe nicht nach ihr gefragt.

Mich interessierte, warum sie nicht mehr da war, aber ich wusste nicht, ob ich ihn fragen könne. Ich wusste genau, wie er sich fühlte. Ich hatte das Gefühl auch oft, als ich im Heim war.

Man fühlt sich alleingelassen. Hilflos. Unwissend.

Ich fragte unsicher:
„Was ist passiert?"

Patrick nahm das Bild und lächelte bei ihrem Anblick. Er wird ernst, seine Finger zitterten:
„Sie war mit Cash zusammen. Sie sind zusammen Motorrad gefahren. Er am Steuer, hat das kommende Auto nicht kommen sehen. Sie hat es nicht geschafft. Er schon."

Er fing an zu weinen. Ich wusste nicht, was er alles durchgemacht hat. Er musste mit seiner Schwester eine starke Bindung gehabt haben. Ich küsste ihn auf den Scheitel:
„Das tut mir Leid."

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Es war heftig. Vor allen Dingen hatte mir niemand etwas davon erzählt.

Er schluchzte:
„Ich hätte es ahnen müssen. Ich hätte besser auf sie aufpassen müssen, dann wäre es nicht so Du musst jetzt mutig sein, Larissa. Dachte ich mi weit gekommen."

Ich setzte mich neben ihn:
„Patrick, hör auf so zu denken. Du bist nicht daran schuld. Du konntest nichts dafür."

Er tat mir so unendlich leid. Es musste schrecklich gewesen sein, zu erfahren, dass die eigene Schwester bei einem Unfall ums Leben gekommen ist.

Patrick saß still neben mir. Ich konnte mir gut vorstellen, wie er seine Schwester geliebt hat. Schon alleine, weil er mich so gut behandelte.
Ich küsste ihn auf die Wange:
„Ich bin für dich da. Okay?"

Er sah mich an, mit seinen braunen Augen, die so glanzlos und leer waren:
„Danke."

Ich stand langsam auf:
„Lass uns gehen, bevor Mum und Dad merken, dass wir weg sind."

Er stand auf, nahm meine kalte Hand in seine. Zusammen liefen wir in den dunkeln Wald, der so unendlich lang schien.

Lost My TwinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt