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-Sicht Taehyung-

Lange schwieg ich, traute mich einfach nichts zu sagen. Ich sah aus dem Fenster und beobachtete die Autos, an denen wir vorbeizogen. Immer wieder gingen mir die geschehenen Szenen durch den Kopf, Vorwürfe und Gedanken plagten mich. Ich hatte scheiße gebaut. Yoongi musste ansehen, was sein Vater mit mir gemacht hat und überhaupt, seinen Vater nach Ewigkeiten zusehen musste schlimm für ihn gewesen sein. Es tat mir so leid, aber leider konnte man die Zeit nicht zurückdrehen. Warum war ich mir nur so sicher, dass es gut ausgehen würde? Da hörte ich ein schniefen, was die Stille durchbrach. Mein Blick schnellte zu Yoongi. Der starrte mit immer noch böse zusammen gekniffenen Augenbrauen auf die Straße. Doch über seine Wange lief eine glitzernde Perle, die ihn verriet. Wieder ein schniefen. Noch mehr Tränen. Hastig wischte er sich die nassen Tropfen mit dem Ärmel weg.

"Hyung, es tut mir Leid. Ich habe... solche Scheiße gebaut. K-kann ich es irgendwie wieder gut machen?" hauchte ich vorsichtig. Er kniff kurz die Augen zusammen, schluckte dann und antwortete mit brüchiger Stimme:

"Nein, Taehyung. Kannst du nicht. Du hast es ja nur gut gemeint. Und dir geht es ja auch einigermaßen gut. Das ist die Hauptsache. Alles gut." Ich nickte leicht. Stille. Immer mehr Tränen liefen über Yoongis Gesicht. Ich verstand nicht wieso.

"Hyung, warum weinst du dann?" fragte ich besorgt. Er schluchzte. Dann begann er mit weinerlichen Stimme:

"W-weißt du wie es für mich ist, meinen Vater nach all dieser Zeit wieder zusehen? U-und dann auch noch, wie er dich schlägt. So viele Erinnerungen sind wieder da, Taehyung. Und seine Worte... es fühlt sich alles so an, als wäre diese grausame Zeit gestern gewesen. So viele Erinnerungen sind wieder da, die ich eigentlich lägst geschafft habe zu verdrängen. Ich war noch nicht über meine erbärmliche Vergangenheit hinweg, das ist ein heftiger Rückschlag für mich. Verstehst du? I-Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll." Ich sah ihm den Schmerz an. Immer öfter wischte er sich seine Tränen weg und zog seine Nase hoch. Er versuchte sich zu kontrollieren, aber man sah ihn an, dass er jetzt zusammenbrechen könnte. Das Auto schweifte langsam zur Seite ab, da Yoongi nichts sehen konnte vor lauter Tränen.

"Yoongi, halt an. Da, fahr auf den Rastparkplatz." sagte ich leicht unsicher und unwohl in dieser Situation.

"N-nein, es geht schon." schniefte er, immer noch mit brüchiger Stimme.

"Yoongi, mach jetzt!" wurde ich leicht lauter. Er biss seinen Kiefer zusammen, machte den Blinker an und bog auf den kleinen, dunkeln Parkplatz. Das Auto kam unter einer Laterne, mit schwachem, warmen Licht zum Stehen. Yoongi machte den Motor aus, legte seine Hände in seinen Schoß und starrte sie an. Er blinzelte um die Tränen zurückzuhalten. Ich wusste nicht was ich machen oder sagen sollte. Ich sah ihn einfach nur an. Dann legte er seinen Kopf in den Nacken, seufzte und schniefte wieder. Er schloss die Augen, kniff die Augenbrauen zusammen und Tränen begannen nun ungehalten seine Wangen runter zu rennen. Leise schluchzte er vor sich hin. Das schwache Licht schien durch die Scheiben und erhellte ein paar Stellen im Wagen. Yoongis linke Gesichtshälfte war beleuchtet, die Tränen glitzerten im warmen Licht. Minutenlang verharrte er so. Die Tränen hörten einfach nicht auf sein Gesicht zu benetzen. Immer dann, wenn sein Schluchzen weniger wurde, fing er wieder lauter an zu wimmern. Inzwischen streichelte ich leicht seinen Arm, doch darauf zeigte er keine Reaktion.

"Es tut mir so leid..." wisperte ich, der Schuld bewusst. Yoongi schluchzte noch einmal auf, wischte sich wieder übers Gesicht und sah mich mit seinen roten Augen und dem leidenden Blick an. Seine Augen glitzerten durch das leichte Licht, welches auf die Motorhaube traf und sich nun in seinen Pupillen spiegelte.

"Tae, ich weiß das es dir leid tut. Doch das ändert nichts an dem was passiert ist. Egal wie oft du es noch sagst, es tut weh." dann schaute er wieder an die Decke und schloss die Augen. Wieder sagte niemand etwas, das schniefen füllte das Schweigen.

"Ich weiß nicht mal, ob die bekannte Umgebung, die Worte meines Vaters, die Blicke meines Vaters oder dich leiden zu sehen schlimmer ist. Man Tae, du bist mir wichtig. Aber dann dich zu sehen, an meiner Stelle... und... Ach verdammt, was ist das?! Wenn du nicht in anderer Angelegenheiten mischen würdest, wäre das nicht passiert. Hättest du nur auf Junki gehört... Hätte ich dir nur nichts erzählt. Aber schön, dass du immer versuchst, jeden Menschen gut darzustellen, selbst meinen Vater. 'Neiiin, er ist bestimmt nicht so krank im Kopf, neiiin, er wird bestimmt mit sich reden lassen, wenn ich es mache, denn ich schaffe es immer allen Menschen zu helfen'. Oh, entschuldige, du meintest es ja nur gut und hast dabei nicht daran gedacht, wie es hinter deiner rosaroten Brille aussieht!... Naja, hätte, hätte... jetzt ist es passiert und keiner kann es ändern. Ich werde damit leben müssen." Kotzte er sich unter Tränen wütend bei mir aus. Seine Worte verletzten mich, machten mich noch trauriger. Aber ich hatte es verdient. Er wendete seinen Blick wieder von mir ab, wischte sich die letzten Tränen weg und startete den Wagen. Langsam rollte das Auto vom Parkplatz, die Laterne durchleuchtete noch einmal das ganze Auto, bis es wieder komplett dunkel war und nur die Scheinwerfer uns den Weg leuchteten. Ich öffnete meinen Mund um etwas zu sagen, doch Yoongi sprach leise ohne mich anzusehen:

"Entschuldige dich noch einmal und du läufst zu Fuß nach Hause. Ein 'Es tut mir leid' bringt mir nichts, also erspare es dir und vor allem mir." Ich stutzte kurz und schloss dann wieder meinen Mund, da ich nicht wusste, was ich sonst sagen sollte. Ich fühlte mich so schlecht, schon wieder hatten Yoongi und ich uns gestritten und nun musste er leiden wegen meiner Dummheit.

Wir wechselten fast kein einziges Wort mehr auf der ganzen Fahrt. Es war spät, deshalb brachte mich Yoongi gleich nach Haus. Er würde alleine mit seiner Mutter und Junki entscheiden, was nun passieren sollte. Ich hatte zu ihm gesagt, dass ich gerne noch mit Junki und seiner Mum reden würde, doch er sagte, Zeit sei dazu später noch genug, ich soll nun schlafen. Aber stattdessen saß ich nun in meinem Zimmer und starrte vor mich hin. Meine Eltern haben die ganze Story erzählt bekommen, sowohl von mir, als auch Yoongis Mutter, die später noch anrief. Am Ende hieß es, meine und Yoongis Mutter würden eine Anzeige gegen Herrn Min machen. Ist mir recht so, dieses Schwein. Ich betrachtete meine Wunden am Arm, strich vorsichtig drüber. Es tat nicht sonderlich weh. Ich schaute auf in den Spiegel der gegenüber von mir an der Wand hing. Ich zog mir mein Sweatshirt über den Kopf. Im hellen Zimmerlicht waren die Striemen noch viel deutlicher zu erkennen. Ich musste schmunzeln. Es sah schon übel aus. Dann seufzte ich tief und raufte mir durch die Haare. Alles war scheiße. Ich hatte alles noch viel schlimmer gemacht. Anscheinend konnte ich das gut, Probleme verursachen. Oder ich bin einfach ein Problem. Schnaubend sah ich rüber zu meinem Schreibtisch, auf dem ein Haufen an Essen auf mich wartete. Doch irgendwie verspürte ich nicht mal Lust, es in mich reinzustopfen. Warum ich es dann doch tat, wusste ich selbst nicht. Erst beim auskotzen wusste ich, das es mal wieder die richtige Entscheidung war.
Es war das Einzige, was im Moment gut tat und Erleichterung brachte.

  What Is Love? || Taegi || BTS Texting ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt