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-Sicht Taehyung-

Die Bäume und Häuser schnellten an mir vorbei. Aus meinen Kopfhörern lief leise Musik und ich schaute aus dem Fenster. Ich hatte meinen Kopf auf meine Hand gestützt. Der Zug war auf dem Weg zu Yoongis alten Heimatstadt, Daegu. Dieselbe Heimatstadt wie meine. Ich war sehr lange nicht mehr dort gewesen. Das Viertel, in dem Yoongis Vater wohnte, kannte ich sogar. Alte Bekannte haben dort mal gewohnt, zu ihnen haben wir aber lange keinen Draht mehr. Die Sonne ging schon unter. Am Horizont erstreckten sich rosa und orangene Wolken. Sie sahen aus wie Zuckerwatte. Es sah wunderschön aus, wie die fast verwundene Sonne zwischen den schwarzen, dürren Bäumen hervorblitzte. Das waren die schönen Seiten des kalten Winters. Ich freute mich auf den Frühling. Langsam hatte ich die Kälte, den fast nicht vorhandenen Schnee und die kurzen Tage satt.

Nach einer guten Stunde fahrt kam ich im Hauptbahnhof an. Ich schulterte meine Tasche, stieg aus und atmete tief ein. Ich schloss die Augen und genoss es wieder zurück zu sein.

"Hallo Daegu." seufzte ich. Dann lief ich mit der Masse zur nächsten Bushaltestelle. Ich erinnerte mich an den Bahnhof, nur war er damals nicht so neu und modern. Er wurde wohl vor kurzer Zeit renoviert. Im Bus verbrachte ich nicht lange, vielleicht nur eine Viertelstunde, bis ich im richtigen Viertel ausstieg. Die letzten paar Meter lief ich zu Fuß. Inzwischen war es dunkel, Laternen leuchteten auf mich herab und der Himmel war dunkel blau. Nicht mehr lange und es wird gar kein Licht der Sonne mehr zusehen sein. Ich zog meine Jacke etwas mehr zu, kalter Wind kam auf.

Irgendwann erreichte ich den großen Wohnblock, in dem der Vater noch wohnen musste. Ich schaute kurz rauf. Stockwerk 7, Wohnung 208. Ich holte mein Handy raus und schrieb Yoongi schnell eine Nachricht. Dann betrat ich das Gebäude und machte mich auf den Weg nach oben. Ich las die Nummern auf den Türen. 206... 207... Da, 208! Ich ging auf die Tür zu. Ich hob meine Hand um zu klopfen, doch ich hielt kurz inne und lauschte. Mein Herz klopfte wie wild. Wie er wohl aussah? Wie würde er wohl reagieren, wenn ich Yoongi erwähnen würde? Ich schluckte, zählte innerlich bis drei und klopfte. Das Klopfen schallte laut durch das ganze Haus. Ich wartete ein paar Sekunden. Dann schien jemand die Tür aufzuschließen. Dann öffnete sie sich. Doch zu meiner Überraschung stand eine kleine alte Dame vor mir.

"Was kann ich für dich tun, Junge?" krächzte sie freundlich. Ihr Lächeln schlug viele Falten und ihre Augen verschwanden hinter ihrer kleinen Brille komplett.

"Ich suche den Herrn---" begann ich freundlich.

"Der wohnt hier nicht mehr. Er ist umgezogen, schon vor einem Monat. Hat er seine Adresse denn immer noch nicht ändern lassen?" unterbrach sie mich schon leicht genervt. Anscheinend war ich nicht die erste Person, die zu Yoongis Vater wollte.

"Wissen sie, wohin Herr Min gezogen ist?" fragte ich trotzdem höflich. Die Dame schien zu überlegen.

"Ja... er wohnt noch in diesem Block... aber wo... ich hab's gleich... Achja, es war die Nummer 113!" antwortete sie mühselig. Ich bedankte mich und lief zur Wohnung 113, wo ich nach kurzem zögern klopfte. Eine Weile passierte nichts. War er vielleicht nicht zuhause? Doch dann hörte ich Schritte hinter der Tür, mein Puls beschleunigte sich und die Tür ging auf. Ein großer Mann, schlank aber stark, lehnte sich in den Türrahmen und sah zu mir runter. Er hatte ein freundliches, kleines Lächeln.

"Hallo" sagte er verwirrt. Ich lächelte nett.

"Hallo Herr Min. Ich bin Kim Taehyung. Sie kennen mich nicht. Ich bin hier, um über ihren Sohn zu sprechen, Min Yoongi. Könnten wir uns vielleicht zu ihnen rein setzten und ich erzähle ihnen, was Sache ist?" Er sah mich stirnrunzelnd und skeptisch an. Man sah, das ihm das Thema nicht gefiel.

"Was willst du?" fragte er dann nicht mehr so freundlich und machte nicht die Anstalten, mich reinzubitten. Ich blieb dennoch freundlich und antwortete:

"Ich weiß, was damals zwischen euch beiden passiert ist. Yoongi geht es damit sehr schlecht, und ich dachte--" begann ich. Doch ich wurde unterbrochen.

"Mich interessiert es nicht, ob er zuhause rumsitzt und wegen mir heult. Das Einzige, was mich interessieren würde, ist, wenn er tot wäre. Obwohl, nein. Nicht mal das würde mich interessieren. Also bist du umsonst gekommen, Taehyung. Auf Wiedersehen." Er wollte sich wegdrehen und die Tür schließen. Doch ich steckte meinen Fuß dazwischen. So schnell ließ ich ihn nicht gehen.

"Hören sie mal, Yoongi ist wegen ihren Aktionen traumatisiert, ihm geht es schrecklich. Wenn sie das nicht klären wollen, nagut. Dann wird er wohl Therapien brauchen, die sehr viel Geld kosten. Und da sie ja der Grund sind, dürften sie dann alle bezahlen. Wenn ihnen das lieber ist, als mich jetzt reinzulassen und sich für eine Weile mit mir zu unterhalten, bitteschön. Einen schönen Abend wünsche ich ihnen." gab ich den Takt an, zog meinen Fuß aus der Tür und wollte gehen. Doch da rief er:

"Halt! Nagut, wenn es sein muss, komm rein." knurrte er leicht. Bingo. Ich grinste hinter meinem Rücken. Dann drehte ich mich wieder um.

"Vielen Dank." lächelte ich wie ein Engel und tritt in seine Wohnung. Der Mann leitete mich in ein Wohnzimmer. Wir setzten uns auf das Sofa.

"Also, wären sie eventuell bereit, mit ihrem Sohn zu reden und sich zu entschuldigen? Wenn er weiß, dass sie es bereuen, dann---" wieder unterbrach er mich.

"Tch, ich bereue gar nichts. Dieses Drecksvieh hat jeden einzelnen Gürtelhieb verdient. Wenn nicht sogar noch mehr. Nur wegen ihm war ich im Knast. Entschuldigungen kannst du dir gleich abschminken." zischte er mit einem sarkastischen Lachen. Ich wurde wütend. Was für ein Wichser.

"Hören sie mal. Yoongi ist verdammt nochmal ihr Sohn, sie haben jemanden wie ihn nicht so zu behandeln, kein Mensch hat es verdient so behandelt zu werden. Nur weil er schwul ist oder war, können sie nicht sagen, er wäre kein Mensch. SIE sind kein Mensch, denn Menschen schlagen, nur, weil sie 'anders' sind, das ist krank. Sie sind doch krank. Yoongi ist ihr Sohn, er ist traumatisiert, wegen ihnen. Das sie das nicht interessiert!?" gab ich etwas lauter in einem schroffen Tonfall zurück. Er richtete sich auf.

"Jetzt hör mal, Junge. Er ist nicht mein Sohn. Er liebt Männer, sowas abartiges ist nicht mein Sohn. Wenn dir meine Erziehungsmethode nicht gefällt, dann geh. Warte..." begann er. Ich sah ihn mit bösem, aber verwirrten Blick an.

"Bist du Yoongis jetziger Boyfriend?"

  What Is Love? || Taegi || BTS Texting ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt