SIXTY-TWO

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29. Dezember, Samstag

"Zoe?", fragte Asher leise, ich blickte hoch von dem Laptop. Er schluckte.

"Darf ich dich was fragen?" Ich nickte verwundert. "Klar, jederzeit."

"Morgen...du weißt schon...gehst du hin?", fing er unsicher an und ich behielt mein Pokerface, legte den Kopf etwas schief und blickte ihn weiterhin an. Ich wusste, was er meinte, trotzdem erwiderte ich noch nichts.

"Du weißt schon, dein Vater...gehst du morgen zur...Beerdigung?"

"Nein", erwiderte ich knapp und drehte mich wieder weg, tippte weiter am Laptop einen Code ein. Vieles konnte ich zum Glück kopieren und dort einfügen, doch vieles musste ich auch neu eingeben. Ein einziger Fehler, und das ganze Programm würde anders ausfallen als ich wollte.

"Zoe, es i-"

"Ash, ich weiß, dass es mein Vater ist, du hast es schon oft genug gesagt. Ich würde auch hingehen, wenn es zur Zeit nicht so wichtig wäre, mich zu konzentrieren", erklärte ich ihm trocken. Als Ash jedoch weiterredete, stoppte ich in meiner Arbeit. Ich konnte mich nicht vollkommen konzentrieren.

"Ich verstehe das, ja. Aber weißt du, du solltest nicht dorthin, weil es dein Vater ist. Sondern weil, obwohl du dich vollkommen auf das konzentrierst, der Gedanke von ihm immer im Hinterkopf ist. Du könntest dich von ihm verabschieden, danach bist du noch konzentrierter, glaub mir."

"Ich glaube eher, dass ich dann nur an ihn denken kann und an nichts anderes", meinte ich, drehte mich zu ihm um. Asher schüttelte den Kopf.

"Während der Beerdigung, ja. Aber danach ist dein Kopf klarer, glaub es mir."

"Asher, nein", meinte ich und verdrehte die Augen, drehte mich wieder um. "Ich habe keine Lust, mit dir darüber zu diskutieren. Lass mich mich konzentrieren."

Während ich weitertippte, schlich sich Asher an mir an. Was ich erst mitbekam, als er sein Kinn auf meinen Kopf legte und auf den Laptop starrte, wie ich Dinge eintippte, die er nicht verstehen würde. Programmieren war wie eine Sprache, es gab so viele davon. Man musste sie jahrelang lernen.

"Du tust so als wäre es dir egal, aber eigentlich bricht es dich innerlich. Genauso wie der Fakt, dass du schon selbst Leute getötet hast. Ich bin mir sicher, du hast Albträume von ihren Gesichtern, ihren toten Augen. Zoe, du kannst mich nicht überzeugen, dass es dir wirklich gut geht", meinte Ash, ich tippte, ohne ihn zu beachten, weiter.

Obwohl er recht hatte. Aber das verdrängte ich.

"Ich habe nie etwas dazu gesagt, weil du das wichtigste Puzzle Teil in diesem Plan bist. Aber ich weiß, spätestens, wenn dieser Plan zu Ende ist, wirst du zusammenbrechen."

"Dann bist du ja schon weg, also braucht es dich dann nicht mehr zu interessieren", erwiderte ich trocken. Von Ash kam ein Seufzen und er stellte sich gerade hin, bedeutete, ich hatte nicht mehr das Gewichts seines Kopfes auf meinen.

"Ich werde nicht so schnell hier verschwinden, Zoe", murmelte er leise, sodass ich es gerade noch hören konnte. Meine Finger stoppten, ich sah einfach nur auf den Bildschirm. Seine Worte gingen mir, gegen meinen Willen, immer wieder durch den Kopf.

Zitternd atmete ich ein, bevor ich mit dem Sessel etwas nach hinten fuhr und aufstand. Ich schluckte und ging um Ash herum, er blieb einfach stehen, seinen Kopf verdrehte er jedoch so dass er mich sehen konnte. Als ich ihn von hinten umarmte, hörte ich ein raues Lachen von ihm.

"Wofür ist das?"

"Dass du da bist", nuschelte ich und wieder ertönte lachen von ihm. "Habe ich überhaupt eine Wahl?"

Zoe - AbductionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt